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Autor: Harry Bresslau
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Titel: Bischof Marco
Untertitel: Ein Beitrag zur Helmold-Kritik
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 11 (1894), S. 154–163.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. B. und Leipzig
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Quelle: Scans auf Commons
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[154] Bischof Marco. Ein Beitrag zur Helmold-Kritik. Bei den in neuerer Zeit so lebhaft geführten Erörterungen über die Glaubwürdigkeit Helmold’s hat bekanntlich die Persönlichkeit jenes Marco, den der Pfarrer von Bosau an vier Stellen seiner Slavenchronik[1] als den ersten Bischof von Aldenburg nennt, eine besonders bedeutende Rolle gespielt. Schon Lappenberg[2] hat an diesen Angaben Helmold’s scharfe Kritik ausgeübt. Indem er der Ansicht ist, von einem Aldenburger Bischof Marco finde sich in Urkunden oder Schriftstellern älterer Zeit keine Spur, und hervorhebt, dass selbst der Name Marco, verschieden von Marcus, sonst nicht vorzukommen scheine, indem er es weiter ausdrücklich ablehnt, einen Merka, welchen Adam von Bremen[3] unter den von Adaldag geweihten Dänenbischöfen nennt, hieher zu ziehen, meint er, die Erzählung [155] von Bischof Marco stamme wahrscheinlich erst aus der Zeit der Erneuerung des Bisthums Aldenburg unter Heinrich dem Löwen und möge damals erfunden sein, um Ansprüche desselben auf Schleswig zu begünstigen. Den Weg dazu habe die Nachricht Adam’s[4] von der Errichtung der Schleswigschen Mark durch König Heinrich I. gebahnt, bei welcher der Name des Markgrafen nicht angegeben sei. Diesem Markgrafen möge Schleswig sowie Aldenburg zum Schutze übertragen sein; dadurch sei die Sage von einem Marco, Bischof von Schleswig und Aldenburg entstanden, zu der, soweit sie Schleswig betreffe, selbst die unabsichtliche Auslassung eines Buchstabens im Titel „marchio“ den Grund gelegt haben könne. In Uebereinstimmung mit Lappenberg haben später[5] Völkel[6] und Hirsekorn[7] sich geäussert; auch Dehio[8] hat die Erzählungen Helmold’s von der ältesten Geschichte Aldenburgs, von seiner ursprünglichen Zugehörigkeit zur Magdeburger Kirchenprovinz und von dem ersten Bischof Marco für „handgreifliche Erfindungen“ gehalten und den Vermuthungen Lappenberg’s über Ursprung und Tendenz dieser Erfindungen das Lob des Scharfsinns gespendet; aber er ist noch einen Schritt über Lappenberg hinausgegangen, indem er meint[9], dass Helmold’s und überhaupt [156] des damaligen Aldenburger Klerus Abneigung gegen das Erzbisthum Bremen deutlich erkennbaren Antheil an diesen Erfindungen gehabt habe[10].

Auf dem durch die letzte Bemerkung Dehio’s bereits angedeuteten Wege ist dann Schirren[11] in seinem Versuch „den bis dahin arglos verehrten Pfarrer von Bosau plötzlich als einen abgefeimten Spitzbuben darzustellen“[12], weiter fortgeschritten. Schirren glaubt nicht an eine Sage, die Helmold vorgefunden und wiedergegeben habe, die vielleicht durch einen Abschreibefehler – „Marco“ für „marchio“ – entstanden sei; er meint, Helmold selbst habe den Bischof Marco zwar „nicht völlig aus der Luft gegriffen“, aber doch „erdichtet“. Gerade was Lappenberg ablehnte, die Heranziehung des von Adam erwähnten Dänenbischofs Merka, schien ihm durchaus geboten; seiner habe Helmold sich „als herrenlosen Gutes“ bemächtigt, um sich, wenn Einwendungen gegen seinen erfundenen Marco erhoben werden sollten, durch eine Berufung auf Adam rechtfertigen zu können. So wird die Erwähnung Marco’s in Schirren’s Darstellung ein wichtiger Artikel in der umfangreichen Anklageacte, die Helmold wegen bewusster Geschichtsfälschung vor den Gerichtshof der modernen Quellenkritik citirt und auf Grund deren sogleich das Urtheil gesprochen wird.

Dass diese Quellenkritik, so scharfsinnig sie gehandhabt worden ist, in unserem Falle sich nicht bewährt hat, ist heute wohl allgemein anerkannt: der Ruhm, den Angriff gegen die Gutgläubigkeit Helmold’s, soweit es sich um unseren Marco handelt, erfolgreich abgeschlagen zu haben, gebührt dem auch sonst um die Geschichte des Deutschen Nordostens verdienten Mecklenburger Forscher F. Wigger[13]. Indem Wigger die schon von Lappenberg[14] erwähnten, aber nicht ausreichend berücksichtigten Nachrichten des Ordo Sleswicensium episcoporum aus dem 11. Jahrhundert[15] und des Saxo Grammaticus[16] [157] (als dessen Quelle wir jetzt die anonyme Dänengeschichte von Roeskilde bezeichnen dürfen) heranzieht, kommt er zu dem Ergebniss, dass Marco der zweite Bischof von Schleswig, der Nachfolger Hored’s, gewesen sei, dass diese beiden etwa von 947–965 ihres Amts gewaltet hätten, dass Marco auch die Wagrische Mark mit untergeordnet gewesen sei und dass diese erst nach Marco’s Tod ein eigenes geistliches Oberhaupt erhalten habe. So sei denn also, was Helmold über Marco berichtet, keineswegs böswillige Erdichtung – es sei überhaupt nicht erdichtet, sondern aus Aldenburgischer Tradition geschöpft, die Helmold auch sonst benutzt habe. Und diese Tradition – so schliesst Wigger seine eindrucksvollen Erwägungen ab –, weit davon entfernt, die Geschichte zu fälschen, komme vielmehr der historischen Wahrheit anscheinend ziemlich nahe.

Wigger’s Ausführungen haben die Zustimmung von Breska’s[17] und Regel’s[18] gefunden; auch Wattenbach[19] hat sich ihnen angeschlossen und ich selbst habe sie insofern angenommen, als ich bei dem Versuch, die Liste der Aldenburgischen Bischöfe genauer festzustellen[20], mich dahin geäussert habe, dass Marco, wenn er überhaupt als eine historische [158] Persönlichkeit angesehen werden könne, nicht Bischof von Aldenburg, sondern von Schleswig gewesen sei.

Da ich somit der letzte gewesen bin, der dem Zweifel an der Existenz des Bischofs Marco Ausdruck gegeben hat, so freue ich mich um so mehr, dies Unrecht wieder gut machen zu können, indem ich auf ein urkundliches Zeugniss hinweise, das mir allen solchen Zweifeln ein Ende zu machen scheint, – ein Zeugniss, das, obwohl schon längst und mehrfach gedruckt, dennoch, wie von mir selbst, so auch von fast allen anderen, die sich vor mir mit unserem Bischof beschäftigt haben, für die Helmoldkritik nicht beachtet worden ist.

Es verdient von vornherein Beachtung, dass dies Zeugniss uns aus Magdeburg kommt; überliefert ist es in dem gegen das Ende des 11. Jahrhunderts angelegten Liber privilegiorum S. Mauricii, dem ältesten Copialbuch des Magdeburger Erzstiftes, das jetzt im dortigen königlich Preussischen Staatsarchiv beruht[21]. Aus diesem f. 5b ist das Document von Raumer zum grössten Theil und von Riedel und Pertz[22] vollständig herausgegeben worden; ein ausführliches Deutsches Regest hat v. Mülverstedt gegeben[23]. Raumer, Riedel und Mülverstedt irren aber darin, dass sie das Stück für einen Zusatz des Schreibers des Copialbuchs zu Heinrich’s II. Urkunde vom 7. April 1006 ansehen; es ist anderen Ursprungs und älteren Datums. Um das darzuthun und weil das merkwürdige Schriftstück trotz wiederholter Veröffentlichung nicht die Beachtung gefunden hat, die es verdient[24], lasse ich es hier abermals abdrucken.

Hȩc exemplaria privilegii suprascripta, quod in vestra camera inveni, et regalis testamenti visa sunt mihi certissima. Ceterum de Rodenesleuo tam cito invenire non potui, quod tamen ut puto non [159] deerit. Supersunt autem multi de nobilibus et melioribus liberis et de plebe innumeri, quorum testimonio fertur, quod inperator Heinricus, adhuc rex, cum de eodem predio contra nostrȩ ȩcclesiȩ pastorem tunc Tegenonem contenderet et suo illud iuri addiceret, tandem veritate pariter et benivolentia victus cederet et advocatum ȩcclesiȩ nostrȩ Rodenesloue mitteret; ante quem familia tota fidem ȩcclesiȩ nostrȩ eiusque provisoribus iuravit. Quod adhuc omnes fatentur de familia, qui illis temporibus et rebus interesse potuerunt. Postea vero non diu, cum inter predictum inperatorem et Ziazonem conveniret, prestitit imperator pro centum mansis et medietate civitatis Aerneburch Ziazoni illud predium in Rodenesleuo, eo pacto si Ziazo vel episcopus fieret, vel sine episcopatu ab hac vita decederet, predictum predium ad legitimam ȩcclesiȩ possessionem rediret, et ut tunc in presenti Ziazo e mansos et medietatem predictȩ civitatis, quȩ sui iuris erant, ȩcclesiȩ penitus dimitteret et a suo iure funditus exstirparet. Prestita sunt ei insuper beneficia ex parte abbatiȩ, quȩ erat in Aernesburch, quicquid in Weddingi et in Thorpmerco et in ceteris locis in privilegio scriptis, si quibus hactenus usus est, habuisse visus est. De Ueltheim autem quodam loco, quem Dodilo quidam, qui nuper occisus est, habuit, vos et ȩcclesia testamentum primi Ottonis habetis, per quod eundem locum ȩcclesiȩ vestrȩ delegavit; sed qua ratione illum Dodilo possideret, nescitur aliter, nisi quod notum est pene apud omnes, locum eundem primitus matri Dodilonis et fratris sui, postea ipsis usque ad terminum vitȩ eorum pro benefitio esse concessum, ea eausa quatinus traditionem, quam Marco episcopus avunculus eorum in Ualersleuo ad nostram ȩccelesiam fecit, comprobarent.

Wie man sieht, handelt es sich um einen Bericht, den der Verfasser des Schriftstücks, ein Magdeburger Geistlicher, an einen Magdeburger Erzbischof über Nachforschungen im erzbischöflichen Archiv erstattet hat. Der Bericht schliesst sich in dem Copialbuch an Abschriften des Privilegs Benedicts VII. (Riedel 1, 6, 184; Jaffé-Löwenfeld 3819) und des oben erwähnten Diploms Heinrich’s II. (St. 1421) an: dies sind die „exemplaria privilegii suprascripta et regalis testamenti“, die im Eingang des Berichtes erwähnt werden; wahrscheinlich auf demselben Blatt mit diesen Abschriften hat der Hersteller des Copialbuchs den Bericht vorgefunden und hat ihn mit diesen zusammen copirt[25]. Dass er nicht auch der Verfasser des Berichtes [160] ist, ergibt sich wie aus der Anrede in zweiter Person, die in dem Copialbuch keinen Sinn hätte, so auch aus dem Inhalt des Berichtes selbst: wenn zur Zeit seiner Abfassung noch viele Edle und bessere Freie und „zahllose aus dem Volke“ lebten, welche über die Verhandlungen zwischen Heinrich II. und Erzbischof Tagino über Rodensleben Zeugniss ablegen konnten – Verhandlungen, die dem Erlass der Urkunde vom April 1006 vorangingen, durch welche der Erzbischof eine Entschädigung für das wieder abgetretene Rodensleben erhielt, – und wenn noch viele aus der „familia“ von Rodensleben vorhanden waren, welche der gleichfalls vor jenem Zeitpunkt erfolgten Einweisung des Erzbischofs in den Besitz von Rodensleben beigewohnt hatten –, so kann das Schriftstück nicht erst, wie das Copialbuch, am Ende des 11. Jahrhunderts, sondern es muss sehr viel früher entstanden sein[26]; ich denke an die Zeit eines der ersten Nachfolger Tagino’s.

Aus dem Inhalt desselben interessirt uns hier nur, was über Veltheim gesagt ist. Der Verfasser des Berichtes weiss, dass dieser Ort von Otto I. der Magdeburger Kirche geschenkt worden ist: das [161] bezügliche Diplom ist nicht mehr vorhanden. Unser Bericht sagt nun weiter, dass Veltheim, nachdem es Magdeburgisch geworden war, zuerst der Mutter eines gewissen Dodilo, dann später Dodilo selbst und seinem Bruder auf Lebenszeit dafür zu Lehen gegeben worden sei, dass diese in eine Schenkung, die ihr mütterlicher Oheim, Bischof Marco, in Fallersleben der Magdeburger Kirche gemacht hatte, einwilligten. Diese Schenkung muss vor dem 4. Juni 978 erfolgt sein: denn Fallersleben erscheint zum ersten Male in dem Diplom Otto’s II. von jenem Tage (Mon. Germ. DD. II Nr. 29) unter den Gütern der Magdeburger Kirche, und der Umstand, dass in keiner Schenkungsurkunde Otto’s I. diese Besitzung erwähnt wird, stimmt sehr wohl zu der Angabe unseres Berichts: Fallersleben ist eben nicht aus der Hand des Königs an Magdeburg gekommen. Weiter aber darf man auch aus unserem Bericht folgern, dass Dodilo zur Zeit der Schenkung von Fallersleben noch nicht geboren oder noch ein unmündiges Kind war, da die Entschädigung für die Zustimmung zu derselben zunächst nicht ihm und seinem Bruder, sondern seiner Mutter zugebilligt wurde, die Söhne das Lehen erst später erhielten. Wer aber um 960–970 noch nicht geboren oder ein Kind war, kann sehr wohl noch um 1020 am Leben gewesen sein und also in unserem Bericht als „nuper occisus“ bezeichnet werden.

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist nun der in unserem Bericht genannte Oheim Dodilo’s, Bischof Marco, mit dem Schleswiger Bischof gleichen Namens identisch: er lässt sich in keinem anderen Deutschen Bisthum des 10. Jahrhunderts unterbringen. Damit haben wir aber nicht nur des Bischofs Herkunft aus einem Sächsischen Geschlecht und seine nahen Beziehungen zu Magdeburg bestimmt, sondern wir können nun sogar auch sein eigenes Vorleben weiter verfolgen. Denn wenn Magdeburg seinen Besitz in Fallersleben einer Schenkung des Bischofs Marco verdankte, so ist dieser ohne jede Frage derselbe „vir venerabilis nomine Marco“, dem Otto I., für die Kirche des heil. Michael zu Fallersleben, der er vorstand, am 5. October 942 eine Schenkung gemacht hat (Mon. Germ. DD. I Nr. 50)[27]. Um so glaublicher ist es, dass Otto den Mann, der ihm damals schon bekannt war, später zu bischöflicher Würde erhoben hat.

Wann er zu dieser gelangt ist, ergibt sich nun freilich nicht unmittelbar. Dass es vor 973 geschehen sei, ist nicht mit Bestimmtheit aus der Thatsache zu folgern, dass Fallersleben damals, wie wir sahen, bereits Magdeburgisch war. Denn wenn unser Bericht sagt, [162] Bischof Marco habe die Schenkung in Fallersleben gemacht, so würde ich daraus allein noch nicht zu schliessen wagen, dass er zur Zeit der Schenkung schon Bischof war: der Verfasser des Berichtes kann ihn sehr wohl mit Rücksicht auf eine später erlangte Würde so bezeichnen. Aber schwerlich wird man – der Chronologie des Schleswiger Bischofskatalogs folgend – annehmen dürfen, dass er erst von 990–1010 die Mitra getragen habe: das ist mit dem geführten Nachweis, dass er bereits 942 Leiter einer Kirche war und als „vir venerabilis“ bezeichnet wird, wohl nicht vereinbar. Erhält also von dieser Seite her die schon von Wigger mit guten Gründen angezweifelte Autorität des Bischofskatalogs einen neuen Stoss, so fügen sich die von uns beigebrachten Daten sehr wohl in die von Wigger vorgeschlagene Ordnung, derzufolge Marco der zweite Bischof von Schleswig, der Nachfolger des Hored-Heric, gewesen wäre – in Uebereinstimmung mit den Angaben der Dänengeschichte von Roeskilde. Für die Kritik Helmold’s aber bleibt bestehen, dass sein Bischof Marco keine Erdichtung, sondern eine historische Persönlichkeit ist, und dass, was er aus populärer Tradition berichtet, in der Annahme Wigger’s seine Erklärung findet, der spätere Sprengel von Aldenburg sei bis zur Errichtung des dortigen Bisthums, die jedenfalls nach 965, vielleicht erst nach 968 anzusetzen ist, dem Bischof von Schleswig unterstellt gewesen. Ob endlich mit den Magdeburger Beziehungen Marco’s, die wir nachgewiesen haben, auch die Ueberlieferung zusammenhängt, es sei anfangs die Unterstellung des Aldenburger Sprengels unter Magdeburg beabsichtigt gewesen, mag dahin gestellt bleiben.

Dass aber der Name des aus Fallersleben stammenden Bischofs Marco seinen Träger in der Sächsischen Ueberlieferung noch lange überlebt hat, dafür gibt es noch ein anderes merkwürdiges Zeugniss. Erst jetzt versteht man, wie es geschehen konnte, dass die „Cronica Saxonum“, aus welcher Heinrich von Herford[28] schöpfte, zu der Angabe gelangen konnte, Bruno und Tanquard, die Oheime Heinrich’s I., hätten ein von Karl dem Grossen in Schieder gegründetes Bisthum nach Fallersleben verlegt und dort den heiligen Marcus als Bischof eingesetzt; von dort sei das Bisthum unter Heinrich I. nach Frose und zuletzt unter Otto I. nach Magdeburg übertragen. Was in der Cronica Saxonum dieser Stelle vorangeht und auf sie folgt, entstammt der Chronica principum Brunswicensium, wie sich mit Sicherheit aus der Vergleichung mit der Chron. ducum de Brunsvick cap. 1[29] ergibt; [163] jene Stelle aber muss der Verfasser der Cronica Saxonum selbst eingeschaltet oder einer anderen nicht mehr erhaltenen Quelle entnommen haben. Er oder sein Gewährsmann beruft sich dafür auf die „privilegia earum ecclesiarum“, und wie das, was über Schieder und Frose gesagt ist, wohl lediglich auf ungenaues Wissen von den Urkunden zurückgeht, durch welche jene Orte an Magdeburg geschenkt sind, so ist es wahrscheinlich, dass der heil. Marcus, Bischof von Fallersleben, Urkunden seinen Ursprung verdankt, in denen ein Marco als Vorsteher der Kirche zu Fallersleben und ein Bischof Marco als Donator der Magdeburgischen Güter zu Fallersleben genannt werden. Was spätere Sächsische Autoren von der Sache wissen, entstammt, wie schon Waitz angenommen hat[30], zum Theil mit Sicherheit, zum Theil wenigstens wahrscheinlich aus Heinrich von Herford.

H. Bresslau.     

Anmerkungen

  1. Helm. 1, 12 (zweimal). 14. 69.
  2. Archiv der Gesellschaft für ältere Deutsche Geschichtskunde 9, 387 ff. Ich gebe im Folgenden die Erwägungen Lappenberg’s in etwas anderer Reihenfolge wieder, als er selbst sie vorträgt.
  3. Gest. pont. Hammab. 2, 23.
  4. l. c. 1, 59: Heinricus victor apud Sliaswich regni terminos ponens, ibi et marchionem statuit et Saxonum coloniam habitare precepit.
  5. Wigger, Mecklenburg. Annalen (1860) S. 134, der die Hypothese der Entstehung des Namens Marco aus „marchio“ mit Recht ablehnt, hält es doch für möglich, dass die Wendensage den Bischof mit dem Markgrafen confundirt habe. Er bezieht sich dabei auch auf Waitz, Schleswig-Holsteins Gesch. I, 31, der die Vermuthung aufgestellt hat, dass die Mark Schleswig, das Land zwischen Schlei und Eider, einst dem Aldenburgischen Wendenbischof untergeordnet gewesen sei und dass darin die Angabe Helmold’s ihre Erklärung finde. Laspeyres, Die Bekehrung Nordalbingiens S. 85 ff. redet zwar über Helmold’s Bericht weitläufig genug, kommt aber zu keinem klaren Endurtheil über denselben. – Dümmler, Otto I. S. 505 N. 2 hat sich damit begnügt, unter Verweisung auf Lappenberg und Hirsekorn die Erzählungen Helmold’s über Marco als Adam’s Zeugniss gegenüber nicht ins Gewicht fallend zu bezeichnen; doch hat er die Angabe Helmold’s, dass Aldenburg ursprünglich unter Magdeburg habe stehen sollen, unbeanstandet in seine Darstellung aufgenommen: Adam sagt von einer solchen ursprünglichen Absicht des Kaisers nichts, sondern berichtet nur, dass von den sechs Slavenbisthümern zwar fünf unter Magdeburg, das sechste aber aus Rücksichten auf die geographische Lage unter Hamburg gestellt sei.
  6. Die Slavenchronik Helmold’s. Diss. Götting. 1873. S. 25 f.
  7. Die Slavenchronik des Presbyter Helmold. Diss. Halle 1874. S. 18.
  8. Gesch. des Erzbisthums Hamburg-Bremen I, S. 23 Anm.
  9. Dehio folgt übrigens hier, wie er selbst zu erkennen gibt, einer Andeutung von Hirsekorn S. 18.
  10. Dehio’s Buch ist auf dem Titelblatt als 1877, dasjenige Schirren’s, von dem wir gleich reden, als 1876 erschienen bezeichnet. Allein Dehio kennt Schirren noch nicht.
  11. Beiträge zur Kritik älterer Holst. Geschichtsquellen S. 56 ff.
  12. Worte Wattenbach’s in der neuen Ausgabe von Lappenberg’s Uebersetzung des Helmold (Geschichtschr. der Deutschen Vorzeit XII. Jahrh. Bd. 7. 2. Aufl. Leipz. 1888) S. XI.
  13. Jahrb. des Vereins f. Mecklenb. Gesch. Bd. 42 (1877) Anlagen S. 27 ff.
  14. a. a. O. S. 398.
  15. Mon. Germ. SS. 7, 392. 13, 349.
  16. Gesta Danorum lib. X, jetzt SS. 29, 65. Hier wird Anm. 4 wohl mit Recht angenommen, dass Saxo’s Quelle an dieser Stelle die Hist. Danorum Roskildensis SS. 29, 23 sei; heisst unser Bischof bei Saxo „Marcus“, so finden wir in der Dänengeschichte von Roeskilde die richtigere Form „Marco“. Der Anonymus von Roeskilde benutzt an dieser Stelle eben Adam 2, 23; aber, wie schon Waitz angemerkt hat: „res accuratius indicare studuit“. Dabei können denn Irrthümer mit untergelaufen sein; und für einen solchen hält Waitz die Angabe, dass Folbert Bischof von Ripen, statt von Schleswig, geworden sei; aber wie der Anonymus unzweifelhaft auf Grund besserer, wenn auch vielleicht nur popularer Ueberlieferung statt Adam’s „Merka“ den richtigeren Namen „Marco“ gibt, so mag es auch auf guter Ueberlieferung beruhen, dass er diesen als Nachfolger des Hored (Hericus) bezeichnet. Uebrigens ist es nicht einmal sicher, dass Folbert nach Schleswig gehört; die Autorität des Schleswiger Bischofskatalogs, die das angibt, ist auch in anderer Hinsicht sehr anfechtbar; vgl. Lappenberg S. 405 u. Wigger a. a. O. S. 31 ff. Und in der einzigen Urkunde, die Folbert nennt, dem D. Otto’s III. von 988 (Mon. Germ. DD. II, Otto III. Nr. 41), für welches wir keine handschriftliche Ueberlieferung besitzen, weisen die auf das 1842 verbrannte Bremische Chartular zurückgehenden Drucke von Lappenberg und Lindenbrog an der Stelle, wo der Name seiner Kirche gestanden haben kann, eine Lücke auf, die Lünig, aus Lindenbrog schöpfend, unberechtigterweise mit „Sleswicensis" ausgefüllt hat. Der älteste Druck von Huitfeld bietet an dieser Stelle das Wort „nuntii“, das gewiss verderbt ist und keine sichere Emendation zu gestatten scheint.
  17. Untersuchungen über die Nachrichten Helmold’s. Diss. Göttingen 1880. S. 15 ff.
  18. Helmold und seine Quellen. Diss. Jena 1883. S. 30.
  19. In der oben S. 156 N. 3 citirten Helmold-Uebersetzung S. 29 N. 1.
  20. Forschgn. zur Brandenburg-Preuss. Gesch. 1, 402.
  21. Vgl. über die Hs. Archiv 11, 772 und Mon. Germ. DD. 1, 647. An letzterer Stelle ist nur zu berichtigen, was über die Signatur des Codex gesagt ist. Die dort angegebene Signatur h. J. D. in 4° n. 14 stammt aus dem Berliner Archiv, dem die Hs. 1842–1864 einverleibt war. Die jetzige Magdeburger Signatur ist: Magdebg. Cop. Ia.
  22. Raumer, Regesta hist. Brandenburg 1, 77 (danach citirt bei Hirsch, Jahrbb. Heinrich’s II. 1, 372 N. 1); Riedel, Cod. dipl. Brandenburg I, 6, 186; Pertz, Archiv 11, 773.
  23. Reg. archiepisc. Magdeburg Nr. 515.
  24. In der neueren Literatur hat, so viel ich sehe, nur Einer den darin genannten Bischof Marco mit dem Bischof von Schleswig identificirt, der Amtsrichter Fiedeler in seinen Beiträgen zur Gesch. von Fallersleben (Zeitschr. des hist. Vereins von Niedersachsen, 1869) S. 113. Ihn citirt Hasse, Schlesw.-Holst.-Lauenburg. Regesten u. Urkunden 1, 13. Aber auch L. Weiland hat, wie ich aus einem Briefe desselben erfahre, dem Schriftstück Beachtung geschenkt und es in diesen Zusammenhang einbezogen.
  25. So erklärt es sich, dass in dem Copialbuch die Abschrift des D. Heinrich’s II. mitten unter die Papsturkunden gerathen ist, die im ersten Theil des Codex stehen; auf f. 51 des Codex, unter den Kaiserurkunden, findet man dann eine zweite vollständigere Abschrift des Diploms nach dem Original. – Denn beide Stücke, sowohl das Privileg wie das Diplom, hat der Verfasser des Berichts nicht vollständig copirt: am Schlusse der Papsturkunde sagt er selbst: „hec tantum de privilegio vobis conscribere volui, ut predia abbaciam respicientia scire possitis; clausulam sub anathematis ratione prolatam dimisi“ (Riedel a. a. O. 1, 6, 184).
  26. Man könnte zu einer noch näheren Zeitbestimmung für den Bericht kommen, wenn man ihn mit St. 2262 in Zusammenhang bringen dürfte, durch welche Urkunde Heinrich III. 1044 über Rodensleben, ohne Erwähnung Magdeburgischer Anrechte, verfügt. Damals konnte Veranlassung in Magdeburg vorhanden sein, die Rechtsverhältnisse in Rodensleben durch urkundliche Nachforschungen festzustellen. Doch kommt es dem Verfasser des Berichts, nach der in der vorigen Note angeführten Bemerkung, nicht nur auf Rodensleben, sondern auch auf Arneburg und seine Pertinenzien an. Zum Zubehör von Arneburg gehörte aber ein Theil jener Besitzungen, welche, zugleich mit Rodensleben, durch St. 1420 dem königlichen Caplan Dietrich, dem Ziazo unseres Berichts und des Diploms St. 1421, mit dem Vorbehalt geschenkt waren, dass sie spätestens bei seinem Tode an den König (nicht an die Kirche, wie unser Bericht angibt) heimfallen sollten. Ist nun meine, Jahrbb. Heinrich’s II. 3, 196 (vgl. 3, 284 N. 1) ausgesprochene Vermuthung richtig, dass Dietrich mit dem wahrscheinlich 1023 gestorbenen Italienischen Kanzler Heinrich’s II. identisch ist, so wäre schon damals eine Veranlassung vorhanden gewesen, sich um jene Güter als Zubehör des Magdeburgischen Arneburg zu bewerben. Dass diese Bewerbung geschehen und nicht ganz erfolglos geblieben ist, dürfte der Umstand beweisen, dass das Or. von St. 1420 in Magdeburgischen Besitz gekommen ist, und dass Konrad II. 1025 dem Erzbischof Hunfried Arneburg sammt allem Zubehör bestätigt hat. In diese Zeit also bin ich geneigt die Entstehung unseres Berichtes zu setzen.
  27. Wiederum wird diese schon an sich unabweisbare Annahme dadurch unterstützt, dass das Original dieser Schenkungsurkunde uns aus dem Magdeburgischen Archiv überliefert ist.
  28. Ed. Potthast S. 73. – Ueber die Cronica Saxonum hat zuletzt gehandelt Holder-Egger, Neues Archiv 17, 177 ff.
  29. Mon. Germ., Deutsche Chroniken 2, 577 f.; vgl. Holder-Egger a. a. O.
  30. Jahrb. Heinrich’s I, S. 252.