Textdaten
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Titel: Brennender Frost
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aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 891
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Kälte von -110°C. ein - Heilmittel
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[891] Brennender Frost. Die äußersten Gegensätze berühren sich, sind sich wenigstens oft in ihren Wirkungen ähnlich, und so ruft auch das Berühren äußerst kalter Gegenstände auf der Haut eine Art von Verbrennungserscheinung hervor. In Berlin befindet sich unter Leitung von R. Pictet ein Laboratorium, in welchem zu verschiedenen Zwecken eine Kälte bis –200° C. erzeugt wird, und in diesem Laboratorium sammelten die Forscher sehr lehrreiche Erfahrungen über Verbrennungen der Haut durch Frost, indem sie absichtlich oder unabsichtlich die Metallwände der Gefrierschächte berührten.

Vor allem fanden sie, daß diese Verletzungen durchaus nicht derselben Natur sind wie Verbrennungen, die durch Berühren heißer Gegenstände erzeugt werden. Trotzdem möge der einmal eingebürgerte Name beibehalten werden!

Es giebt zwei Arten von Frostverbrennungen, solche ersten und andere, schwerere, zweiten Grades.

Berührt man die auf etwa –80° C. oder darunter abgekühlte Metallwand eines Gefrierschachtes, so empfindet man an der betreffenden Hautstelle einen heftigen Schmerz gleich dem von einem Wespenstiche. Hat die Berührung nur einen Augenblick gedauert, so tritt eine Frostverbrennung ersten Grades ein. Die Haut röthet sich an der betroffenen Stelle lebhaft und nimmt am anderen Tage eine bläuliche Färbung an. Dabei empfindet man ein äußerst unangenehmes Jucken. Dieser Zustand dauert 5 bis 6 Wochen, wonach in der Regel Heilung eintritt.

Dauert die Berührung der Haut mit dem abgekühlten Metall etwas länger oder wird dieselbe mit stark abgekältetem Alkohol, Aether oder flüssiger atmosphärischer Luft benetzt, so entwickelt sich die Frostverbrennung zweiten Grades. Die betreffende Stelle der Haut wird augenblicklich abgetötet und löst sich ab. Es entstehen langwierige Eiterungen; die Wunden vernarben erst nach langer Zeit und zeigen stets einen bösartigen Charakter. Eines Tages fiel ein Tröpfchen flüssiger atmosphärischer Luft von einer Temperatur unter –200° C. Pictet auf die Hand und in demselben Augenblicke brachte sich der Forscher an derselben Hand eine starke Abschürfung der Haut bei. Die Abschürfung heilte in zwölf Tagen; die Frostwunde aber begann erst nach sechs Monaten zu vernarben.

Diese heftigen Erscheinungen zeigen sich dann, wenn die Abkühlung durch Leitung, d. h. durch Berührung mit kalten, nur Wärme gut leitenden Stoffen, erfolgt. Wird der Körper durch Strahlung allein abgekühlt, so tritt die Frostwirkung langsamer ein. So versenkte Pictet eines Tages versuchshalber den nackten Unterarm in einen auf –105° C. abgekühlten Gefrierschacht, ohne dessen Wände zu berühren. Der Arm war rings von der kalten Luft umgeben und kühlte sich ab, indem er seine Wärme ausstrahlte. Im Beginn des Versuches verspürte Pictet eine Empfindung, die sich schwer beschreiben läßt, aber von ihm durchaus nicht als unangenehm bezeichnet wird. Dann wurde die Haut unempfindlich, aber in der Tiefe stellte sich ein heftiger Schmerz ein, dessen Sitz in der Knochenhaut oder im Knochenmark zu suchen sein dürfte. Nach drei bis vier Minuten wurde die Haut blau und der Schmerz so heftig, daß Pictet seinen Arm zurückziehen mußte,

Aus anderen Versuchen, welche Pictet über die Einwirkungen des Frostes auf die Lebensprozesse anstellte, möchten wir noch die nachhaltige Widerstandskraft gewisser Thiere und Samen gegen hohe Kältegrade hervorheben. Süßwasserfische konnten bis auf –20° C. abgekühlt werden, so daß ihr Leib festgefroren war und beim Anschlagen in Eisstückchen zersplitterte. Thaute man dagegen derartig behandelte Fische vorsichtig auf, so kamen sie wieder zu sich und schwammen im Wasser umher; auch Frösche vertragen eine Abkühlung bis auf –28° C. Froscheier zeigten sich noch zäher; sie büßten ihre Entwicklungsfähigkeit selbst dann nicht ein, wenn man sie auf –60° C. abgekühlt hatte. Eier des Seidenschmetterlings vertrugen eine Kälte bis –40° C. Am widerstandsfähigsten aber erwiesen sich die Keime verschiedener Mikroorganismen, Algen und Bakterien; sie erwachten zum Leben selbst nachdem man sie der stärksten Kälte von etwa –200° C. tagelang ausgesetzt hatte.*