« Kapitel B 4 Beschreibung des Oberamts Rottweil Kapitel B 6 »
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Dautmergen,
Gemeinde III. Klasse mit 396 Einwohnern, worunter 16 Evangelische und 1 Israelit. Kath. Pfarrei; die Evangelischen sind nach Täbingen eingepfarrt. 31/4 Stunden nordöstlich von der Oberamtsstadt gelegen.

Dautmergen hat eine nicht unfreundliche Lage an der Schlichem und ist auf beiden Seiten des vielgekrümmten Flüßchens theils in die Thalebene, theils an die Thalgehänge, meist auf Felsgrund, uneben und unregelmäßig hingebaut. Der Ort besteht aus mittelgroßen, theilweise ansehnlichen, meist getünchten und durchgängig ziegelbedachten Bauernhäusern; die dürftig makadamisirten Ortsstraßen befinden sich in mittelmäßigem Zustande.

Vicinalstraßen nach Täbingen, Balingen, Dormettingen und Gößlingen vermitteln den Verkehr des Orts mit der Umgegend. Über die Schlichem sind zwei hölzerne Brücken und 2 Stege angelegt und von der Gemeinde zu unterhalten.

Von der in der Mitte des Dorfes gelegenen der h. Verena geweihten Kirche stammen der im Osten stehende mit Schießscharten versehene Thurm und Theile des Schiffes aus alter Zeit, das Schiff der Kirche wurde im vorigen Jahrhundert (1763) erneuert und gegen Westen verlängert. Über einem ihrer Eingänge steht folgende Inschrift: GLorIfICate DeVM In Corpore Vestro; die römischen| Zahlen geben zusammen 1763; und innen steht an einer Holzsäule die Jahreszahl 1499. Das sehr ansprechende Innere der Kirche ist am spitzen Triumphbogen mit Fresken, im rechteckigen gewölbten Chore mit Ölgemälden geschmückt, und enthält außer schön geschnitzten modernen Chor- und Beichtstühlen verschiedene beachtenswerthe gothische Holzfiguren aus dem 15. Jahrhundert: so auf dem im Zopfstil gehaltenen Hochaltare die Bilder der h. Barbara und der h. Verena, und zwei schön gelockte Lichter tragende Engel, dann auf dem rechten Seitenaltar die h. Anna (sehr schön), auf dem linken Maria mit dem Kinde (4 Fuß hoch). Daneben sieht man (kleiner) in einer Nische eine sehr alte Pieta, Maria mit dem Leichnam des Herrn; ferner an der Südseite ein schönes großes Krucifix im Renaissancestil, mit einem Wappen darunter, und eine nicht mehr zu entziffernde Grabplatte vom J. 1622. Der Taufstein ist neu in hübschem neugothischem Geschmack, die Kanzel, im späten Renaissancestil, wird von den Statuetten der vier Kirchenväter und von gedrehten korinthischen Säulen umgeben. Im Chor eine spätgothische Sakramenthäuschens-Nische. Die alte, nördlich angebaute kreuzgewölbte Sakristei besitzt einen hübschen Abendmahlskelch aus dem 16. Jahrhundert. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Stiftungspflege. Auf dem um die Kirche gelegenen Friedhof stehen viele sehr schöne Schmiedeisenkreuze.

Das hübsche zweistockige, 1725 erbaute Pfarrhaus ist Eigenthum der Stiftung und das 1838 erbaute Schulhaus gehört der Gemeinde; letzteres befindet sich in ziemlich gutem Zustande und enthält außer einem Lehrzimmer und der Wohnung des Schulmeisters auch die Gelasse für den Gemeinderath. Überdieß ist noch ein Schafhaus, ein Wasch- und Backhaus vorhanden.

Gutes Trinkwasser liefern 4 laufende, 33 Schöpf- und ein Ziehbrunnen, welche sämtlich Privaten gehören; sodann fließt die Schlichem durch den Ort, sie tritt nicht selten aus und überschwemmt die Thalwiesen, überhaupt greift das Flüßchen auch bei mittlerem Wasserstand die Ufer, soweit das Bett nicht geradlinig regulirt ist, sehr stark an. Die Markung ist reich an Quellen, die jedoch nicht bedeutend sind.

Die Einwohner sind im allgemeinen fleißig, sparsam und körperlich kräftig, gegenwärtig befindet sich jedoch nur eine Person im Ort, die über 80 Jahre alt ist. Ihre Nahrungsquellen sind Feldbau, Viehzucht und Gewerbe; von letzteren dienen die Handwerke, mit Ausnahme einiger Schuhmacher, Maurer und Leineweber, die auch nach außen arbeiten, nur den nöthigen örtlichen Bedürfnissen. Es bestehen 2 Mühlen, eine mit 2 Mahlgängen, einem Gerbgang und| einer Hanfreibe, die andere mit 3 Mahlgängen, einem Gerbgang und einer Hanfreibe, ferner 2 Sägmühlen, 2 Schildwirthschaften, worunter eine mit Bierbrauerei, und 3 Kramläden. Als Nebenbeschäftigung wird von weiblichen Personen die Stickerei getrieben. Die Vermögensverhältnisse der Einwohner waren früher sehr gut, haben sich aber seit Mitte des vorigen Jahrhunderts allmählig vermindert und in den Jahren 1850–1853 ist völlige Verarmung eingetreten: seit etwa 10 Jahren erholt sich jedoch der Ort sichtlich und der Wohlstand ist im Zunehmen. Gegenwärtig besitzt der vermöglichste Bürger 40 Morgen Güter und 51/2 Morgen Wald, der mittelbegüterte 6 Morgen Feld und 6/8 Morgen Wald, die ärmere Klasse 1/4 Morgen Feld. Auf angrenzenden Markungen haben die Ortsbürger etwa 20 Morgen.

Die nicht große Markung ist, mit Ausnahme der im Nordosten liegenden Hochfläche, bergig und von dem Schlichem-Thal und dessen Seitenthälchen vielfältig und tief eingeschnitten durchfurcht. Der im allgemeinen fruchtbare Boden besteht hauptsächlich aus den Zersetzungen des schwarzen Jura und zwar an den Gehängen aus den unteren Schichten desselben und theilweise noch in die obersten Keuperschichten eingreifend, auf den Hochflächen aber bildet der Posidonienschiefer die Unterlage, und wird häufig mit einem mehr oder minder mächtigen fruchtbaren Lehm überlagert. Liaskalk wird an mehreren Stellen zu Straßenmaterial und der Bonebedsandstein als Baustein, zuweilen auch als Schleifstein, abgebaut; jüngerer Süßwasserkalk (Tuffstein) kommt an vielen Stellen, jedoch nicht ergiebig, vor. Das Klima ist ziemlich mild, indessen wird die Gegend nicht selten von schädlichen Frühlingsfrösten, die der Obstblüthe schaden, heimgesucht; Hagelschlag kommt nur zuweilen vor.

Die Landwirthschaft wird mit Anwendung verbesserter Ackergeräthe (amerikanischer Wendepflug, eiserne Egge, Dreschwalze) fleißig betrieben und hat sich seit mehreren Jahren sichtlich gehoben. In größtentheils zweckmäßig angelegten Düngerstätten werden die gewöhnlichen Düngungsmittel fleißig gesammelt und außer diesen kommt noch der Pferch, Gips, Kompost und Asche zur Anwendung. Von den gewöhnlichen Getreidearten baut man vorzugsweise Dinkel, Haber, Linsengerste und in neuerer Zeit auch Weizen mit gutem Erfolg; außer diesen kommen noch Kartoffeln, dreibl. Klee, Luzerne, Esparsette und Hanf zum Anbau. Von den Felderzeugnissen können über den örtlichen Bedarf 3–400 Schffl. Dinkel und 50–60 Schffl. Haber auf der Schranne in Rottweil abgesetzt werden. Die Obstzucht ist von einigem Belang und erlaubt in günstigen Jahrgängen noch einen Verkauf nach außen von 2–300 Sri; man pflanzt| vorzugsweise Junkersbirnen, Knaußbirnen, Fäßlesäpfel und Süßäpfel, von Steinobst Kirschen. Die Jungstämme werden meistens aus der Gemeindebaumschule bezogen und zur Obstbaumpflege ist ein Baumwart aufgestellt.

Die Gemeinde besitzt 36 Morgen Nadelwaldungen, deren jährlicher in 15 Klaftern und 300 Stück Wellen bestehender Ertrag theils zu Gemeindezwecken verwendet, theils zu Gunsten der Gemeindekasse um etwa 100 fl. verkauft wird. Außer dieser Einnahme bezieht die Gemeindekasse aus 45 Morgen eigentlicher Weide nebst der Brach- und Stoppelweide 900 fl., aus dem Pferch 200 fl. und aus 128 Morgen Allmanden 264 fl.

Die mit einer Kreuzung von Simmenthaler- und Landrace sich beschäftigende Rindviehzucht, zu deren Erhaltung zwei Farren von gleicher Race aufgestellt sind, befindet sich in gutem Zustande. In Handel wird nur das entbehrlich gewordene Vieh gebracht. Ein fremder Schäfer läßt 200–250 Stück deutsche Schafe das Jahr hindurch auf der Markung laufen. Die Schweinezucht ist nicht ausgedehnt und die meisten Ferkel (halbenglische Race) werden von außen bezogen und nur wenige nach außen abgesetzt, dagegen ist der Verkauf von gemästeten Schweinen über den eigenen namhaften Verbrauch beträchtlich.

Außer der gegenwärtig 5000 fl. betragenden Kirchenstiftung sind noch vorhanden 100 fl. von Pfarrer Uhl und 150 fl. von Pfarrer Stett gestiftet, deren Zinse für Arme und arme Kranke verwendet werden.

Durch den Ort führt eine ehemalige, theilweise noch deutlich erkennbare Römerstraße von Erlaheim nach Gößlingen, oder vielmehr von Rottenburg nach Rottweil; an ihr liegen im Härdle 1/2 Stunde nordöstlich von Dautmergen 4 Grabhügel, von denen einer untersucht, aber in demselben außer einigen Bernsteinstückchen nichts aufgefunden wurde. Etwa 1/8 Stunde südöstlich vom Ort kommt im Schlichemthal der Flurname „Oberweiler“ vor; man stößt daselbst auf Gebäudeschutt und auf viele Bruchstücke von früh mittelalterlichen Gefässen. Nach der Sage stand hier der Ort Oberweiler, der von drei sehr reichen Bauern, die ihre Pferde und Pflugscharen mit Silber beschlagen hätten, bewohnt gewesen sei. Der Ort sei nach Dormettingen eingepfarrt gewesen und die Bewohner haben ihren Weg dahin über die Kirchwegäcker (ein Ackerdistrikt in der Richtung gegen Dormettingen) genommen. Auch soll in der Flur „Bräunegrub“ seit dem 30jährigen Krieg eine schwere Glocke, gefüllt mit Geld, vergraben liegen. Bei Regulirung des| Schlichembettes wurde vor 30 Jahren 10′ unter der Oberfläche ein großes Schwert aufgefunden.

Der Ort, früher auch Düttmaringen, Tutmaringen geschrieben, gehörte den Grafen von Hohenberg und kam als Bestandtheil der Grafschaft Hohenberg durch Gr. Rudolf (III.) im J. 1381 an Österreich. Als hohenbergisch wird er z. B. in der Grenzbeschreibung des hohenbergischen Forstes aus dem Ende des 14. oder Anfang des 15. Jahrhunderts, sowie in der „Specifikation was zu Hohenberg gehört“ von 1480 aufgeführt (Schmid Gr. v. Hohenberg 369). Er stand in der Folge unter dem Obervogteiamt Spaichingen, und nicht nur die Landeshoheit und der Blutbann, sondern auch Steuern und Zölle waren österreichisch (Gärth).

Im J. 1275 wird der Straßburger Kanoniker Rudolf von Zimmern als hiesiger Pfarrer genannt (s. ob. S. 158). Im J. 1370 erscheint die Pfarrei wieder und in der Folge stand das hiesige Patronatrecht der Familie Sinkingen zu (im J. 1469 präsentirte Albrecht von Sinkingen den Johannes Dieringer zur Pfarrei), kam dann aber mit Zimmern u. d. B. in den Besitz der Ehingen, Landenberg (Johann Reinhart von Landenberg, mit welchem die Familie im J. 1654 erlosch, wurde in der hiesigen Pfarrkirche begraben), Vöhlin, Stuben. Nach dem Erlöschen der letztgenannten Familie stritten sich in den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts die Gräfin Johanna von Welsberg, der Freiherr von Neuenstein und der Herr von Bach um dieses Recht, auch präsentirten die beiden ersten einmal gemeinschaftlich. In Folge der Vermählung der Maria Johanna von Hornstein mit Maximilian Wunnibald von Waldburg-Zeil (geb. 1750) aber gelangte das Patronat an die Truchsessen von Waldburg-Zeil, die noch heutzutage im Besitz desselben sind.

Der Fruchtzehnte gehörte theils Württemberg, theils nebst dem kleinen Zehenten der Ortspfarrei.

Als hier begütert werden genannt: im J. 1290 der Rottweiler Bürger Berchtold von Balingen; 1293 Eberhardt von Lupfen; 1293, 1299 das Kl. Rottenmünster, welches mancherlei hiesigen Besitz von den Herren von Lupfen abgetreten erhielt; ferner die Herren von Sinkingen und ihre Rechtsnachfolger, Besitzer mehrerer hiesiger Lehenhöfe; 1370 endlich die Klause Hochmauern.



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