Bildniß eines Unbekannten (Gemälde der Dresdener Gallerie)

Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Bildniß eines Unbekannten
Untertitel: Von Ant. Van Dyk
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
Herausgeber:
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1848−1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
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A Portrait,       Ein Bildniss,
(of an unknown Person.) (eines Unbekannten.)
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Bildniß eines Unbekannten.
Von Ant. Van Dyk.

Glänzender als in diesem Bildniß hat Van Dyk kaum seine bewährte Meisterschaft für die künstlerische Auffassung von Persönlichkeiten dargelegt. Das Portrait eines Unbekannten steht, was den Kopf anbetrifft, neben den unübertroffenen Bildnissen von der Hand Leonardo da Vinci’s. Rubens mit seiner mächtigen, strotzenden Virtuosität im Portraitiren, Tizian mit seiner selbst das Leben überbietenden und dennoch im Bilde wahren Farbengluth, sie sinken hier zurück. Ist je der geistige Gehalt, welcher sich in den Formen eines Menschengesichts kund giebt, das Innere eines Künstlers passirend, künstlerisch wiedergeboren, so ist es hier der Fall. Es scheint uns, als wenn die geheimnißvolle Unterschrift dieses Bildes, durch die Vergleichung mit dem abgeschlossen Charakteristischen desselben, eine unwidersprechliche Wahrheit erhielte. Einen so lebensvollen, durchaus individuellen Kopf hat Van Dyk auf keinem seiner Phantasiebilder aufzuzeigen.

In dem Unbekannten sehen wir einen Mann in der Blüthe der Kraft mit kurzgeschornem, von einer Pelzmütze bedecktem Haar, mit langem Schnauz- und Knebelbarte, welcher, in einen reichen Pelz gekleidet, in einem kostbaren Lehnstuhle sitzt. Das Gesicht des Mannes ist ernst, im höchsten Grade geistvoll, die Miene herrenmäßig, ohne stolz oder gezwungen zu sein. Blick, Züge und Haltung deuten unverkennbar auf einen Mann vom höchsten Range. Außer der Kleidung und dem Sessel darf man außerdem hierfür seine schwere goldene Halskette mit einem Schaustück daran, sowie einen nach der Art seiner Fassung höchst kostbaren Ring an seiner Rechten anführen.

Wer aber dieser im höchsten Grade anziehende Mann war, den hier Van Dyk’s Pinsel verewigte, ist noch nicht ermittelt, so sehr unterrichtete Forscher auf dem Gebiete der Kunst auch das Dunkel aufzuhellen strebten. Nach einer ziemlich wahrscheinlich gemachten Annahme soll der Unbekannte ein walachischer Fürst, oder Hospodar der Moldau-Walachei gewesen sein Das malerische Costüm des Mannes, welches wesentlich von der zu Van Dyk’s Zeiten in den westlichen Ländern Europa’s gebräuchlichen Tracht abweicht, würde bei der erwähnten Annahme erklärlich gefunden werden.

Abgesehen hiervon, macht das Bild des Unbekannten einen unfehlbaren, fesselnden Eindruck. Ein einmaliger Blick auf diesen markirt geschnittenen Kopf genügt, um seine Züge sich auf immer einzuprägen. Die Ausführung des Originalbildes ist in Van Dyk’s bester, besonnenster Weise gehalten; mit herrlicher Leichtigkeit sind der Bart, das kurze Haar und die Pelzränder der Mütze und des Kaftans gemalt. Die charakteristische Wahrheit dieses Bildnisses hat dasselbe seit langer Zeit zu einem Lieblingsstücke der Kupferstecher gemacht, und wirklich giebt es, außer mehren Stücken von Rembrandt, nur wenige Figurenbilder, welche gleich diesem Portrait der brillantesten Behandlung durch den Stich fähig wären und in ihrer Wirkung derjenigen des Originalgemäldes so auffallend nahe kämen.