Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
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Titel: Crimmitschau
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Herausgeber: Leipziger Volkszeitung
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Erscheinungsdatum: 12. Dezember 1903
Verlag: Leipziger Volkszeitung
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Erscheinungsort: Leipzig
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Crimmitschau.

Wird es Euch nun allmählich klar,
Ihr hochgemuten, stolzen Herren,
Daß es ein grober Schnitzer war,
Die fleiß’gen Hände auszusperren,

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Daß ihr im eignen Netz euch fingt

Bei lustigem Champagnerzechen,
Daß eine Dummheit ihr begingt,
Die schwerer wiegt als ein Verbrechen?
Es sollte euch der vierte Stand

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Für seine Junisiege büßen;

Ihr wolltet jeden Widerstand
Zertreten unter euern Füßen;
Ihr habt voll Zuversicht geglaubt,
Bei denen, die für euch sich placken,

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Zu beugen jedes trotz’ge Haupt,

Zu brechen jeden starren Nacken,
Und ihnen den modernen Geist,
Der drohend blickt durch eure Scheiben,
Und seine Rücken frech und dreist

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Für Jahre gründlich auszutreiben

Ihr habt gewähnt, es handle sich
Im schlimmsten Fall um ein paar Wochen;
Dann lasse sie ihr Mut im Stich,
Dann sei der Massen Trotz gebrochen;

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Und was dem Hunger nicht erliegt,

Und seinem nimmermüden Nagen,
Das werde durch den Frost besiegt,
Bereits in den Novembertagen,
Denn wenn nicht vor dem Winterwind

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Der Männer Trotz von selber stürbe,

So mache man durch Weib und Kind
Sie schließlich doch unfehlbar mürbe.
Wird wen’ger Ware hergestellt,
So steigt der Preis nach kurzer Pause;

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Auch zeigt man nebenher der Welt,

Daß man noch Herr im eignen Hause.
Kurz, alles schien euch gut zu stehen —
Da hieß es keine Zeit verlieren —
Ihr wolltet bis ans Ende gehn,

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Und ein Exempel statuieren;

Ihr saht vereint in eurer Hand
Die schwersten und die schärfsten Waffen,
Drum wolltet ihr, fürs ganze Land,
Im Weg des Schreckens Ruhe schaffen.

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Jedoch — ihr irrtet euch im Land

Und im geduld’gen Volk der Sachsen;
Es ist der Massen Widerstand
Bereits euch über’n Kopf gewachsen,
Denn stoisch trotzt man eurer Macht

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Und prasselnd schlagen jetzt die Flammen

Des Streits, den ihr frivol entfacht,
Ob eurem eignen First zusammen.
Ihr ahntet nicht, daß man der Not
Mit off’ner Hand zu Hilfe eile,

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Daß man den kargen Bissen Brot

Mit Crimmitschau im Munde teile,
Daß sich das rote Königreich
Verbünde über Berg und Tale
Und euch den rohen Protzenstreich

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Mit hohen Zinsen heimbezahle.

Ihr stellt euch ungeberdig noch,
Gestützt auf den Gendarmenschrecken,
Ihr schmäht und höhnt und trotzt,
Jedoch, ihr werdet schon die Waffen strecken

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Denn Sorge schleicht durch euer Haus;

Ihr schmort auf glühend heißem Roste,
Und rechnet zähneklappernd aus,
Was euch der Kampf bis dato koste.
Es spielt ein bängliches Gefühl

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Mit eurer Kampflust armen Resten,

Und dem Verbissensten wird’s schwül
Beim Blick in seinen Feuerfesten,
Die Massen aber sind sich klar,
In Reih und Glied steh’n sie geschlossen,

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Und willig reichen Hilfe dar

Im ganzen Lande die Genossen.
Gescheitert ist der Herren Schlag;
Sie schwanken schon in den Entschlüssen
Und werden den Zehnstundentag

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Am Ende doch gewähren müssen.

                                                                      R. L.

Anmerkungen (Wikisource)

Ebenfalls abgedruckt in:

  • Ein anderes Deutschland. Texte und Bilder des Widerstands von den Bauernkriegen bis heute.
    Oberbaum-Lesebuch 1978, S. 226, Oberbaumverlag, Verlag für Literatur und Politik GmbH.
Text zum Gedicht Crimmitschau:
Der Kaufmann und bekannte sozialdemokratische Schriftsteller Rudolf Lavant schrieb 1903 Gedichte zur Unterstützung der Textilarbeiterinnen und -arbeiter Crimmitschaus, die vom 7. August 1903 bis zum 17. Januar 1904 im Streik für den Zehnstundentag und höhere Löhne standen. Mehr als die Hälfte der Streikenden waren Arbeiterinnen, die sich als Mitglieder der Streikkomitees und Streikposten gegen Unternehmerwillkür und Ausbeutung wehrten. Nach fünfmonatigem Kampf wurde der Streik von reformistischen Gewerkschaftsführern abgewürgt, ohne dass auch nur eine Forderung der Streikenden erfüllt worden war.

Gedichte von Rudolf Lavant über den Streik von Crimmitschau in anderen Medien: