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Weltgericht.

Das „jüngste Gericht“ oder Weltgericht erfolgt nach dem Weltende, wenn die Todten wieder auferstehen. Offenb. Joh. 20, 13. Seine Darstellungen an der Hinterwand der Kirchen gegenüber dem Eingang waren im Mittelalter sehr beliebt. In der Vorhalle begann die kirchliche Wandmalerei mit dem Sündenfall und endete hinter dem Altar mit dem Weltgericht, gleich der heiligen Schrift. In der griechischen Kirche wird das Bild des Weltgerichts in die Vorhalle hinausgerückt, was sie wesentlich von der abendländischen unterscheidet. Die Wandgemälde waren umfangreich, denn es galt hier, Himmel, Erde und Hölle mit einem Blick zu übersehen.

Die gewöhnliche Eintheilung dieser Bilder ist: Oben Christus im Himmel, in der Mitte der Erzengel Michael mit der Waage, unten das Thal Josaphat, in dem die Todten auferstehen; rechts sodann die aus den Gräbern bis zum Himmel aufsteigenden Seligen unter Führung der heiligen Jungfrau, links die aus den Gräbern in den Höllenrachen verurtheilten und vom Teufel in Empfang genommenen Unseligen.

Der untere Theil des Gemäldes, die Grundlage des Ganzen, ist das Thal Josaphat, nach Joel 3, 7. Vgl. 2. Chron. 20, 26. Zachar. 14, 4. Ausführliche Beschreibungen desselben [556] in Görres Volksbüchern S. 257. Philonis magiologia p. 411. Auf den Bildern ein gewöhnlicher Kirchhof, dessen Gräber sich aufthun und aus dem die Todten bald als Gerippe, bald schon mit Fleisch umkleidet, bald in vollendeter Lebensfülle hervorgehen. Viele Maler haben in der Abstufung der Verwesungsgrade und in der Treue der anatomischen Details ein Verdienst gesucht, welches dem eigentlichen Geist und Interesse des Gegenstandes fern liegt. Näher liegt demselben aber die Physiognomik, das Staunen, die Freude und der Schrecken der aus den Gräbern Aufwachenden. Hiebei haben die Maler darauf zu achten, dass der Richter gegenwärtig ist und dass die Ehrfurcht vor ihm alle Privatempfindungen der Auferstandenen beherrschen und zurückdrängen muss. Weder die Seligfrohen, noch die Verzweifelten dürfen sich geberden, als ob der Herr nicht dabei wäre. Auch Personalsatyre, Porträts von Gegnern etc. hier anzubringen, halten wir für nicht erlaubt und des grossen Gegenstandes für nicht würdig. Der Maler selber soll von Ehrfurcht gegen den Herrn durchdrungen seyn. Begreiflicherweise gehören auch unschickliche Nuditäten nicht in die Kirche. Die Naivetät des Mittelalters nahm es damit nicht zu genau, jedoch sind Freiheiten wie die in der Kathedrale zu Albi unter allen Umständen unstatthaft.

Richter beim Weltgericht ist nicht der Vater, sondern der Sohn. Joh. 5, 22. Vorbild des letzten Richteramts ist sein Austreiben der Verkäufer aus dem Tempel. Auf den Bildern, welche diese Scene darstellen, steht Christus mit der Geissel in der Mitte und hat rechts das Heiligthum des Tempels, links die Käufer, was dem Gegensatz von Himmel und Hölle auf den Bildern des Weltgerichts entspricht. Vorbild des Weltgerichts ist auch Psalm 110, 6. Mystisches Bild des richtenden Christus ist das thronende Lamm in der Apokalypse. Der das Opfer war, ist auch der Richter. Das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, in welchem Gottes Leben sich hingab in des Menschen Tod, auf dass es die Menschen fähig mache zum Antheil am göttlichen Leben, [557] der Gekreuzigte allein kann richten über die Lebendigen und Todten. Darum ist Christus auf Bildern des Weltgerichts von einem Halbkreis von Engeln umgeben, welche die Passionswerkzeuge tragen. Der Blick des ewigen Richters ist streng und schrecklich für die Verdammten. In dem schönen Hymnus: Jucundantur et laetantur heisst es im 7ten Verse:

Tunc qui eum pupugerunt, cernent omnes impii
T'hrono igneo subnixum specie terribili
Mox occulla singulorum cunctis patent cordium.

Diesen alldurchdringenden schrecklichen Blick des Richters pflegen die alten Maler nur durch das aus dem linken Auge hervorstehende Schwert auszudrücken, wogegen sie aus dem rechten Auge eine Lilie hervorgehen lassen. Das Schwert ist den Verdammten, die Lilie den Seligen zugewendet. So auf dem berühmten Danziger Weltgericht, auf dem Bild hinter dem Altar des Ulmer Münsters, im Hospital zu Beaune. Das Schwert ist gewöhnlich glühendroth. Vgl. die Artikel Lilie und Schwert. Auf einem Bild zu Kentheim gehen dem Weltrichter zwei Schwerter aus dem Munde. Kunstbl. 1840, S. 402.

Christus thront auf dem Regenbogen. Vgl. diesen Artikel. Er hat gewöhnlich den purpurnen Königsmantel über dem blossen Leibe und segnet mit der rechten Hand die Seligen, während er mit der linken die Verdammten abweist. Seine Füsse stützt er auf die Weltkugel. Vgl. den Artikel Kugel. Am Portal der Lorenzkirche in Nürnberg stützt er die Füsse auf Sonne und Mond. Auf Bildern des Weltgerichts in der griechischen Kirche pflegt zu des Heilands Füssen ein Feuerstrom zu entspringen, der sich nach links zu den Verdammten wendet. Auch Giotto hat diesen Feuerstrom noch zu Padua gemalt. Kunstblatt 1832, Nr. 4. In dem weissen Gewölk, aus dem der Regenbogen hervorgeht, erblickt man die unschuldigen Kinder. Vgl. den Artikel Limbus. Unterhalb des Gewölkes aber die posaunenden Engel, welche die Todten erwecken,

In der Mitte unmittelbar unter dem Fusse des Heilands tritt auf den Bildern der abendländischen Kirche in der Regel [558] der Erzengel Michael in riesenhafter Grösse als Vollstrecker des göttlichen Urtheils hervor, in der griechischen Kirche steht aber zwischen dem Richter und Michael noch das Kreuz, zu dessen beiden Seiten Adam und Eva knieen. Das Kreuz steht hier als Baum des Lebens an der Stelle des Erkenntnissbaumes in den Bildern des Sündenfalls, und der Sündenfall selbst wird als die erste Ursache bezeichnet, die das Weltgericht überhaupt veranlasste. Auf einem altdeutschen Bilde in der Abel’schen Sammlung in Stuttgart hält der auf dem Regenbogen thronende Gott Vater den Sohn am Kreuz vor sich, der wie auf den Kreuzigungsbildern die Sonne zur Rechten, den Mond zur Linken hat. Das ist ein Triumph des Kreuzes im Weltgericht, und der Richter selbst erscheint noch unmittelbar als der Gekreuzigte.

Michael ist gewöhnlich sehr gross, eine riesenhafte Figur in der Mitte, vor der die andern in den Hintergrund zurückschwinden. Er trägt den goldnen Harnisch mit langem Schwert und eine grosse Waage, auf deren sinkender Waagschale ein Seliger, auf deren aufsteigender ein Verdammter, gewöhnlich schon in Gesellschaft von Teufeln, sitzt. Das Sinken der Waagschale zur rechten Seite bedeutet hier immer das Uebergewicht der göttlichen Gnade, so dass der Teufel trotz seiner Gewalt doch eigentlich im Nachtheil bleibt. Vgl. die Artikel Michael und Waage. Auf Bildern der griechischen Kirche steht dagegen unter dem Heiland das Kreuz, neben dem Adam und Eva knieen, und erst unter diesem kommt Michael.

Zur Rechten des Heilands steht oder kniet die fürbittende Maria. Im Campo Santo zu Pisa sitzt sie ausnahmsweise als Mitrichterin neben dem Heiland, um die Gnade neben der Gerechtigkeit zu bezeichnen, beide in die gleiche Glorie eingehüllt und von den zwölf Aposteln umgeben. Kunstblatt 1835, Nr. 96 f. Insgemein aber beugt sie sich von der rechten Seite demüthig vor dem allein thronenden Sohne. Auf einem Bilde von Aldegrever (Berliner Museum von Kugler S. 176) ist ihr Gewand, wie auch das des ihr gegenüberstehenden [559] Täufers vom Winde verweht, eine Bewegung, die sich für den Himmel und für die Ruhe des Gerichts nicht schickt. — Maria hat die Apostel zur Seite, wie der Täufer auf der andern Seite die Propheten. Maria führt den Zug der aufsteigenden Seligen an oder weist auf sie hin, empfiehlt sie der Gnade des Sohnes. Im Mittelalter deuteten die Maler den Himmel oder das neue Jerusalem auf der rechten Seite des Bildes, wie auf der linken die Hölle ausdrücklich an. Bald als eine Stadt, bald nur als einen Tempel, bald als eine Sonne (im Ulmer Münster). Auf dem Danziger Weltgericht empfangen die nackten Auferstandenen auf der rechten Seite des Bildes von Engeln weisse Kleider. Die alten Maler, welche die Seligen in naiver und demüthiger Freude malten, thaten am besten. Die Neuern, legen oft zu viel Prätension in sie hinein, oder denken nur daran, hübsche nackte Figuren zu gruppiren. Auf dem berühmten, durchaus im antiken Geist aufgefassten Weltgericht des Michel Angelo entbehren die Seligen jenes specifisch christlichen Ausdrucks von Heiligkeit und inniger Andacht, ohne den man sie sich gar nicht vorstellen kann. Die Martyrer zeigen ihre Wunden vor, wie rebellische Prätorianer, die Lohn erzwingen wollen. Noch grob sinnlicher als hübsche Fleischmassen sind sie im Weltgericht von Rubens gemalt. Cornelius, dem man nachsagt, er habe in seinem Bild in der Münchner Ludwigskirche den Michel Angelo nur raphaelisiren wollen, zeigt in seinen Seligen eine zu wehmüthige, kühle Sentimentalität, die in ihrer Anständigkeit doch zu sehr die innige Wonne vermissen lässt. Da ist die kindliche Einfalt der Seligen bei Fiesole doch ansprechender. Am wenigsten sind die modernen Auffassungen zu billigen, in denen Privat- und Familieninteressen vorangestellt und selige Gruppen gemalt werden, die das frohe Wiedersehen von Verwandten und irdischen Geliebten ausdrücken. Man darf im Himmel nicht blos die Erde wiederfinden wollen.

Auf der linken oder Schwertseite des Richters steht Johannes der Täufer mit den Propheten und Patriarchen, [560] das alte Testament vertretend, wie Maria das neue, auf der Nachtseite der Welt und Geschichte, wie jene auf der Tagseite. Wie Maria den Uebergang des Menschen zum Engel und zu Gott selbst bezeichnet, so Johannes in seinem Thierfell gleichsam den in der alten vorchristlichen Barbarei erfolgten Uebergang des Menschen zum Thier und zum Teufel. Er, Johannes, ist die höchste und vollendetste Blüthe, zu der die Menschheit auf der Nachtseite gedieh, so wie Maria die höchste Blüthe der Menschheit auf der Lichtseite ist.

Zwischen Johannes oben und den Verdammten unten findet keine Verbindung statt. Sie stehen nur auf der nämlichen Seite, sind aber getrennt durch die Wolkenschicht, durch die posaunenden Engel und durch Engel mit Schwertern, welche das Aufsteigen der Verdammten zum Himmel abwehren. Nur vom linken Fuss des Richters selbst aus findet in den Bildern der griechischen Kirche eine Verbindung mit der Hölle statt durch den Feuerstrom, der von ihm ausgeht. Zuweilen wird auch Michael in der Mitte mit der höllischen Parthie noch speciell verbunden, indem er den Drachen unter sich stösst.

Dem himmlischen Jerusalem gegenüber auf der linken Seite bis in die linke Ecke des Bildes hinab liegt die Hölle, in den ältern Bildern meist der offene, riesenhafte Rachen eines drachenartigen Thiers, in dessen Flammen schwarze Teufel die nackten Verdammten hineinschleppen. Wie in der Physiognomie der Verdammten Reue, Verzweiflung, Schrecken und der Ausdruck der verschiedenartigen Laster, um derentwillen sie verurtheilt worden, die Aufgabe des Malers sind, so in den Physiognomien und Gestalten der Teufel höllische Bosheit, Schadenfreude, Grausamkeit. Man wird unter den ältern Bildern kaum eines finden, auf dem nicht auch ein Papst, Cardinal, Bischof, Kaiser oder König in die Flammen der Hölle kämen. Das war nichts weniger, als Satyre, sondern zeigte in echt kirchlichem Sinn den so oft vorkommenden Unterschied zwischen dem Stand und der Person, der Pflicht und der Leistung. Uebertreibung, [561] Absichtlichkeit, Satyre und ein demokratisches Princip liegt aber ohne Zweifel in dem Bilde zu Ramersdorf bei Bonn, auf welchem die Hölle ausschliesslich mit vornehmen Herren und Damen, der Himmel eben so ausschliesslich mit Armen und Arbeitern erfüllt wird. Vgl. Schnaase im Taschenbuch vom Rhein 1847, S. 207.

Es ist nicht nothwendig, auf Bildern des Weltgerichts der Hölle einen Mittelpunkt zu geben in einem thronenden Höllenfürsten, der sich (wie namentlich das grosse Bild von Cornelius beweist) in seiner untergeordneten Stellung zum Hauptbilde immer kleinlich ausnimmt. Orcagna suchte ihm auf dem Bild im Campo Santo zu Pisa mehr Bedeutung zu geben, indem er nach allen Seiten Flammenstrahlen von ihm ausgehen liess. Rubens gab ihm Drachengestalt mit vielen Köpfen, die nach allen Seiten die Verdammten aufschnappen. Es genügt, indem das Hauptinteresse auf die Verdammten gelenkt wird, nur untergeordnete Teufel als deren Schergen und Henker zu malen. Gar zu viel Humor in diese hineinzulegen, schickt sich wegen des Ernstes nicht wohl, der die Bilder des Weltgerichts umkleiden soll. Wenigstens darf der Maler nicht auf lächerliche Effecte ausgehen, die den Haupteindruck des ganzen Bildes verwischen. Doch ist der Humor nicht zu missbilligen, der in den Teufeln die Engel äffen lässt. Auf einem altdeutschen Bilde im Besitz des Herrn Ephorus Hassler in Ulm ahmen posaunende Teufel höhnisch das Posaunen der Engel nach. Wie allzu lustige Dinge, so sollen auch allzu grässliche hier vermieden werden. Einige Maler haben es darauf abgesehen, die abscheulichsten körperlichen Martern an Verdammten zu zeigen. Fehlerhaft, weil unkirchlich und unbiblisch, ist der heidnische Charon auf Michel Angelo’s berühmtem Bilde. Hier sieht man keine Auferstehung im Thal Josaphat, sondern Charon führt die Todten auf einem Kahn über den Styx.