Crimmitschau
Crimmitschau.
Von Rudolf Lavant.
Ihr habt gewähnt, es handle sich
Im schlimmsten Fall um ein paar Wochen,
Dann lasse sie ihr Mut im Stich,
Dann sei der Massen Trotz gebrochen;
Und seinem nimmermüden Nagen,
Das werde durch den Frost besiegt,
Bereits in den Novembertagen;
Denn wenn nicht vor dem Winterwind
So mache man durch Weib und Kind
Sie schließlich doch unfehlbar mürbe.
Jedoch — Ihr irrtet euch im Land
Und im geduld'gen Volk der Sachsen;
Bereits euch über'n Kopf gewachsen,
Denn stoisch trotzt man Eurer Macht
Und prasselnd schlagen jetzt die Flammen
Des Streits, den Ihr frivol entfacht,
Ihr ahntet nicht, daß man der Not
Mit off'ner Hand zu Hilfe eile.
Daß man den kargen Bissen Brot
Mit Crimmitschau im Munde teile,
Verbünde über Berg und Tale
Und Euch den rohen Protzenstreich
Mit hohen Zinsen heimbezahle.
Ihr stellt Euch ungeberdig noch,
Ihr schmäht und höhnt und trotzt, jedoch
Ihr werdet schon die Waffen strecken.
Es spielt ein bängliches Gefühl
Mit Eurer Kampflust armen Resten,
Beim Blick in seinen Feuerfesten,
Die Massen aber sind sich klar,
In Reih und Glied steh‘n sie geschlossen,
Und willig reichen Hilfe dar
Gescheitert ist der Herren Schlag;
Sie schwanken schon in den Entschlüssen
Und werden den Zehnstundentag
Am Ende doch gewähren müssen.
Anmerkungen (Wikisource)
Ebenfalls abgedruckt in:
- Ein anderes Deutschland. Texte und Bilder des Widerstands von den Bauernkriegen bis heute.
Oberbaum-Lesebuch 1978, S. 226, Oberbaumverlag, Verlag für Literatur und Politik GmbH.
- Text zum Gedicht Crimmitschau:
Der Kaufmann und bekannte sozialdemokratische Schriftsteller Rudolf Lavant schrieb 1903 Gedichte zur Unterstützung der Textilarbeiterinnen und -arbeiter Crimmitschaus, die vom 7. August 1903 bis zum 17. Januar 1904 im Streik für den Zehnstundentag und höhere Löhne standen. Mehr als die Hälfte der Streikenden waren Arbeiterinnen, die sich als Mitglieder der Streikkomitees und Streikposten gegen Unternehmerwillkür und Ausbeutung wehrten. Nach fünfmonatigem Kampf wurde der Streik von reformistischen Gewerkschaftsführern abgewürgt, ohne dass auch nur eine Forderung der Streikenden erfüllt worden war.
- Text zum Gedicht Crimmitschau:
Gedichte von Rudolf Lavant über den Streik von Crimmitschau in anderen Medien:
- Crimmitschau, in: Leipziger Volkszeitung, 12. Dezember 1903, Nr. 287 SLUB Dresden
- Des Kampfes Ende, in: Der wahre Jacob, 1904, Nr. 458, S. 4269 UB Heidelberg