Beschreibung des Oberamts Wangen/Kapitel B 8
« Kapitel BK | Beschreibung des Oberamts Wangen | Kapitel B 12 » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
a) Gem. 8. Emmelhofen,
bestehend aus 17 (25) Parzellen auf 16 Markungen mit 524 kathol. Einw. Dieser hochgelegene Bezirk, durch welchen die Wasserscheide fast unmerklich zieht (s. oben S. 7), ist naß, moorigt und kalt, unstreitig der reizloseste unter den diesseitigen Gemeindedistrikten. Das ausgedehnte Röthseer Ried, viele kleinere Moore, nasse Wiesen und einige bedeutende Weiher bedecken einen großen Theil seines Areals. Die fast stagnirenden Gewässer ziehen sich theils der Wolfegger, theils der Leutkircher Ach zu. So feucht und sumpfig dieser Bezirk aber auch ist, so kommt doch bisweilen eigentlicher Wassermangel, wenigstens an gutem Trinkwasser vor, auch außerdem ist das Wasser meistens schlecht, Röthsee ausgenommen. Die Bodenkultur scheint hier verhältnißmäßig noch jung zu seyn, wie schon aus der Legende vom seeligen Ratperonius (s. Röthsee) geschlossen werden dürfte. Die Vereinödung ist aus den letzten 25–50 Jahren. Viehzucht ist Hauptnahrungszweig, nach ihr der Ackerbau. Gewerbefleiß besteht beinahe gar keiner; kaum daß die Verfertigung von hölzernen Tabakspfeifenköpfen mit Röhren, womit sich des Winters einige Bauern auf den Verkauf beschäftigen, Erwähnung verdient. Keine Straße von einigem Belang führt durch den Bezirk. Doch leben die Bewohner in mittlerem Wohlstand. – Die Grundherrlichkeit ist zwischen Wolfegg und Wurzach theils getheilt, theils gemeinschaftlich; das letztere ist sie in Emmelhofen selbst mit 3, 6, 13, 16, 17. Wurzach steht sie zu in 5, 7, 9. Wolfegg in den übrigen. Eingepfarrt ist die Gemeinde nach Kißlegg mit Ausnahme von 5, 7, 8, 10, welche Filiale von Gebratzhofen, Oberamts Leutkirch, sind. Die Schulen sind bei der betreffenden Pfarrkirche. Den großen, kleinen und Heuzehnten (Blutzehnt wird nicht gereicht) bezieht Wolfegg allein in 2, 8, 10, 12, 14–16, gemeinschaftlich mit Wurzach in 3. Beide gemeinschaftlich mit einer Privatperson zu Menzlings in 6 und 11. Wolfegg mit einer Privatperson zu Weitershofen in 13. Wurzach allein in 1 und 9. Die St. Katharinen-Pfründe in Kißlegg in 4 und 17. Die Pfarrstelle in Gebratzhofen in 5 und 7. Den Novalzehnten hat Wolfegg in der ganzen Gemeinde allein, nur in 1, 3, 6, 13, 16 und 17 gemischt mit Wurzach. |
- 1) Emmelhofen, katholischer Weiler mit 89 Einw., nebst a) Hagwies, Hof mit 8 Einw., b) Schindbühl, mit 4 Einw., c) Schwenden, mit 10 Einw. Emmelhofen liegt 33/4 Stunden nördlich von Wangen am sogenannten Eratsmoos. Nach Ildefons von Arx (I. S. 155) erhielt das Kloster St. Gallen schon 847 Güter in Emmelhofen, und das Kloster Weingarten hatte nach der Bulle des Papstes Innocenz II. vom Jahr 1143 ein Gut in Emilhoven. Ein Gut ist zum heil. Geisthospital in Kißlegg, ein anderes zum Hospital Bärenweiler lehenbar.
- 2) Blöden, Weiler mit 21 Einw. – 3) Bremberg, Weiler mit 13 Einw. Bremberg hat eine Kapelle zur Privatandacht. – 4) Freibolz, Weiler mit 20 Einw. – 5) Gronholz, Hof mit 10 Einw. – 6) Haslach, Weiler mit 26 Einw.
- 7) Herroth, Weiler mit 68 Einw., nebst a) Kaspers, Hof mit 3 Einw., und b) Mundstückle, Hof mit 9 Einw. Herroth hat eine kleine Kapelle ohne regelmäßigen Gottesdienst. Von dieser Parzelle benannte sich eine eigene Herrschaft Herroth, welche ehemals die Grafen von Waldburg-Zeil in ihrem Titel führten. Hieher ist vielleicht auch das Roto zu beziehen, das zweimal in St. Galler Urkunden (861 und 865 bei Neug. N. 396 und 432) vorkommt. Nach der letztern tauschen die Brüder Cundbert und Mowo vom Kloster St. Gallen, dessen Besitzungen in Willeratzhofen, und X Juchos sylvae in Roto ein. Von Willeratzhofen (Oberamts Leutkirch) ist Herroth nur 1/2 Stunde entfernt.
- 8) Höhmühle, Mahlmühle am Rothbach, auf der Markung von Kehr, mit 8 Einw.
- 9) Hunau, Weiler mit 12 Einw. – 10) Kehr, Weiler mit 18 Einw. Der heil. Geisthospital in Kißlegg hat hier zwei Lehengüter. – 11) Menzlings, Weiler mit 8 Einw. – 12) Oberroth, Weiler mit 27 Einw. Privatkapelle. Ein Gut ist dem heil. Geisthospital in Kißlegg lehenbar. – 13) Reipertshofen, Weiler mit 50 Einw. Eine Kapelle zur Privatandacht wird von der Parzellargemeinde unterhalten. Der ehemalige bedeutende Reipertshofer Weiher ist trocken gelegt.
- 14) Röthsee, Weiler mit 15 Einw., auf einer kleinen Erhöhung in dem Röthseer Ried und an dem gleichnamigen See mit einer Kaplanei und Kirche nebst Gottesacker. Die Chronik des Klosters Petershausen (ed. Usserm. p. 379) enthält folgende Erzählung: Um das Jahr 950 lebte ein frommer Mann mit Namen Ratperonius, aus einem angesehenen thüringischen Geschlechte.[1]| Dieser kam einst in Gesellschaft des Bischofs Ulrich von Augsburg, der zugleich auch Abt von Kempten war, auf einer Reise in die Gegend am rothen See. Hier überfiel sie der Schlaf, in welchem der heil. Ulrich die Mahnung empfing, seinen Gefährten Ratperonius zum Anbau und Ansiedelung in dieser Gegend aufzufordern. Dieser folgte der Weisung und bat die umliegenden adeligen Eigenthümer, ihm Grund und Boden zu einer Niederlassung abzutreten. Schnöde von ihnen abgewiesen, legte er einen Fluch auf sie, der in Erfüllung ging, indem ihre Häuser ausstarben. Nur Einer, Berengar von Arnanc (Arnach, Oberamts Waldsee), überließ ihm am rothen See einen öden Landstrich, wo ein wilder, grausamer Räuber hauste. Ratperonius machte nun das Land urbar, was ihm mit sichtlichem göttlichem Beistand schnell gelang, und erbaute mit eigenen Händen, da er keine Gehülfen hatte, eine große Kirche. Aber aus Eifersucht von benachbarten Klerikern bei dem Bischof Warmann von Constanz verläumdet, wurde er aus seiner Gründung vertrieben, und erst wieder von Eberhard, dessen Nachfolger, zurückberufen,[2] der auch die von Ratperonius erbaute Kirche der heil. Jungfrau Maria weihte. Zum Dank übergab Ratperonius seine Kirche und die ganze Kulturanlage der Umgegend dem Bisthum Constanz. Da übelwollende Menschen – setzt die Legende hinzu – ihm wiederholt seine Gehölze verwüsteten, bat er den Herrn, daß er ihn mit Wasserströmen schützen und seine Pflanzung rings umgeben möchte. Alsbald stieg das Gewässer und wuchs zu dem schönen See an, der noch jetzt zu sehen ist, und davon hat der Ort seinen Namen Röthsee. Ratperonius entschlief nach vieler Mühsal und liegt begraben in der Kirche, die er erbaut hat, und hört nicht auf, Segen über die Gegend zu verbreiten. Wirklich gibt die Lage von Röthsee deutlich zu erkennen, daß der See ehemals weit ausgedehnter war und der Ort sich auf einer Insel befand, wie es denn auch in dem gleich anzuführenden Kaufsvertrag heißt: insula in pago Nibilgouwe quae vocatur Rotse. Ulrich nämlich, Graf von Dillingen, Bischof von Constanz, verkaufte Röthsee mit allen Zugehörungen 1112 an das Kloster Petershausen um 8 Mark Silber. Dieses Kloster überließ um die Mitte des 16. Jahrhunderts Röthsee käuflich an Ulrich von Schellenberg um 4000 fl. Durch Heirath und Erbschaft kam es 1708, nach dem Tod des Freiherrn Franz Christoph von Schellenberg an die Linie der Waldburg-Wolfegg. Die Kirche (zur Verehrung Mariä) ist an | ihrem vorderen Theile sehr alt, das Übrige ist 1750–57 angebaut worden. Sie hat einen eigenen Fonds (5456 fl. Kapital nebst einigen Gefällen). Der Pfarrer Rom von Arnach, ein Mann, der sein bedeutendes Vermögen nur zu religiösen und wohlthätigen Zwecken legirte (s. Oberamtsbeschreibung von Waldsee, S. 136), stiftete 1753 zu dieser Kirche eine Kaplaneipfründe mit 6000 fl. Kapital. Graf Joseph Franz zu Waldburg-Wolfegg erbaute darauf ein Kaplaneihaus und vervollständigte die Pfründe, deren Patron der Fürst von Waldburg-Wolfegg ist.
- 15) Schneller, Hof mit 8 Einw. – 16) Unterroth, Weiler mit 47 Einw., nebst Kebach, Hof mit 5 Einw. Der heil. Geistspital in Kißlegg hat hier zwei Lehengüter. – 17) Weitershofen, Weiler mit 34 Einw., nebst a) Hasenfeld, Hof mit 8 Einw. und b) Hechlenbach, Hof mit 2 Einw. Ein Gut ist dem heil. Geistspital in Kißlegg lehenbar.
- ↑ Eine neuere Hand hat an den Rand der Chronik geschrieben: ein Graf von Rappenberg, nach andern Landgraf.
- ↑ Ussermann macht hier auf die chronologische Schwierigkeit aufmerksam, daß der Umgang des Ratperonius mit dem heil. Ulrich spätestens ums Jahr 962, diese Zurückberufung durch Bischof Eberhard aber frühestens 1035 erfolgen konnte.