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Michael,

derjenige unter den Erzengeln, der das Schwert der Allmacht und Gerechtigkeit Gottes handhabt, der Wächter des Himmels und Führer der himmlischen Heerschaaren im Kampfe mit den Teufeln. Bei Daniel 10, 13 und 21; 12, 1. erscheint er als Schutzengel der Juden. Nach der Epistel Judä[1] 9. stritt er mit dem Teufel um die Seele des Moses. Nach der Offenbarung Johannis 12, 7. wird er den Satan und seine Heerschaaren überwinden. Daselbst 20, 2. führt ein Engel, der kein Anderer als Michael seyn kann, den Schlüssel zum Abgrund, und bindet den Satan. Man glaubte daher auch, er führe den Schlüssel zum Paradiese und sey der Engel mit dem Flammenschwert, der Adam und Eva aus dem Paradiese vertrieben. Auf ihn und seine englischen Kriegsschaaren wurden auch die Beschützer des Elisa bezogen, 2. Kön. 6, 17. Ferner der Würgengel in Aegypten und Führer der Juden durch’s rothe Meer. Vgl. Durandi, rationale VII. 12, und Hoffmann, Apokryphen S. 270. Auf die Feuer- und Wolkensäule, die den Kindern Israel voranzog, bezieht sich die Erwähnung des Erzengels Michael in dem Gebet, welches der Messpriester bei der dreimaligen Schwingung des Weihrauchgefässes vor dem heiligen Opfer spricht. Kreuser, heil. Messopfer S. 253. Es ist eine sinnige Mahnung an die Gerechtigkeit und Stärke des Herrn im Hinblick auf das Opfer am Kreuz.

Die Traditionen der Juden haben den Engel Michael einseitig aufgefasst als den Genius der jüdischen Nation im Gegensatz zu den Genien aller andern Nationen, von denen sie behaupten, sie seyen zwar auch einmal Engel gewesen, aber alle zu Teufeln geworden, und nur der Engel der jüdischen Nation sey ein Engel geblieben. Zugleich sey dieser Engel Michael der erste und höchste unter allen Engeln überhaupt. Auch nehmen sie einen immerwährenden Kampf zwischen den Engeln unter Michaels Anführung und dem [128] Teufel an, sofern jeder Krieg und Kampf auf Erden nur die Abspiegelung eines gleichen im Himmel sey. Vgl. über die Judenfabeln Gfrörer, Jahrhundert des Heils I. 371, und Eisenmenger, entdecktes Judenthum I. 850.

Natürlich war es, dass die tapfern Deutschen des früheren Mittelalters den kriegerischen Erzengel zu ihrem Patron machten und sein Bild mit grossen goldenen Flügeln auf ihren Fahnen führten. Als Heinrich I. unter diesem Panier den grossen Sieg über die Ungarn bei Merseburg erfochten, glaubten diese Heiden, der Gott mit den goldenen Flügeln habe ihm geholfen, und sie machten nun ihren Götzen auch goldene Flügel, dass sie jenem an Macht gleichkämen. – Auch die Abyssinier haben den heiligen Michael als Siegesfürsten zum Patron der Heere gemacht und führen seine heilige Lade mit sich in den Krieg. Harris, Reise nach Schoa II. 181.

Durch drei Erscheinungen des Engels nach Christi Geburt wurde sein Cultus gewissen Oertlichkeiten vermittelt. Im 5ten Jahrhundert lebte in Apulien am Vorgebirge Gargano (das von ihm den Namen erhielt) ein gewisser Garganus. Von seinen auf dem Berge weidenden Ochsen blieb einer zurück. Die Knechte, die ihn suchten, fanden ihn in einer Höhle; der Ochs wollte aber nicht heraus, und aus Aerger schoss einer der Knechte einen Pfeil auf ihn, der aber zurückprallte und den Schützen selber traf. Staunend berichteten sie das Geschehene. Dem Garganus aber erschien der Engel Michael und sagte ihm, innen in der Höhle sey eine Kirche, seinem und der übrigen Engel Dienste geweiht. Als bald darauf die Heiden anstürmten, erbebte der Berg wie einst der Sinai, Blitze schlugen rings aus ihm heraus und die Heiden wurden vernichtet. Zum Dank zogen die Christen nun in Prozession auf den Berg und feierten dsselbst am 29. September das erstemal den Gottesdienst zu Ehren der Engel. Es ist der Michaelistag und zugleich das Fest aller Engel. Der Berg wurde einer der berühmtesten Wallfahrtsorte im Mittelalter, nächst Jerusalem, Rom und Compostella.

[129] Die Erscheinung der Engel auf dem Berge Gargano malte Salimbene in Florenz. – Hymnen auf seine Erscheinung und überhaupt zur Ehre der Engel s. in coeleste palmetum S. 221. 495. Zabuesnig I. 87; III. 231. 297. Sie sind unbedeutend. Merkwürdiger ist das schöne altdeutsche Pilgerlied in Uhlands Volksliedern I. 807, das deutsche Wallfahrer auf dem weiten Wege nach Gargano sangen.

Zum zweitenmale offenbarte sich der Engel im 8ten Jahrhundert auf dem berühmten Berge St. Michel, einer kaum ersteiglichen Felsenzacke am Meere bei Rouen in der Normandie, wo man ihm eine Kirche baute, die gleichfalls einer der berühmtesten Wallfahrtsorte wurde. Hier, glaubten die Franzosen, halte der Engel Wache für Frankreich gegen die Engländer. Mésangère, dictionnaire p. 178. In den Jahren 1457–1489 zogen aus Deutschland, im Jahr 1642 aus Frankreich grosse Schaaren von Knaben nach dem heiligen Berge. Nur wenige kamen zurück. Man nannte sie Michaelskinder und glaubte, sie seyen auf dem Berge geblieben und Engel geworden. Vgl. Seb. Frank, Chronika der Deutschen S. 161. Pomarius, sächs. Chronik S. 513. Gemeiner, Regensb. Chronik III. 302. Schnurrer, Seuchenchronik I. 373.

Zum drittenmal zeigte sich der Engel während einer grossen Pest in Rom dem Papst Gregor dem Grossen, indem er sein Schwert in die Scheide steckte, zum Zeichen, dass die Pest, deren Würgengel er gewesen, jetzt enden werde. Zum Andenken baute der Papst die Engelsbrücke mit der Engelsburg, auf deren Spitze seitdem ein grosser Engel von Erz steht, der das Schwert in die Scheide steckt. Vgl. Alfred Reumont, röm. Briefe I. 192.

Die Griechen kennen eine Erscheinung des Engels zu Chonis in Phrygien und Hestia am Pontus. Vgl. Jamin, Gesch. d. Kirchenfeste S. 332. Im Abendlande, namentlich auch in Deutschland gibt es noch viel Michelsberge, wo der Engel verehrt wird. Auf dem Michelsberge im Zabergau bewahrte man vor der Reformation eine Feder, die dem Engel im Kampf mit Satan entfallen seyn soll. Zum Engelsberg [130] im Spessart mit einer Michaelskapelle wallfahrtet das Volk und sieht daselbst Lichter vom Himmel herabsinken und Engel gehen. Von Herrlein, Sagen des Spessart S. 156.

Als Besieger des Teufels ist Michael unzähligemal gemalt worden; insgemein wie er ihn mit der Lanze durchstösst, mit dem Fuss auf ihn tritt oder ihn fesselt und in den Abgrund stürzt. Hohen Ruhm geniessen zwei Bilder dieser Art von Raphael in Paris. Auf dem einen tritt er dem Teufel auf den Hals, auf dem andern stösst er ihn mit der Lanze in den Abgrund. Waagen, Paris 435. 437. Kolloff 238. 242. Der Contrast der hässlichen Leidenschaft in des Teufels, und der himmlischen Ruhe in Michaels Gesicht ist hier hauptsächlich das poetische Motiv. Das erste Bild ist das schönste, die Bewegung blitzartig und höchst genial. Das zweite hat phantastisches Beiwerk, eine brennende Stadt, kleine Teufel, Verdammte, die Prozession der Bleimäntel aus Dante’s Hölle. An einem Michael, der den Drachen stürzt, von Bonifazio in Venedig, wird die reizende Mischung von Zartheit und Kraft in seiner Miene gerühmt. Kunstbl. 1835. S. 394. Das ist’s, was man von ihm auch verlangen muss; denn die Milde, wir möchten sagen das Kindliche der Engelsnatur muss immer im Hintergrunde liegen, und darf sich auch in der stärksten Aeusserung der Kraft und des gerechten Zornes nicht verleugnen. Das Kraftvolle, Martialische herrscht vor in den grossen Bildern des Engelsturzes von Rubens in München.

Ausserdem findet sich Michael auf allen Darstellungen des Weltgerichts. S. dieses. Besonders merkwürdig ist sein Bild im grossen Danziger Weltgericht. Er hält hier eine grosse Waage, und wägt einen Seligen gegen einen Verdammten ab. In seinen Flügeln sind lauter Pfauenfedern. Die Beschreibung bei Fiorillo II. 224. Mit goldnem Harnisch, Purpurmantel und grünen Flügeln erscheint er auch höchst phantastisch auf alten Miniaturen. Waagen, Paris 383.

Auf einem alten Bilde in Nördlingen wägt Michael ein Kind, das tief hinabsinkt, obgleich der Teufel auf der andern Seite einen schweren Mühlstein in die Waagschale legt. [131] Waagen, Deutschland I. 357. Mit der Waage kommt Michael auch vor der Agneskirche zu Rom (Beschreibung von Rom III. 2. 450.) und auf einem Bilde von Lucas Cranach. Leonardo da Vinci malte Michael wie er vor dem Christkind kniet, das mit der Waagschale des jüngsten Gerichts spielt. In Paris. Daselbst ist das Christkind auch von Uggione gemalt, wie es mit der Waage spielt, während Michael vor ihm kniet. Waagen, 454. Sehr modern und unkirchlich ist ein Bild von Deverier, welches den Erzengel darstellt, wie er dem Teufel zwei Seelen, die letzteren in Gestalt schöner junger Mädchen, enführt.

Michael ist Patron der Kirchhöfe, z. B. des Michaelshofes in Strassburg. Er schützt die Seelen unmittelbar nach dem Tode, wie einst die des Moses. Nach Vincent. Bellov. spec. hist. IV. 7. 78. brachte er auch die Seele der Maria zum Himmel. Vgl. Kreuser, Kirchenbau II. 76.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der neutestamentliche Judasbrief