Stralendorf’s Stellung zur Jülicher Erbschaftsfrage
[163] Stralendorf’s Stellung zur Jülicher Erbschaftsfrage. Dass das sogen. „Stralendorf’sche Gutachten“ eine Fälschung ist, scheint allgemein anerkannt zu sein. Gleichwohl dürfte eine Bestätigung der von mir früher über Stralendorf’s Stellung zur Jülicher Erbfrage ausgesprochenen Ansicht Interesse bieten. Am 8. Juni 1609 schrieb der sich in Prag aufhaltende Baierische Rath Dr. Otto Forstenhauser an Herzog Maximilian: Ich schicke hier eine Abschrift des Privilegs, worauf sich Neuburg in der Jülicher Sache stützt: „darbei dan ad marginem des von Stralendorfs guetachten summariter zue sehen, – – – und befinde ich bis dato, das er gewiss in praejudicium catholicae religionis nichts nachsehen würt, sunder er ist aufrichtich und beherzt“. Dieser Brief liegt in den „Donauwörther Executionsacten“ des Münchener Reichsarchivs, Bd. XVI fol. 67 (eigh. Or.). Die darin angekündigte Beilage habe ich nun nach langem Suchen endlich im Münchener Staatsarchiv gefunden. Sie besteht in einer Abschrift der Urkunde, wodurch Kaiser Maximilian II. am 21. April 1566 das darin wörtlich mitgetheilte Privileg Karl’s V. für Herzog Wilhelm von Jülich vom 19. Juli 1546 bestätigte. Auf dem Rücken der notariell beglaubigten Abschrift ist von Baierischer Kanzleihand vermerkt: „NB. Dabei in margine stehet des von Stralendorf bedenken und hat dis d. Forstenheuser von Prag den 8. junii herausgeschickt. Sein schreiben vide Thonawerth“. In der Abschrift selbst ist folgende Stelle des Privilegs als entscheidend angezeichnet: „Also wann es sich fügen wurde, das gedachter hz. Wilhelm mit obged. S. L. gemahel keinen ehelichen mannlichen leibserben überkäme oder gleichwol mannliche leibserben [164] mit J. L. erwurbe, die aber nachgehends über kurz oder lang ohne eheliche mannliche leibserben abgingen, das alsdann, so kein mannlicher ehelicher leibserb, von S. hz. Wilhelms L. erboren, a) mehr vorhanden ist, obangeregte S. L. fürstentumb, land und leut, die von uns als R. kaiser und dem h. reich zu lehen rühren, auf S. hz. Wilhelms eheliche töchter, mit ged. seiner gemahel ehelich erworben, b) oder wo derselben keine dazumal im leben were, c) und aber von einer oder mer ehelich geboren leibserben verhanden wern, alsdann auf dieselben S. L. töchter nachgelassene eheliche mannliche leibserben, so derselben zeit im leben sein, fallen konnen und inen volgen und zustehen sollen und in solchem fall inen und iren ehelich mannlichen leibserben, wo sie deren einich hinder inen verlassen, von uns oder unsern nachkommen am reich zu lehen gnediglich verliehen werden sollen“. – Zu der hier mit a) angezeichneten Stelle ist von Forstenhauser’s Hand bemerkt: „Wan aber deren töchter verhanden weren, quaeritur, quid juris?“ Zu der hier mit b) bezeichneten Stelle ist von ihm an den Rand geschrieben: „Wan kain mannlicher ehelicher leibserb, wie obstehet, were“. Bei c) endlich machte Forstenhauser ein Einschaltungszeichen und schrieb an den Rand: „Sequitur des h. von Stralendorf sumarisch guetachten. Es seind aber post obitum ausser defuncti ultimi ducis noch drei desselbigen schwestern, herzogen Wilhelmen des impetranten döchter, adhuc in vivis, quibus an sequens haec dispositio: Und aber etc. de jure jam sit attendenda? Quae quid operetur? Ego in illa sum intrepide sententia, quod nihil, maxime propter restrictivam illam dispositionem et verbum sequens: Alsdan. Da auch vermöge obgesetzten formalischen conditionen, so disfalls strictissimi etiam juris, deren dreien noch lebenden geschwistern söne post obitum ihrer muetter so wenig als in deren leben zue disem reichsmannlehen zuezelassen sein, cum filiarum appellatione tantum earum [! lies: eae] neque filii etiam veniant secundum communem doctorum sententiam, noch weniger der zuvor verstorbenen eltisten schwester, der margrävin zu Brandenburg nachgelassene töchter, weil auch dis privilegium des impetranten sons döchtern kain jus successionis im wenigsten, non extantibus masculis, in hisce bonis feudalibus gibt“. Stralendorf ist also, wie die Bemerkung Forstenhauser’s bei b) bestätigt, der Ansicht, dass den Töchtern Herzog Wilhelm’s nur für den Fall das Erbrecht zugestanden sein würde, wenn beim Tode des Vaters kein männlicher Erbe vorhanden gewesen wäre; da Johann Wilhelm den Vater überlebt habe, so stehe den Schwestern desselben ebenso wenig Recht zu, wie das Privileg etwaigen Töchtern Johann Wilhelm’s ein solches verliehen haben würde; demgemäss könnten auch die Söhne der Schwestern keinen Anspruch erheben, [165] noch weniger aber seien hierzu die Töchter der Markgräfin von Brandenburg (er meint damit die Herzogin Marie Eleonore von Preussen) befugt, zumal die Mutter schon vor Johann Wilhelm gestorben sei. Diese Anschauung stimmt nun genau mit der Aeusserung Stralendorf’s überein, welche ich in den Sitzungsberichten der hist. Cl. der Münchener Akad. d. Wiss. 1883, S. 450 angerufen habe, und widerspricht auf’s schärfste der Erklärung des „Gutachtens“, dass Brandenburg das beste Recht besitze.