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Geburt.

Schutzpatronin aller Geburten ist die heilige Margaretha, weil sie, von einem Drachen verschlungen, durch das Kreuzzeichen den Bauch desselben sprengte und aus ihm siegreich hervortrat. Ihr Gürtel wurde von kreisenden Frauen in schweren Geburten angelegt, oder ihre Legende den Frauen in solcher Nothzeit vorgelesen.

Eine talmudistische Fabel erklärt das Weinen der Kinder nach der Geburt gar sinnreich. Ein Engel nämlich soll die Kinder unmittelbar vor der Geburt in das Paradies führen und ihnen die Herrlichkeit zeigen, die sie durch Adams Schuld verloren haben. Indem sie nun geboren werden, wirkt in ihnen noch der schmerzhafte Eindruck des verlornen Paradieses nach, wenn sie sich dessen auch nicht mehr zu erinnern wissen.

Wunderbare Geburten in der Legende: Der heilige Edmund kam so rein zur Welt, dass er keines Bades bedurfte; der heilige Julianus mit zum Segen aufgehobenen zwei Fingern. Die Mutter des Aeneas Sylvius träumte, sie gebäre ein Kind im Bischofskleide; die des heiligen Columban, [315] sie gebäre eine Sonne; die des heiligen Dominicus, einen Hund mit einer Fackel im Maul.

Als die heilige Felicitas im Kerker mit Schmerzen gebar und dabei schrie, verhöhnten sie die Schergen und sagten: „Wie wirst du erst schreien, wenn du hingerichtet werden wirst.“ Aber sie erwiederte: „Heute leidet die Natur in mir, morgen Christus.“ Und sie starb mit festem Muthe.

Mutterwehen ohne die Kraft, zu gebären, sind ein stehendes Sinnbild der Völkerzustände, wenn die alte Autorität nicht mehr geachtet wird und einer neuen, obgleich als dringendes Bedürfniss erkannt, sich Niemand unterwerfen will, die impotente Anarchie (wie auch wieder in unsern Tagen). Jesaias 37, 3. 2. Könige 19, 3.

Christi Geburt ist von vielen symbolischen Wundern begleitet. Der Himmel gibt der Erde seinen Kuss, die göttliche Natur verbindet sich auf's Innigste mit der irdischen, und obgleich dies nur im Individuum Christus geschieht, so fällt doch davon ein Abglanz auf die ganze irdische Natur, die durch die Berührung der himmlischen Gewalt tief erschüttert und geheiligt wird. In Hofmanns Apokryphen S. 110 f. sind die Wunder zusammengestellt, die ich jedoch zweckmässiger ordnen zu müssen glaube. In der Sternenwelt äussert sich die grosse Bewegung zuerst. Ein neuer glänzender Stern unterbricht die gewöhnliche Ordnung der Sterne und leuchtet den drei Weisen aus Morgenland zur Krippe des neugebornen Gottmenschen. Vgl. den Art. Stern. In Spanien werden drei Sonnen zugleich am Himmel gesehen, welche sich zu einer einzigen vereinigen. Vgl. den Art. Dreieinigkeit. Christi Geburt fällt genau in die Wintersonnwende (24. Dezember), von wo an die Sonne wieder höher am Himmel steigt und die Tage länger werden, weshalb dieser Tag schon bei den Römern dies natalis Solis invicti hiess. Vgl. den Art. Sonne. Das neue Jahr, der Beginn eines neuen Lebens in der Natur sollte nun das Sinnbild der allgemeinen neuen Wiedergeburt der Menschheit in Christo seyn. Dem entspricht das Wunder der plötzlichen hellen [316] Erleuchtung der Nacht bei Christi Geburt. Petrus de natal. 2, 1. Mit Bezug auf Jesaias 9, 2. Ein Lichtwunder, welches in der Weihnachtsfeier durch das Anzünden unzähliger Lichter nachgeahmt wird.

Die Wiedergeburt der Menschheit spiegelt sich in der Wiedergeburt der Natur auch insofern, als in der Christnacht nach dem Volksglauben das ursprüngliche Paradies wiederhergestellt wird. Alles Wasser wird in der Christnacht in Wein verwandelt, alle Bäume blühen und tragen Früchte, wenn auch nur eine Stunde lang. Nach einer tatarischen Legende in v. Haxthausen, Russland II. 258. gebar Mirjam (Maria) das Jesuskind schon in ihrem fünfzehnten Jahre; es war Winter und Alles lag voll Schnee. So wie aber das Kind die Augen aufschlug, sprossten und blühten alle Bäume und Blumen, und sangen alle Vögel. Mitten aber rauschte eine klare Quelle auf, und zwei Engel erschienen und tauchten das Kind unter. Dem entspricht ein schönes Volkslied im von demselben Herrn v. Haxthausen herausgegebenen Paderborner Liederbuche, Nr. 53, in welchem der Contrast der göttlichen Herrlichkeit mit dem irdischen Winter und der häuslichen Armuth und Noth geistvoll aufgefasst ist. Die Sitte der Krippel[WS 1] und Weihnachtsbäume hängt genau damit zusammen. Man putzt die Krippen mit Grün, die Tannenbäume mit Aepfeln aus. Der Weihnachtsbaum wird als Baum des Lebens dem Baum der Erkenntniss oder dem Sündenbaum im ersten Paradiese entgegengesetzt. Vgl. den Art. Baum.

Die tiefe Erschütterung, welche die Erde durch die Berührung mit dem Himmel in der Christnacht empfängt, äussert sich zuerst als Stillstand. Die gewöhnliche Bewegung alles irdischen Lebens stockt; nicht nur die durch den Engelgruss überraschten Hirten, auch alle Elemente horchen staunend auf die himmlische Botschaft. Daher die schöne Sage, dass auf der ganzen Erde Frieden gewesen sey, als der Friedensfürst Jesus Christus geboren wurde. Orosius VI. 21. Streitenden erstarrte der Arm in der Luft, springende Schafe

Anmerkungen (Wikisource)

  1. vermutlich Druckfehler: Krippen

[317] standen plötzlich still, dem Essenden blieb der Löffel unbeweglich vor dem Munde, Vögel blieben auf demselben Fleck in der Luft fixirt etc., nach dem Protoevangel. bei Hofmann S. 110. Eine eben solche Stille der Natur ging auch wieder dem Tode Jesu vorher. — Der Stille aber folgte bei Christi Geburt ein allgemeines Beben der Erde, davon die Götzen in Aegypten zusammenstürzten; Petrus de natal. 2, 1. Auch der heidnische Friedensengel in Rom soll damals umgestürzt seyn, weil der christliche Friedenskönig einen andern Tempel brauchte. Innocent. serm. 2. de nat. Domini.

Die gewöhnliche Ordnung der Dinge verschwand. Die Entfernung des Raumes hinderte nicht, dass die tiburtinische Sibylle dem römischen Kaiser Augustus in Rom die heilige Mutter mit dem Kinde zeigte, worauf er dem neuen Gott einen Altar weihte (ara coeli). Bonaventura, de 5. festiv. pueri Jesu. Petrus de natal. 2, 1. Antonin. summa hist. I. 4. 6. Nicephor. I. 17. Suidas s. v. Augustus. Diese Scene ist neben der Geburt Christi gemalt von Memling in Berlin. Nach deutschem Volksglauben ändern sich in der Mitternachtstunde der Christnacht die Gesetze der Natur auch in der Art, dass die Thiere wie Menschen reden können.

Auch der Ort der Geburt ist symbolisch. Vgl. den Art. Bethlehem. Die Maler des Südens lassen Christum gewöhnlich in einer Höhle, die des Nordens in einer Hütte geboren werden. Sepp, Leben Christi I. 80. Immer aber ist der Ort als Stall gedacht und durch Ochs und Esel bezeichnet. Molanus, hist. imag. 100, eifert mit Recht gegen die kostbaren Bettstätten der Maria auf vielen Kirchenbildern, so wie gegen die Menge dienender Frauen, die das Kind in kostbaren Gefässen waschen und allerlei Dienste leisten, da doch Christus nur in einem Stalle und von einer reinen Jungfrau, also ohne das Bedürfniss jener Wäschereien, geboren worden sey. Eben so unschicklich sind die modernen Portraitirungen durch die heilige Familie. So hat Pantoja de la Cruz auf einem Bilde der Geburt Christi die Familie [318] König Philipps III. portraitirt. Viardot, l'Espagne II. 184. Auf einem andern spanischen Bilde des Luis de Vargas in Sevilla sehen Adam und Eva der Geburt des Heilands zu. Fiorillo IV. 95. Dass die ersten Sünder dem ersten Erscheinen des Erlösers lauschen, ist eine erlaubte Symbolik; doch darf nicht vergessen werden, dass nach kirchlicher Tradition Christus das erste Elternpaar erst bei seiner Niederfahrt zur Hölle aus der Vorhölle erlöst hat, und dass der greise Simeon und der Täufer Johannes die erste Nachricht von Christi Geburt dorthin brachten, Adam und Eva mithin nicht schon Zeugen der Geburt Jesu gewesen seyn können. Auch die Anwesenheit von Engeln mit den Passionsinstrumenten bei der Geburt des Christkindes (Bild des Girolamo di S. Croce in Berlin) ist eine zu aufdringliche Symbolik. Jeder Christ kennt den Tod des Heilands voraus, auch ohne jene Werkzeuge vor Augen haben zu müssen, die jedenfalls den heitern morgendlichen Eindruck der Geburt stören. Die Maler thun wohl, es bei der Anbetung der Engel, der Hirten und der heiligen Könige bewenden zu lassen.

In dem Gedicht: De partu virginis von dem Neapolitaner Sannazar[WS 1] (im 16ten Jahrhundert in lateinischen Hexametern geschrieben) ist die biblische Erzählung von der Geburt Christi in den Styl Virgils übertragen, und wird die ganze alte Mythologie herbeigezogen. Gott selbst heisst der Donnerer, der Himmel Olymp. Am Schlusse des ersten Gesanges wird die Geburt des Herrn der Hölle verkündet, aber es ist nicht die christliche Hölle, sondern der antike Tartarus, die plutonischen Wesen erzittern, Megära seufzt, Cerberus zieht den Schweif ein vor Angst etc. Die Anbetung der Hirten wird als ein Wettgesang ganz so wie die vierte Ekloge Virgils aufgefasst. Auch verfehlt der Dichter nicht, die bekannte Stelle Virgils, in der von der Rückkehr der saturnischen Zeit und von der Jungfrau die Rede ist, und die auf Christi Geburt bezogen wurde, hier anzubringen. Statt der heiligen drei Könige aber kommen nach den Hirten zur Anbetung der Fluss Jordan und mit ihm alle möglichen Nymphen, [319] Nereiden und Okeaniden, und endlich Neptun selbst mit seinem ganzen Gefolge von Meergöttern und Tritonen.

Tum fundo Neptunus ab imo
Excitus, agnoscet Dominum.

Eine merkwürdige Symbolik, die jedoch nur mit der zartesten Hand berührt seyn will, macht die Mutter Gottes auch zur Vorsteherin der Wiedergeburt im andern Leben, ja selbst zu der Wiedergebärenden. Konrad von Würzburg singt in seiner goldnen Schmiede, Vers 1068:

Ei muoter aller cristenheit,
Also versuochest du si gar,
Diu diu tugend wider gebar
In des toufes brunnen.
Do si den tod gewunnen,
Do gebäre du si wider.

womit bei demselben Dichter, Vers 528 f., die Vergleichung der Maria mit dem Strausse zusammenhängt. Wie nämlich dieser Vogel durch blossen Blick seine Jungen ausbrütet, so öffnet Maria's Gnadenblick die Gräber. Vgl. auch was über die entblösste Brust Mariens auf Bildern des Weltgerichts unter dem Art. Brust gesagt ist.

Sinnbildlich wird die Geburt Christi ausgedrückt durch die Löwin, die in ihrem Leben nur Ein Junges gebären soll. Vgl. den Art. Jungfrau. Der Contrast zwischen dem Herrn der Welt und dem niedern und dunkeln Stalle, in dem er geboren zu werden sich herablässt, wird besonders in Weihnachtsbildern hervorgehoben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Berichtigung Band II. In der Vorlage: 'Sannazor'