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Kirche.

Als das Reich der Gläubigen im Gegensatz gegen die Ungläubigen ist die Kirche das Reich des Lichts, gegenüber der Finsterniss, oder die Arche, das rettende Schiff im Sturm der Weltgeschichte, der Felsen Petri im Meere, das von den Dämonen aufgeregt wird. — Die Eintracht der Gläubigen wird bezeichnet durch den Bienenstock. Die liebevolle Pflege, das Regiment und die Zucht, die von der Kirchenlehre, Disciplin und Priesterschaft ausgeht, wird verglichen mit der Mutter unter ihren Kindern, mit dem Hirten in seiner Heerde, mit dem Sämann auf dem Acker. Im Verhältniss zu Gott erscheint dagegen die Kirche als Braut. Vgl. alle genannten Artikel.

Die Kirche (ecclesia) wurde schon in den ältesten christlichen Bildwerken der Synagoge (als Christenthum dem Judenthum) gegenübergestellt, theils auf Miniaturen, theils in Schnitzwerken, besonders an den Kirchenthüren. Die Kirche als eine gekrönte Frau mit der Kreuzesfahne und dem Kelch, [478] die Synagoge mit verbundenen Augen und zerbrochenem Stab, zuweilen die Gesetzestafeln neben sich. So in Miniaturen. Waagen, Paris 346. An den Thoren des Magdeburger Doms, des Strassburger Münsters, zu Schneeberg. Fiorillo I. 365. II. 178. Waagen, Deutschland I. 78. II. 329. Auch in den Fastnachtsspielen, herausg. von A. Keller I. Als Matrone triumphirend auf dem Siegeswagen malte Giordano die Kirche, begleitet von den christlichen Tugenden, im Escurial. Dagegen malte sie Giotto zu Padua mit der päpstlichen Tiara, aber in einem zerrissenen Kleide, weniger um auf ihre Armuth als auf ihre innere Zerrissenheit anzuspielen. Kunstbl. 1837, S. 378. Der Triumphwagen der Kirche oder des Glaubens kommt sehr oft vor. Vgl. den Artikel Wagen. Zuweilen ist in Kirchenbildern der Sieg und Triumph der Kirche auch durch den Empfang der heiligen Jungfrau im Himmel und durch ihre Krönung ausgedrückt worden.

Die Kirche in ihrer Idee umfasst das Reich der Seligen im Himmel wie das Reich der Gläubigen auf Erden und derer im Purgatorio. Beide berühren sich in den wichtigsten Momenten des kirchlichen Bewusstseyns. Daher auf Kirchenbildern so oft oben die himmlische, unten die irdische Gemeinde dargestellt wird.

Sofern die von Menschen gebaute Kirche ein „Haus des Herrn“ selbst und nicht blos für die Zwecke der Menschen beim Gottesdienst errichtet seyn soll, bleibt sie ewig hinter ihrem Ideal zurück. Schon Salomo sagt, als er dem Tempelbau nachsann: „Wer vermag Gott ein Haus zu bauen? Denn der Himmel und aller Himmel Himmel mögen Ihn nicht bergen, wer sollte ich seyn, der Ihm ein Haus bauen könnte?“ 2. Chron. 2, 6. Auch alle idealen Constructionen des salomonischen Tempels, so wie der im Titurel beschriebene Tempel des Graals (das Ideal der mittelalterlichen, deutschen Baukunst) können das Urbild der Kirche nicht erreichen. Auf alten Bildern des Weltgerichts sieht man daher, wie die frommen Künstler auf naive Weise die Stelle 2. Chron. 7, 2: „Die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus, [479] so dass die Priester nicht in dasselbe hinein konnten,“ benutzt haben, um den Himmel oder das neue Jerusalem, wohin die Seligen gelangen sollten, als eine gemeine irdische Kirche darzustellen, aus deren Thüren und Fenstern aber ein übernatürlicher Glanz und Sonnenschein hervorbricht. — Kleine Kirchenmodelle auf dem Arme eines Bischofs oder Fürsten oder einer Fürstin etc. bezeichnen auf Kirchenbildern immer den Stifter oder die Stifterin.

Was nun die Symbolik der gebauten Kirchen betrifft, so liegt sie zunächst in der Orientirung. Der Ausgangs- oder Entwicklungspunkt (gleichsam das Herz) jeder Kirche ist der Altar, und dieser ist von Osten gegen Westen gerichtet, weil die tagbringende Sonne, die Erlösung der Welt von der Finsterniss, als Symbol des Heilands vom Morgen herkommt. Das gilt von allen Kirchen, mögen sie in unterirdischen Grabgewölben, wie die ersten römischen in den Katakomben, oder hoch auf Berggipfeln gegründet seyn. Uebrigens hängt die Wahl des Bauortes von den verschiedensten Bedingungen ab. Kirchen werden errichtet an Stätten, die schon vorher durch ein Wunder oder durch die Erinnerung an eine heilige Person geheiligt waren, oder durch die Kirche soll erst eine gewisse Stätte geheiligt, gegen dämonischen Zauber geschützt werden. Daher die Kapellen und Kirchlein auf Kirchhöfen, auf gefährlichen Bergpfaden, in Einöden, Sümpfen. Aus Noth machte man Höhlen zu Kirchen, im höchsten Aufschwung und Sieg des Christenthums liebte man die Kirchen recht hoch auf die Berge zu bauen. In Zeiten blutigen Kampfes mit den Heiden machte man die Kirche mit ihren Kirchhöfen zu Festungen.

Die Wahl der Baustelle wird oft durch Wunder bezeichnet. So der Bau der Kirche Maria Maggiore in Rom durch Schneefall im Sommer, des Doms zu Hildesheim durch einen blühenden Rosenstrauch im Winter; unzählige andere Kirchen durch dort gefundene Reliquien oder Gnadenbilder, Kloster Neuburg durch den dort wiedergefundenen Schleier der Herzogin Agnes, viele andere durch Erscheinungen, [480] Visionen, oder durch Thiere, die den Weg dahin zeigten, oder durch Thiere, die hier stehen blieben und nicht vom Flecke gingen, obgleich man sie weiter treiben wollte; ferner durch Misslingen des Baues an jedem andern Orte. Unzählige Legenden sind mit solchen Geschichten angefüllt, in denen der oder die Heilige durch ein Wunder ihren Willen zu erkennen geben, dass hier und nirgends anders gebaut werden solle.

Jede Kirche hat zum Kopfe den Altar und was dazu gehört, und zum Leibe den Raum, in dem die Gemeinde sich versammelt. Das ist der natürliche Unterschied von Chor und Schiff, den beiden Haupttheilen jeglicher Kirche. Die Kapellen enthalten nur den Altar mit einem engen Raume umher, sind also nur als selbstständige Chöre ohne Schiff zu betrachten. Die ältesten Kirchen waren den römischen Basiliken entnommen, einfache längliche Vierecke, deren östliches Ende den Altarraum enthielt, mit einem flachen Giebeldach. Die schärfere Abtrennung des Chors vom übrigen Kirchenraum erfolgte durch die Kreuzform, die man dem Grundriss der Kirche gab, in griechischer Weise , oder in römischer Weise . Die griechische Kreuzform wurde wieder zusammengezogen in das griechische Achteck , dessen Dach eine Kuppel bildete, und in das armenische Viereck mit fünf Kuppeln. In der Mitte dieser Kirchen unter der Kuppel befand sich die Tribuna mit dem Altar (der Chor), und unter ihm die Krypta (das heilige Grab), die Form, aus der sich die noch zahlreichern Kuppeln der russischen Kirchen entwickelten. Die abendländische oder fränkische Kirche kehrte wieder mehr zur einfachen Basilika zurück, indem sie die Kreuzform fallen liess. In ihrem länglichen Viereck bildete das Ostende den Chor (an die Stelle der Tribuna tretend), das Westende aber die Vorhalle, während das Mittelschiff sich durch Seitenschiffe nach Nord und Süd ausdehnten. Zugleich wurde das Giebeldach höher, und [481] an die Stelle der orientalischen Kuppeln in der Mitte der Kirche traten im Occident die ungleich höhern spitzen Thürme theils zu den Seiten des Chors, theils an der Westseite. Ganz abweichend und selten ist im Grundriss die Triangelform, die der Dreieinigkeit entsprechen soll, z. B. zu St. Riquier. Didron, icon. p. 63.

Ganz ungewöhnliche Grundrissformen von Kirchen. Die des berühmten Escorial, darstellend den gegitterten Rost, auf dem der heilige Laurentius gebraten wurde. Philipp II. gelobte dem Heiligen eine solche Kirche zu bauen, als er einst in grosser Bedrängniss dessen Fürbitte anflehte. Hier ist das Motiv noch ein frommes. Wenn dagegen Papst Urban VIII. den Bienenkorb als das Wappen seiner Familie (Barberini) zum Grundriss der Kirche der Sapienza in Rom machte, so lag darin zu viel Hoffahrt.

Der Chor, der Altar im Osten, ausschliesslich den Priestern bestimmt und durch ein Gitter vom Schiff der Laien geschieden, ist wie das Allerheiligste in der Kirche so auch architektonisch das Orientirende und Maassgebende für das Schiff und den gesammten Kirchenbau. Der Chorschluss enthält die Grundzahl des Baues. Ist der Chor sechsseitig construirt, so dass der Schluss drei Seiten darstellt, die drei andern Seiten sich gegen das Innere der Kirche öffnen, so muss auch das Schiff der Kirche auf sechs Pfeilern ruhen. Ist der Chor achtseitig, so kommen dem Schiff acht Pfeiler zu; ist er vierzehnseitig, so dass der Chorschluss sieben Seiten zeigt, so stehen sich auch im Schiff je sieben Pfeiler gegenüber. Der Boden des Chors ist über dem des Schiffs erhöht, so dass man auf Stufen aus dem Schiff zum Chor emporsteigt. Diese Erhöhung entspricht nicht blos der höhern Stellung der Priester über den Laien, sondern dient auch, den Altar und seine Bildwerke der Gemeinde sichtbar zu machen, und lässt unter dem Boden freien Raum für die Krypta oder unterirdische Grabkapelle, die zum Andenken an die ältesten unterirdischen Kirchen (die Katakomben) beibehalten wurde. Nur in wenigen Kirchen findet man Doppelchöre, [482] nämlich auch einen Abendchor im Westen, gegenüber dem östlichen am jenseitigen Ende des Schiffs, bestimmt zu Zusammenkünften der Dom- und Stiftsherren. So zu Worms, Oppenheim, Naumburg.

Der Chorschluss war rund oder muschelförmig, ehe er sich sechs-, acht- und mehrseitig gestaltete. Die runde Form entsprach dem griechischen und römischen, die vielseitige dem deutschen Styl. In der Mitte des Chors steht der Altar frei, so dass man hinter ihm herumgehen kann. Seine Kehrseite wird erhellt durch ein sehr grosses Fenster. Das ist das Hauptfenster der Kirche, auch von aussen gesehen, im Schluss des Chors. Es dient gleichsam, das Licht von Osten her aufzunehmen.

Rechts vom Altar ist der Thron des Bischofs angebracht, mit dem die längs beiden Seiten des Chors aufgestellten Chorstühle der Chorherren, Dom- oder Stiftsherren oder Mönche und Nonnen beginnen. Je mehr dieser Personen, je länger muss auch der Chor seyn. Links vom Altar befindet sich die Sakristei (secretarium) mit den heiligen Geräthen, Ornaten etc. Den Chor trennte das sogenannte Triumphthor oder der Gewölbebogen von oben, unten ehemals ein Vorhang, jetzt noch ein Gitter. Rechts vom Gitter am Hauptpfeiler, der den Chor vom Schiffe trennt, ist gewöhnlich das Sakramenthäuschen angebracht. Daselbst am Gitter auch der Ambon (Pult, zu dem man aufsteigt, von ἀμβαίνω) für das Vorlesen der Evangelien, links eine andere für die Epistel. Kreuser, Kirchenbau I. 103. Desgleichen der sogenannte Lettner (lectorium), jetzt nur noch eine Antiquität. Daselbst 105.

Das Schiff bildet den mittleren Hauptraum der Kirche, zur Aufnahme der Gemeinde. Die Zahl seiner Pfeiler hängt, wie oben gesagt, von der Zahl der Chorschlussseiten ab, entsprechend dem richtigen architektonischen Maass der Länge, Breite und Höhe. Durch Seitenschiffe, von denen jedes wieder durch Pfeiler abgesondert ist, wird der innere Raum beträchtlich ausgedehnt. Den grössten Luxus solcher Seitenschiffe findet man in den spanischen Kirchen. Durch sie ist [483] in der gothischen (deutschen) Baukunst auch die äussere Schönheit der Schwibbögen bedingt, die von den niedern Seitenschiffen über das Dach derselben zu dem höhern Dach des Mittelschiffs aufsteigen und dasselbe tragen helfen. Den innern Schiffsraum rechts vom Altare nennt man die Evangelienseite, wo die Evangelien gelesen werden und die Weiber sitzen, links vom Altar aber die Epistelseite mit den Männern. Kreuser I. 107. Orgel und Kanzel wanderten, um der ganzen Gemeinde vernehmbar zu seyn, aus dem Chor in's Mittelschiff, die erstere wurde bald am Triumphbogen zwischen Chor und Schiff, bald an der Westseite dem Chor gegenüber, zuweilen auch seitlich angebracht, die Kanzel immer auf der Nordseite.

Die Vorhalle war in ältern Zeiten viel bedeutungsvoller, als sie es jetzt ist, und zwar wegen der vielen Erwachsenen, die sich erst zum Christenthum bekehrten, und wegen der strengern Busse, die viele Erwachsene nöthigte, in der Vorhalle zu verweilen, ohne das Innere der Kirche zu betreten. Auch die Taufe wurde in ältern Zeiten vor der Kirche vorgenommen, die erst der Getaufte betreten durfte. An diese ältern geräumigen Vorhallen knüpft sich nun vielerlei Symbolik. Von Bildwerken sah man darin: 1) den Sündenfall, um daran zu erinnern, woher alle Sünden kommen, von denen zu erlösen die Kirche gegründet ist. Dieses Bild aus dem ersten Paradiese veranlasste den Gebrauch, die Vorhalle selbst das Paradies zu nennen, was auch auf die Theater überging, so dass jetzt noch der von der Bühne entfernteste Raum, wo die Zuschauer niedrigster Klasse sitzen, das Paradies heisst. 2) Den grossen Christoph als Sinnbild des Volks, welches bekehrt werden soll. S. Christoph. 3) Den armen Lazarus, um die Kirchgänger an die Pflicht des Wohlthuns zu mahnen. 4) Das Weltgericht, um den noch Unbekehrten oder Büssern zu zeigen, welcher Verdammniss sie entgegengehen, wenn sie nicht das Rechte wählen. Später wanderten jedoch die Bilder des Weltgerichts aus der Vorhalle hinter den Altar im Chor, um das Ganze der Kirchenbildnerei [484] passend abzuschliessen, gleich der Bibel beginnend mit dem Paradiese in der Vorhalle, und endend mit der Apokalypse an der Hinterwand des Chors.

In der Vorhalle befand sich auch der Weihkessel mit dem Weihwasser und der Taufstein, so wie der Stand der Büssenden. Der Taufstein wurde aber in den ältesten Jahrhunderten auch häufig in einem neben der Kirche befindlichen besondern Taufhause (baptisterium) aufgestellt, dergleichen man noch oft bei Kirchen in Italien findet. Solche Häuser waren anfangs noch nöthig, um die Menge der Neubekehrten aufzunehmen. Sie wurden gewöhnlich achtseitig gebaut. Auch für die Glocken baute man anfangs eigne, von der Kirche abgesonderte Glockenthürme, die jedoch bald der Kirche selbst einverleibt wurden. Vgl. den Artikel Thurm.

Der verschiedenen Style, in denen die Kirchen gebaut wurden, kann ich hier nur insoweit gedenken, als sich Symbolik damit verbindet. Die ältesten Kirchen erinnern noch an die Katakomben, an die unterirdischen Höhlen, in welche die ersten Christen flüchten mussten. Es sind mehr stark ummauerte Räume, absichtlich dunkel gehalten, gräberartig. Hier erscheinen die Wachskerzen nicht blos als Symbol des himmlischen Lichts, sondern sind auch zur physischen Beleuchtung unentbehrlich. In der deutschen (gothischen) Baukunst zeigt sich ein merkwürdiges Streben nach Licht und Höhe zugleich. Der Heiland erstand gleichsam aus seinem Grabe, um fortan im Tempel des himmlischen Jerusalem zu wohnen. Man wollte nicht mehr eine Stätte der Andacht für die Menschen, sondern ein Haus des Herrn bauen, über alles Irdische erhaben, der göttlichen Idee würdig und ganz von ihr durchdrungen. Jeder Stein am Bau sollte davon zeugen. Daher wurde der Bau in schwindelnder Gipfelung bis zu den Wolken getrieben, um dem Herrn in der Höhe näher zu kommen. Darum musste das Innere mit seinen Pfeilern und vielgliedrigen Spitzbogen, die im Kreuzgewölbe sich oben zusammenschlossen, einem Palmenhain des Paradieses gleichen. Darum musste mit den breiten Wänden jede [485] Erinnerung an das Grab oder an ein irdisches Haus verschwinden, und es blieben nur die Pfeiler übrig und dazwischen breite buntgemalte Fenster, durch die ein überirdisches Licht, wie aus den Juwelen des neuen Jerusalem herabstrahlte. Dem entsprach endlich auch überall die Ornamentik im Kleinen. Kein Stein am gothischen Bau, dem nicht die alten Meister Symbolik eingehaucht hätten. Ueberall begegnen wir in den durchbrochenen Thürmen der Kreuzrose (gleich dem göttlichen Nimbus das Kreuz im Kreise, Sinnbild der Herrschaft Gottes auf Erden), oder dem Kleeblatt (Sinnbild der Dreieinigkeit), der einfachen Rose (Sinnbild der heiligen Jungfrau), dem Kreuze, Sterne, Herzen etc., einfach in der Architektur und ganz abgesehen von den statuarischen Bildwerken. Von den Seiten der Thürme steigen symbolisch Flammen auf; auf der höchsten Spitze aber prangt das Rosenkreuz, ein Kreuz, dessen Arme in Rosen aufblühen, und auf Frauenkirchen der sogenannte Frauenschuh, gleichsam der Abdruck von Mariens Fuss bei ihrer Himmelfahrt.

War auf solche Weise die Kirche aus einem heiligen Grabe auf Erden allmählig zu einem aus dem Himmel entlehnten Hause Gottes geworden, so wurde sie im 16ten Jahrhundert in’s gemeine Irdische herabgezogen und den weltlichen Pallästen ähnlich. Unter Papst Leo X. wandte sich der neurömische Baustyl auf's Entschiedenste von der frommen deutschen Weise ab und brach die antik heidnische Form wieder hervor, so zwar, dass sich die christlichen Kirchen sogar die Thierschädel, Schlangeneier etc. der heidnischen Altäre als architektonische Verzierungen mussten gefallen lassen. Der Spitzbogen wich wieder dem Rundbogen, der Pfeiler wieder der antiken Säule, die Wände stellten sich in voller Breite her; an die Stelle der echtchristlichen Symbole, wie sie den ganzen gothischen Bau erfüllt hatten, kam eine todte Pracht von Marmor, Gold und Silber, wie in den weltlichen Königspallästen, denen die Kirchen immer ähnlicher wurden. Auf protestantischer Seite ahmte man diesen neurömischen oder Jesuitenstyl nach, wie sehr man auch [486] die Jesuiten hasste. Beide Confessionen waren hauptsächlich darin einig, so viel Licht als möglich in die Kirchen einzulassen, und zwar nicht mehr durch gefärbtes Glas auf dunkle Wände, sondern durch helle Fensterscheiben auf breite weisse Wände. Nach und nach riss immer mehr weltliche Willkühr bei Kirchenbauten ein, oder erlaubte die Armuth nur kasernen- oder fabrikartige Bethäuser aufzurichten. Jeder Baumeister, unbekümmert um die höhern Zwecke und ewigen Symbole der Kirche, stellte irgend etwas Eigenmächtiges hin, meist in einem antikisirenden, akademischen, von Mode, Laune und Geldrücksichten modificirten Style. Die neuen Kirchen in Karlsruhe, der Hauptstadt Badens, gleichen eher Porzellanöfen als christlichen Kirchen. A. v. Reumont sagt in seinen Römischen Briefen I. 365. mit Recht: „Die Kirchen des siebenzehnten Jahrhunderts sehen einander alle ähnlich, die des achtzehnten sind gar nicht zum ansehen.“

Den Fussboden der Kirchen schmückten in den ältesten Zeiten Mosaiken mit christlichen Sinnbildern und Grabsteinen, weil unter der Kirche begraben wurde. Ehe die Decke gewölbt wurde, liebte man die platte Balkendecke zu vergolden, wie auch der Goldgrund auf Bildern den Himmel andeuten sollte. Später malte man die Decke blau mit Sternen. In der Gereonskirche zu Köln concentriren sich die Sterne in eine Sonne. In den Kuppeln brachte man gerne Frescobilder an und zwar meist Darstellungen aus dem Himmel, die Dreieinigkeit, die Himmelfahrt oder Krönung Mariä, wobei die runde Kuppelform geschickt war, mehrere concentrische und scheinbar immer mehr sich entfernende Engelreigen anzubringen.

Man findet in den ältern Kirchen häufig Drachen, Affen, reissende Thiere, Ungeheuer und Teufelsfrazzen theils an den Säulencapitälchen, theils unter dem Gebälk gekrümmt und wie von der heiligen Last erdrückt, theils als Köpfe der Wasserrinnen, theils als Karyatiden oder Träger. Damit wird das von der Kirche überwundene Böse ausgedrückt, das sich vor ihr verstecken oder ihr sogar dienen muss. Ausserdem kommen auch humoristische Abbildungen vor, in [487] denen Geistliche unheilige und verbotene Dinge treiben, oder Thiere in geistlicher Tracht heilige Handlungen auf eine spöttische Weise begehen. So in Strassburg, Basel, Wien, Zwickau, Oehringen etc. Vgl. Fiorillo I. 367. Kunstbl. 1837. S. 374. Der Teufel reitet auf der Nonne. Der Mönch buhlt mit der Nonne. Der Fuchs stellt sich todt und lässt sich von den dummen Thieren andächtig begraben etc. Man hat einfältigerweise diese Bilder für Satyren gehalten, welche sich die Baukünstler gegen die Pfaffen erlaubt hätten. Aber die Bilder entstanden in einer Zeit, in der die Geistlichkeit den Höhepunkt ihrer Macht erreicht hatte und den Bauten selber vorstand. Kein Künstler hätte wagen dürfen, ein den Clerus beschimpfendes Bild in die Kirche aufzunehmen. Die Bilder sind keine Satyren, sondern Warnungen. Sie sagen offen vor allem Volk, wie der Geistliche nicht seyn soll. Vgl. den Art. Fuchs.

Werden die Kirchen eigenthümlich geschmückt, die Vorhänge, Altardecken etc. von besondern Farben gewählt, so ist Roth oder Purpur die Farbe des Sieges und Jubels, aber auch der Martyrer; Schwarz die Farbe der Trauer. Weiss werden die Kirchen zu Ehren der Jungfrau Maria geschmückt. An die Stelle des Schwarz tritt auch Violett ein. Ein ausserordentlicher Blumenschmuck der Kirchen findet Statt am Fronleichnamsfest und bei der Würzweihe (15. August); Blumen gehören aber auch überhaupt zum Schmuck der Kirchen bei jeder freudigen Festgelegenheit. Der Schmuck darf jedoch nie einen der Kirche fremden Zweck haben. Es ist nicht erlaubt, weltliche Ideen in den Kirchenschmuck einzutragen. Die Kirche der berühmten Preobraschenskoi'schen Garde in St. Petersburg ist mehr ein Arsenal, als eine Kirche. Die Säulen sind ganz aus Waffen zusammengesetzt, starren von Bajonetten und Säbeln und entfalten als Palmblätter lauter Fahnen. Auch von aussen ist sie nur mit Ketten und Kanonen dekorirt. Kohl, Petersburg I. 189. Das ist ein Tempel des Mars, aber keine christliche Kirche.

Zum Schluss noch ein Paar Legenden von Kirchen. [488] Die Kirche von Engelstein in einem tiefen Walde in Ostpreussen soll von selbst entstanden seyn, indem die uralten und dichtgedrängten Bäume sich als Säulen und Wände ordneten und ihre Aeste zum Dache neigten. Staunend fanden die Preussen das Heiligthum und bauten ein Dorf um dasselbe herum. v. Tettau und Temme, Volkssagen Ostpreussens S. 171. Eine Kirche zu Porca in Indien wurde von einem heidnischen Rajah gebaut, ohne Priester und Gemeinde, blos weil er nach einem Siege der Christen sich einbildete, dem Gott der Christen auch einen Tempel bauen zu müssen, um ihn zum Freunde zu gewinnen. Papi, Briefe S. 389.