Cypressenzweig auf das Grab des englischen Humoristen John Leech

Textdaten
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Autor: Herbert König
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Titel: Cypressenzweig auf das Grab des englischen Humoristen John Leech, vom deutschen Humor
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aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 780
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[780]

Cypressenzweig

auf das Grab des englischen Humoristen John Leech,
vom deutschen Humor.[1]

Armer John – an Deinem Grabe stehen auch Deine deutschen Collegen, in der Gestalt einer Trauerweide – denn unsere Haare sind zu Trauerzweigen geworden und senken sich über Dein schlichtes Kreuz. Neidlos blicken wir auf Deinen Ruhm, neidlos auf Deinen Witz, auf Deine Hechtnatur, die in den faulen Karpfenteich des Lebens Bewegung brachte. Wir gedenken Deiner Fuchsjäger und Angler, die Dein scharfgespitzter Griffel schuf, Deiner Ladies, der schönen und der abgelagerten, Deiner Blaustrümpfe, Deiner Gentlemen, Deiner „Freiwilligen“, Deiner Sportsmen, Deiner „Flunkeiana“ und des unsterblichen „Mr. Briggs“, dieser Krone alles englischen Spleens. – Auch Master Punch, dessen Hauptzierde Du warst, sitzt trauernd auf Deinem Grabe. Er hat sein lustiges Polichinel-Costüm abgelegt und ist nur noch ein alter bekümmerter Mann. – Lebewohl, lustiger John, Du „Bursch von unendlichem Gemüth“! Wir setzten Dir dies kleine Denkmal in Deinem Sinne, mit einem nassen und einem heitern Auge, denn nachdem Du die ersten bangen Todesahnungen überstanden, hast Du gewiß in Deinem letzten Stündlein gelächelt – diese miserable Welt verlassen zu müssen.
H. Kg. 


  1. Das deutsche Nationalgefühl, welches besonders in letzter Zeit vom stolzen England herausgefordert wurde und nicht ermangelte, in Wort und Bild Wiedervergeltung zu üben, ist vorurtheilsfrei genug, um den Guten und Besten jenes Landes die gebührende Anerkennung nicht vorzuenthalten. Thackeray, den großen humoristischen Schriftsteller, der vor Kurzem ebenfalls aus der Reihe der Lebenden schied, setzten wir bereits in diesen Blättern ein Denkmal der Liebe und Bewunderung, wie es dem Genius gebührt, möge aus diesem oder jenem Winkel der Erde sein Licht strahlen. – Jetzt gilt es John Leech, dem berühmten Humoristen und Satiriker, der mit seinem nie rastenden Griffel in dem weltbekannten englischen Witzblatte, dem Punch, dessen Hauptzeichner er war, seit einer Reihe von Jahren die Sitten und Gewohnheiten seines Volks mit einer Schärfe, mit einer Unparteilichkeit und Unerbittlichkeit geißelte, wie kaum ein Anderer vor ihm. Hogarth schilderte uns das alte – Leech das moderne London in hundert und aber hundert Persönlichkeiten und Situationen, so daß selbst der Ausländer von dem Treiben, von den Originalen der ungeheuern Weltstadt das treueste Abbild erhielt. Er war ein Maler seiner Zeit, seines Zeitgeistes – seine Skizzen, ausgestattet mit einer Fülle des köstlichsten Humors, sind Epoche machend und werden die Freude Aller bleiben, welche Sinn und Empfänglichkeit haben für die Spenden wahren Humors.