Betrachtungen über die Kirchenlisten und insonderheit die Sterblisten der Residenzstadt Eichstätt im Jahre 1791
Der Verfasser des Eichstättischen Intelligenz-Blattes fing erst den 23ten April oben bemeldten Jahres an, das Alter der Gestorbenen und andere Umstände mit zu bemerken, welche zum politischen Calcul unentbehrliche Ingredienzien sind – diese Betrachtungen schränken sich also auch nur auf den engen Zeitraum vom 23 April bis den letzten des Christmonats 1791 ein, werden aber von Jahr zu Jahr noch nachgetragen, und fortgesetzt, zugleich auch der Unterschied in der Sterblichkeit eines Jahres von dem andern mit angeführet werden.
Nach den Wochenblättern wurden im obenbestimmten Zeitraume geboren 232 – getraut 60 Paar – gestorben sind Erwachsene 165 – Kinder 127 – in allem also 292. Es starben also mehr, als geboren wurden, 60. Das Verhältniß der gestorbenen Erwachsenen zu den gestorbenen Kindern ist beynahe, wie 6 zu 5, und wenn man die Bevölkerung der Stadt von 6815 Seelen zur Zahl der Verstorbenen hält, so starben| von 100 mehr, als 4, nämlich der 231/3 Mensch; eine starke Sterblichkeit!Von diesen starben
männl. Geschl. |
weibl. Geschl. |
Summe. | |||||||
unter | 1 | Jahre | — | 33 | — | 33 | — | 66 | |
unter | 2 | Jahren | — | 4 | — | 3 | — | 7 | |
zwischen | 2 | und | 5 | Jahren | 3 | — | 4 | — | 7 |
zwischen | 5 | und | 10 | — | 1 | — | 3 | — | 4 |
— | 10 | — | 20 | — | 1 | — | 3 | — | 4 |
— | 20 | — | 30 | — | 2 | — | 1 | — | 3 |
— | 30 | — | 40 | — | 2 | — | 3 | — | 5 |
— | 40 | — | 50 | — | 8 | — | 6 | — | 14 |
— | 50 | — | 60 | — | 6 | — | 5 | — | 11 |
— | 60 | — | 70 | — | 9 | — | 13 | — | 22 |
— | 70 | — | 80 | — | 10 | — | 13 | — | 23 |
— | 80 | — | 90 | — | 7 | — | 10 | — | 17 |
— | 90 | — | 100 | — | — | — | 4 | — | 4 |
Summe | 86 | — | 101 | — | 187 |
Unter den 4 letzten in den 90er Jahren gestorbenen Frauen war eine 91 – die andere 96 – die dritte 97 – und die vierte, nämlich die Frau Hofkammerräthin Fuchsin, über 99 Jahre alt.
Geboren wurden in gleicher Zwischenzeit 71 Knaben, 80 Mädchen, nebst diesen 3 uneheliche Kinder, und 2 Paar Zwillinge ohne Benennung des Geschlechts.
| 1. Selbst in großen Städten stirbt nur der 30te, höchstens 25te Mensch – und hier gar der 231/3. Aus einer so kurzen Zeit läßt sich freylich nicht viel richtiges schließen; doch mag die Ursache dieser großen Sterblichkeit wohl unter andern auch darin liegen, daß sich viele alte Leute vom Lande in die Stadt herein ziehen.3. Im Ganzen starben vom weiblichen Geschlechte 15 mehr, als von dem mänlichen, und das ist eben in den Städten der gewöhnliche – so wie auf dem platten Lande der umgekehrte Fall, weil weit mehrere Mägde, deren fast jede Familie wenigstens eine hat, als Pursche von dem Lande in die Stadt herein kommen.
4. Ganz nach dem natürlichen Gange der Sterblichkeit starben die meisten unter 1 Jahr. Dann nahm die Sterblichkeit bis zum 40ten Jahr ziemlich stark ab, mit dem 40ten Jahr fing sie wieder an zu steigen, und anstatt daß sie mit dem 70sten Jahre, wie sonst gewöhnlich, wieder fiel, stieg sie da vielmehr bis zum 80ten auf das höchste unter allen hinauf, nur das erste Jahr des| menschlichen Lebens allein ausgenommen: ein evidenter Beweis, wie viele im Durchschnitte es hier auf ein hohes Alter bringen, und wie wenige zwischen dem ersten und 60ten Jahre sterben: weil vom 2ten bis 60ten Jahre nur 55, zwischen dem 60ten und 90ten Jahre des Alters aber 62 – folglich in den letzten 30 Jahren 7 mehr, als in den vorgehenden 59 starben.5. Daß von 60 an mehrere vom weiblichen, als vom männlichen Geschlechte, und in den 90er Jahren gar nur lauter Frauen starben, ist wieder ganz der Ordnung der Natur gemäß, nach welcher über das 40 Jahr hinaus mehrere Frauenspersonen als Männer leben.
6. Die Zahl der gebornen Mädchen verhält sich zu jener der Knaben hier fast wie 8 zu 7, sonst aber wie 20 zu 21. Struyk. rechnet auf 51 Geburten 1 Paar Zwillinge – hier traf solches auf 77, und, wenn die uneheliche Kinder getreu, woran ich aber sehr zweifle, angegeben worden sind, so kommt auf mehr als 51 nur eines, deren in großen Städten 1 auf 10 eheliche gerechnet wird. Es darf aber einem dabey die Bemerkung nicht entgehen, daß gar viele Freudenmädchen zur Ablegung ihrer Bürde von hier verschickt| zu werden pflegen. Eben daher kommt es, daß man auf Jungfrauen, welche gereist sind, nicht viel, und noch weniger auf solche hält, welche in Augsburg kochen gelernt haben, weil dieses der gewöhnliche Vorwand derjenigen ist, welche der Geburt wegen sich entfernen.7. Von Unglücksfällen ereigneten sich zwey; eine ertrank, und der andere brach durch einen Sturz vom Gerüste den Hals. – Auch verdienet hier der Sohn des seligen Hofkammerraths und Hofkammer-Secretairs eine Meldung, welcher vom 22ten bis in das 70te Jahr seines Alters, folglich ganze 48 Jahre krank darniederlag.
8. Von den Gattungen der Krankheiten ist in den Wochenblättern nichts angemerkt, ich kann also auch keine Reflexionen darüber anstellen, sondern nur den Wunsch äussern, daß die Aerzte aufgemuntert werden möchten, dieselben anzustellen, zu Zeiten Sanitätscollegien zu halten, die herrschenden Krankheiten vorzüglich ihrer Aufmerksamkeit zu würdigen, und über deren Ursachen, Symptome und Heilart sich gemeinschaftlich zu benehmen. – Auch wäre ich begierig zu wissen, die wievielste schwangere Frau, seitdem wir einen Geburtshelfer haben, in Kindsnöthen| gestorben sey, nachdem das Verhältniß, daß unter 70en gewöhnlich nur eine stirbt, Süßmilch in seiner göttlichen Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts so ziemlich bestimmt angegeben hat.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Geschlchets