Christkindlein auf dem Friedhof

Textdaten
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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Christkindlein auf dem Friedhof
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 804–805
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[804]
Christkindlein auf dem Friedhof.

      Als ich im Leben einsam stand,
Sucht’ ich in fremder Kinder Blicken
Das Glück, das ich daheim nicht fand:
Des Unschuldjubels Herzerquicken.

5
      Und wenn des Christbaums Lichterschein

Aufstrahlte in der Dämmerstunde
Der Weihnacht, wandelt’ ich allein
Durch alle Gassen meine Runde.

      So weit die Tannen dieser Nacht

10
Festprangen als des Nordens Palmen,

Sind in den Herzen auferwacht
Des Kinderglaubens fromme Psalmen.
      Und was der Glaube uns verhieß
Nur als der Sel’gen letztes Hoffen:

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Das einst verlorne Paradies –

Heut steht’s auf Erden Jedem offen!

      Auch mir ist’s herrlich aufgethan,
Umhegt von meines Stübchens Wänden;
Zur Decke ragt der Baum hinan,

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Geheim geschmückt von frohen Händen.

      Doch eh’ für meiner Kinder Ohr
Erschallt des Christkindengels Kunde:
„Herein! Herein!“ – mach’ ich zuvor
Die liebgewohnte stille Runde.

25
      Du einzig Wunder dieser Welt:

Der reinsten Liebe endlos Walten! –
Dort ist ein Fensterlein erhellt,
Hier strahlt’s hervor durch seidne Falten –
      Und doch ist all die Freude gleich,

30
Gleich ist das Jubeln, Jauchzen, Lallen –

Den Kindern ist’s ein Himmelreich,
Und Kindeshand nur öffnet’s Allen!

      „O Gott, wer heute weinen muß!
Mir bebt das Herz bei dem Gedanken. –

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Da, mir vorbei mit leisem Gruß,

Seh’ ich ein Weib zum Friedhof wanken;
      Ein Knäblein an der rechten Hand,
Ein Weihnachtsbäumchen in der Linken. –
Ach, all mein Lusterspähen schwand

40
Dahin vor solcher Trauer Winken.


     Sie wandelt zu vertrautem Ort,
Sie sucht nicht erst in all den Reihen;
Vor „ihrem“ Gräblein kniet sie dort,
Die Nacht auch ihrem Kind zu weihen.

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      Die Tanne ragt, und Licht um Licht

Beleuchtet einer Mutter Thränen,
Und durch die heil’ge Stille bricht
Die Klage von der Liebe Sehnen.

      „So schmückt dein Grab der heil’ge Christ!

50
Siehst Du herab zu Deinen Lieben?

Wie groß Dein Brüderlein jetzt ist?
Du bist mein kleines Kind geblieben!
      Mein Engel Du, o schau herab,
Daß unsre Blicke sich begegnen,

55
Gott selbst führt Dich zu Deinem Grab,

Die Liebe, die hier weint, zu segnen!“

      Nun beten sie, nun gehn sie leis. –
Mich drängt’s, des Kindes Grab zu sehen:
Da leuchtet es, wo rings im Kreis

60
Gar viele Weihnachtsbäumlein stehen. –

      Ich eilte fort. – So sehnsuchtweich
Bin ich noch niemals heimgegangen,
Nie hab’ in meinem Himmelreich
Ich meine Lieben so umfangen.

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      Und doch – beim lustumblühten Baum

Stand mir im Geist das Grabweihnachten:
Wie hältst der Liebe letzen Raum
So hoch du, deutsche Stadt der Schlachten!
      Weil du so treu die Liebe lehrst,

70
Ist uns so wohl in deiner Mitte!

Wie du die schöne Sitte ehrst,
So ehret dich die schöne Sitte.

Friedrich Hofmann.     



[805]

Weihnachten auf dem Leipziger Friedhof.
Originalzeichnung von Ernst Heyn in Leipzig.