« Kapitel B 5 Beschreibung des Oberamts Rottweil Kapitel B 7 »
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Deißlingen,
mit Eisenbahnstation,
Gemeinde II. Klasse mit 1810 Einwohnern, worunter 144 Evangelische. a. Deißlingen, Pfarrdorf, 1735 Einwohner; b. Heiligenhof, Hof, 12 Einwohner; c. Hinterhölzerhöfe, Weiler, 45 Einwohner; d. Lengenfeld, Hof, 7 Einwohner; e. Maienbühl, Hof, 11 Einwohner; Kath. Pfarrei; die Evangelischen sind nach Schwenningen eingepfarrt. 2 Stunden südwestlich von der Oberamtsstadt gelegen.

Der große, unregelmäßig angelegte Ort hat eine sehr freundliche, jedoch ziemlich unebene Lage an dem noch nicht erstarkten Neckar und ist theils in die Thalebene, theils an die leicht geneigten Abhänge gegen dieselbe weitläufig hingebaut. Viele ansehnliche Bauernhäuser mengen sich unter die gewöhnlichen ländlichen Wohnungen, von denen nur wenige noch mit Schindeln gedeckt sind, während die übrigen durchgängig Ziegelbedachung haben. Der Ort ist lieblich mit Obstbaumgärten umsäumt, die sich auch in die Zwischenräume der Gebäude hereindrängen; auch einzeln und gruppenweise gestellte Pappeln am und im Ort tragen zu der gefälligen Ansicht desselben wesentlich bei. Durch den Orte führt die Rottweil–Schwenninger Landstraße und die den gleichen Weg einschlagende Eisenbahn zieht nur etwa 500 Schritte südöstlich am Ort vorüber; an ihr befindet sich zunächst am Ort eine Eisenbahnstation und eine weitere (Trossingen) ebenfalls auf Deißlinger Markung, 3/4 Stunden südlich von Deißlingen. Überdieß sind Vicinalstraßen nach Niedereschach, Trossingen, Weigheim und Dauchingen angelegt.

Die dem h. Laurentius geweihte so ziemlich inmitten des Dorfes frei und schön gelegene Kirche soll in den nächsten Jahren durch eine neue in modern romanischem Stil gehaltene ersetzt werden und ist im ganzen Oberamtsbezirk die einzige Dorfkirche, die noch bedeutende Reste der gothischen Bauart, des Spitzbogenstiles zeigt. Der mit Strebepfeilern besetzte vieleckige Chor ist fast vollständig erhalten, aus seinen Spitzbogenfenstern sind jedoch die spätgothischen Füllungen herausgebrochen, mit Ausnahme des hintersten Chorfensters.

Im Innern hat das Schiff eine flache Decke, die in rechteckige Felder eingetheilt ist und in der Mitte ein großes nicht untüchtiges Gemälde zeigt: Mariä Himmelfahrt mit der Unterschrift: J. G. Glyckher inv. et pinx. 1723. Glyckher ein bekannter aus Rottweil gebürtiger Maler des vorigen Jahrhunderts. Auch die jetzt getünchten Wände des Schiffes waren bemalt. Der Chor hat noch sein ursprüngliches sehr schönes Netzgewölbe mit zwei| Schlußsteinen, das auf schlanken Dreiviertelssäulchen ruht; Alles jetzt mit Zopffiguren bemalt. Die drei Altäre, sowie die Kanzel, sind im Rococostil gehalten, der hübsche Taufstein ist spätgothisch und mit reichen Maßwerken umflochten. Den laut Inschrift 1751 geweihte Hochaltar schmückt ein großes Ölbild: Laurentius auf dem Rost; den linken Seitenaltar ein älteres aber übermaltes, und über dem Triumphbogen prangt eine große Holzskulptur im Rococostil: Gott Vater mit vielen Engeln. Die Kirchenbänke sind an den Seitenlehnen lebhaft geschnitzt, an einem sieht man auch das Jahr der Verfertigung 1714, an einem andern den Namen des Meisters „Hilm“ und seinen Wappenschild, ein Rad enthaltend. An der Südwand des Schiffes steht der Grabstein des: Tobias Ernst Freyherr von und zu der Schleüß, Herr zu Berg Haupten und Illenbach, Dero Röm. Kayß. Maje. würckhlicher Truckhses und Oberst Lietenandt. † 12. May anno 1710, 62 Jahr alt; – und seiner Frau: Maria Jacobea, Frey Frau von und zu der Schleuß, geb. Meckhin von Balgheim, † 15. Aug. 1706, 55 Jahr alt. Im Chore führt ein schönes Spitzbogenpförtchen, dessen Lünette mit gothischem in Holz geschnitztem Laubwerk erfüllt ist, in den nördlich angebauten unten kreuzgewölbten Thurm. An der Westwand sieht man den Grabstein des Jos. Ant. Ign. Herderer, der 35 Jahre lang hiesiger Pfarrer war, geb. in Rottweil den 17. März 1695, † 16. Sept. 1755, 60 Jahre alt. Darüber sein in Öl gemaltes Bildniß, und über dem Triumphbogen groß sein Wappen; ohne Zweifel ließ er den Chor ausmalen. Der fünfstockige Thurm hat geschmackvoll gefüllte spätgothische Schallfenster und noch das ursprüngliche Satteldach, dessen schlanke Giebel von zwei Vierblattrosetten belebt werden, und ist in diesen Gegenden ein seltenes Beispiel eines echten alten gothischen Thurmes.

Die große zweistockige, in Renaissanceformen aufgeführte Sakristei ist südlich angebaut. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Gemeinde.

Die evangelischen Einwohner in und um Deißlingen haben seit dem 7. Februar 1875 einen freundlichen, geräumigen Betsaal, erbaut auf Kosten des württembergischen Gustav-Adolfvereins von Bezirksbauinspector Herzog in Rottweil.[b 1]

Der Begräbnißplatz wurde 1836 außerhalb des Orts angelegt. An der Südseite des Dorfes liegt schön auf einem Hügel die uralte seit 1816 in eine Scheune verwandelte Albertuskapelle. Die im Dorf gestandene Liebfrauenkapelle wurde im Jahr 1820 abgebrochen.

Zunächst der Kirche steht das hübsche zweistockige Pfarrhaus, dessen Unterhaltung der Stiftung obliegt. Das große schön erbaute Schulhaus mit 3 Lehrzimmern und den geräumigen Gelassen für den Gemeinderath ist das ehemalige ansehnliche Schloß (der sog. Kehlhof), das die Gemeinde im Jahr 1791 ankaufte und zu seinen| gegenwärtigen Zwecken einrichten ließ. Die an der Schule angestellten Lehrer (zwei Schulmeister und ein nicht ständiger Lehrer) wohnen in besonderen der Gemeinde gehörigen Gebäuden. Ein Backhaus, ein Armenhaus und 3 Waschhäuser sind vorhanden. In der Nähe des Schul- und Rathhauses steht der Gasthof zum Ochsen, ein alterthümliches Gebäude mit Staffelgiebeln und der Jahrszahl 1551 über dem Eingang, ursprünglich ein Nebengebäude des Schlosses.

Mit sehr gutem Trinkwasser, das 23 laufende, 10 Pump- und 3 Ziehbrunnen spenden, ist der Ort aufs reichlichste versehen. Im südöstlichen Theil des Orts, im sogenannten Bad, befindet sich eine schwefelhaltige Quelle, deren Wasser unangenehm zum Trinken und unbrauchbar zum Kochen ist, dagegen früher zum Baden benützt wurde. Überdieß fließt mitten durch den Ort der Neckar, welcher auf der Markung 3/4 Stunden südlich vom Ort einen Zufluß durch die Steppach erhält. Auch an Quellen ist die Markung sehr reich, namentlich sind die drei Keckbrunnen, einer am Fuß des Kehlwalds, 2 unter dem alten Schloß im Neckarthal 1/2 Stunde oberhalb des Orts entspringend, sehr beträchtlich und liefern in trockenen Sommern, wenn der Neckar von Schwenningen her versiegt, öfters längere Zeit demselben den ersten Zufluß. Bei schnellen Schneeabgängen und starken Regengüssen tritt dagegen der Neckar öfters über sein Bett und verursacht Schaden. Über ihn sind eine steinerne und 2 hölzerne Brücken, 5 Stege und eine Eisenbahnbrücke angelegt, deren Unterhaltung, mit Ausnahme der Brücke im Ort und der Eisenbahnbrücke, der Gemeinde obliegt.

Die im allgemeinen kräftigen und wohlgebauten Einwohner, von denen gegenwärtig 5 über 80 und 2 über 90 Jahre zählen, sind geordnet und fleißig; ihre Hauptnahrungsquellen bestehen in Feldbau, Viehzucht und nebenbei in verschiedenem Gewerbe. Von dem letzteren nennen wir außer den gewöhnlichen Handwerken eine Korsettenfabrik, eine Fabrik für Uhrenbestandtheile, drei Mahlmühlen (die obere Mühle mit 5 Mahlgängen und einem Gerbgang, die mittlere mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang und die untere mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang), ferner 3 Ölmühlen, 3 Hanfreiben, 3 Sägmühlen, eine Gipsmühle, eine Ziegelei, 10 Schildwirthschaften, worunter 6 mit Bierbrauereien, 4 Kauf- und 2 Kramläden. Die Vermögensverhältnisse der Einwohner sind gut, indem der größte Güterbesitz eines Bürgers 103 Morgen beträgt, während der Mittelbegüterte etwa 30 Morgen und die ärmere Klasse 3–4 Morgen Grundeigenthum hat. Der Güterbesitz auf angrenzenden Markungen ist nicht von Bedeutung.

Die sehr ausgedehnte Gemeindemarkung, von der ein ziemlich| namhafter Theil mit Wald bestockt ist, grenzt westlich an das Großherzogthum Baden und hat, so weit sie für den Feldbau benützt wird, eine flachwellige, theilweise hügelige Lage, in die sich der Neckar ein enges, schroff eingeschnittenes, jedoch nicht sonderlich tiefes Thal eingefurcht hat. An der südöstlichen Seite der Markung erhebt sich lang gestreckt die steile, vielgegliederte Keuperterrasse, die durchaus mit üppigem Wald bewachsen ist und eine schöne Abwechslung mit der am Fuß derselben sich ausbreitenden acker- und wiesenreichen Gegend bietet.

Der Boden, soweit er für den Feldbau benützt wird, besteht größtentheils aus einem fruchtbaren schweren Lehm, gegen die Keuperterrasse hin geht er in die etwas hitzigen Gipsmergel über und an der Terrasse selbst machen sich die Zersetzungen der verschiedenen Keuperschichten geltend. An Steinbrüchen sind vorhanden: einer im Muschelkalk beim alten Schloß, einer im Muschelkalkdolomit im Ort und einer im grobkörnigen Keupersandstein (Stubensandstein) im Wald Ebnat. Gipsgruben sind mehrere im östlichen Theil der Markung angelegt, auch bestehen Lehm- und Sandgruben.

Das Klima ist rauh und feinere Gewächse, wie Gurken, Bohnen etc. gedeihen auch in heißen Sommern nicht, der Frühling stellt sich spät ein und bringt nicht selten noch schädliche Fröste, dagegen kommt Hagelschlag wenig vor, weil der Kehlwald eine Wetterscheide bildet und die Gewitter von der Gegend ablenkt.

Die Landwirthschaft wird gut betrieben und von verbesserten Ackergeräthen hat der Brabanterpflug allgemein Eingang gefunden, dagegen sind nur zwei eiserne Eggen und zwei hölzerne Gemeindewalzen im Ort. Zum Anbau kommen die gewöhnlichen Cerealien und von diesen vorzugsweise Dinkel und Mengfrucht, ferner Kartoffeln, dreiblättriger Klee, Luzerne, Esparsette, Wicken und Hanf.

Von den umfangreich gebauten Getreidefrüchten können jährlich über den eigenen Bedarf 2000 Scheffel Dinkel, 100 Scheffel Gerste, 50 Scheffel Haber und 20 Scheffel Weizen auf den Schrannen in Rottweil und Villingen abgesetzt werden. Gegenüber von mehr als 3000 Morgen Ackerland sind nur 645 Morgen Wiesen vorhanden, so daß noch Futter zugekauft werden muß; die Wiesen, von denen etwa 20 Morgen bewässert werden können, liefern gutes Futter. Von einigem Belang ist die Obstzucht, die sich meist mit späten Mostsorten (vorherrschend Äpfeln) und nur wenig mit Steinobst beschäftigt. Auf der Markung stehen etwa 3000 Obstbäume, deren Ertrag in günstigen Jahrgängen einen Verkauf nach außen von 1000 Simri zuläßt. Die Jungstämme werden aus der| Gemeindebaumschule bezogen, die, wie überhaupt die Obstpflege, von einem besonders aufgestellten Baumgärtner überwacht wird.

Die Gemeinde besitzt 1900 Morgen meist mit Nadelhölzern bestockte Waldungen und überdieß liegen noch 2800 Morgen Staats-und Rottweiler Waldungen auf der Markung; der Ertrag aus dem Gemeindewald beträgt jährlich 650 Klafter und 15.000 Stück Wellen, hievon erhält jeder Bürger 1 Klafter als Holzgabe, das übrige Holz wird verkauft, was der Gemeindekasse eine jährliche Rente von 5000 fl. sichert. Überdieß bezieht die Gemeinde aus der Brach- und Stoppelweide 700 fl. und aus der Pferchnutzung 500 fl. Von den vorhandenen Allmanden sind 350 Morgen an die Ortsbürger unentgeltlich vertheilt, während 40 Morgen von denselben nebst 40 Morgen Gemeindegütern zu Gunsten der Gemeindekasse um 1000 fl. jährlich verpachtet werden.

Was die Viehzucht betrifft, so ist die der Pferde (Mecklenburger Race), wie auch die Pferdehaltung nicht von Bedeutung, dagegen wird die Rindviehzucht ausgedehnt und gut betrieben, man züchtet einen tüchtigen Landschlag, mit Simmenthalerrace gekreuzt, und zur Unterhaltung und Verbesserung des Viehstandes sind 6 reine Simmenthalerfarren aufgestellt. Der Handel beschränkt sich nur auf das entbehrlich gewordene Vieh. Auf der Markung läßt der Besitzer des Heiligenhofs den Sommer über etwa 300 Bastardschafe laufen und überwintert diese auf seinem Hof. Die Wolle wird in Tuttlingen, Kirchheim etc. abgesetzt und der Abstoß der Schafe geht nach Frankreich. Sehr namhaft ist die Schweinezucht und Mastung (halbenglische, Pollacken- und Baierschweine), indessen werden mehr Ferkel eingeführt als nach außen abgesetzt; für gemästete in Handel gebrachte Schweine beträgt der jährliche Erlös 5–6000 fl.

Die Fischerei im Neckar (Schuppfische und Forellen) hat der Staat, der sie um 4 fl. jährlich verpachtet.

Von besonderen Stiftungen sind zu nennen: 1) die Wilhelm’sche Stiftung, ursprünglich 1133 fl. 40 kr., gegenwärtig 8228 fl. 50 kr., deren Zinse zur Unterstützung für Hausarme und arme Kinder verwendet werden; 2) die Pfarrer Huber’sche Stiftung mit 1200 fl. für Lehrgelder.

Über die Markung führt, an vielen Stellen noch deutlich erkennbar, die ehemalige römische Consularstraße von Rottweil an den Oberrhein, an ihr oder doch in nicht großer Entfernung von derselben kommen folgende, auf abgegangene Wohnorte und Befestigungen hindeutende Flurbenennungen vor: „Wache“, eine Anhöhe südwestlich von Deißlingen, die ohne Zweifel von den Römern zu einem Wachposten benützt wurde; ferner „Hinter-Höfen, zu Bittelbronn,| Hofstätten, Gallbrunnen, Stallberg und Jettenburg“. Beide letzteren kommen gerade an der Stelle vor, wo die römische Straße das Steppach-Thälchen überschreitet und ohne allen Zweifel bestanden hier römische Befestigungen, die das hier zu passirende Defilé deckten. Die am Fuß des Stallbergs in der Steppach-Thalebene liegende Jettenburg ist ein künstlich aufgeworfener Hügel, ähnlich den römischen Wachhügeln; auch der südöstlich vom Ort gelegene Scheibenbühl scheint als Wachhügel benützt worden zu sein. Altgermanische Grabhügel befinden sich in den sog. Vorderwiesen und an der Stelle, wo die Weigheimer Vicinalstraße von der Landstraße abzweigt. Etwa 3/4 Stunden südlich von Deißlingen stand in dem Wald „Hinterhalden“ die Burg Himbach (Hirnbach), von der nur noch der Graben und Wall erhalten ist; eine weitere Burg (Neckarstetten) stand beim sog. „alten Schloß“ oben an dem felsigen Abhang des Neckarthales 3/4 Stunden südwestlich vom Ort. – Auf dem sog. Kirchberg soll der Sage nach ein Männlein umgehen.

Zu der Gemeinde gehören.

b) Heiligenhof, hat eine hohe, etwas rauhe Lage zunächst der Landesgrenze, eine Stunde nordwestlich vom Mutterort; zu dem Hof gehört ein 102 Morgen (65 M. Äcker und 4 M. Wiesen) großes arrondirtes Gut, das von dem Eigenthümer im Dreifeldersystem fleißig bewirthschaftet wird.

c) Hinterholzerhöfe, ein aus einigen zerstreuten Höfen bestehender Weiler, 3/4 Stunden westlich von Deißlingen gelegen.

d) Lengenfeld, liegt nur 1/8 Stunde südlich von Hinterhöfen in einem stillen abgeschiedenen Waldthälchen; zu dem Hof gehört ein 50 Morgen großes arrondirtes Gut.

e) Maienbühl, eine Stunde nordwestlich vom Mutterort zunächst der Landesgrenze gelegen, mit einem dazu gehörigen 50 Morgen großen arrondirten Hofgut.

Deißlingen, früher villa Tusilinga, Tuselingen, Tuslingen geschrieben, wird das erste Mal genannt im J. 802, als hier am 22. Okt. d. J. Gr. Berthold aus der gestürzten gotfriedischen Herzogsfamilie und seine Mutter Raginsind eine Schenkung an das Kloster St. Gallen machten (Wartmann Urk.-Buch der Abtei St. Gallen, 1, 160). Frühe erscheint auch sonstiger geistlicher Besitz allhier, so des Kl. Reichenau, dessen Abt Walfred den 1. Sept. 843 zur Bestreitung des klösterlichen Haushaltes gewisse Jahres-Einkünfte allhier bestimmte (Wirt. Urkb. 1, 124), und des Kl. Salem, welches den 19. Mai 1275 von dem Pfarr-Rektor Schamel zu Mönchweiler und Eschach ein Gut hierselbst erhielt (Mone, Zeitschr. 8, 371).

| Der Ort befand sich gegen Ende des 14. Jahrhunderts z. Th. wenigstens im fürstenbergischen Besitze, und kam in Folge der Vermählung der Adelhaid von Fürstenberg, Schwester Johanns des letzten Grafen von Fürstenberg-Haslach, mit Gr. Friedrich von Hohenzollern (im J. 1377) an das hohenzollerische Haus, denn den 10. Sept. 1405 verzichteten die Gebrüder Heinrichs Konrad und Egon Gr. von Fürstenberg zu Gunsten der Gebr. Fritz des Ä. und Eitelfritz, Gr. von Hohenzollern, auf die Dörfer Deißlingen und Dauchingen. Den 2. Aug. 1407 jedoch verkaufte Fritz der Ä. mit Einwilligung Eitelfritzens vor dem Hofgericht zu Rottweil alle seine Eigenschaft und alle seine Rechte zu dem Dorf Deißlingen um 250 fl. an die Stadt Rottweil (Stillfried Mon. Zoller. nro. 496, 504, 505). Einen andern Theil des Dorfes erwarb die Stadt den 21. April 1429 nebst 15 Pfd. 2 Sch. Hllr. Zins und 221/2 Mltr. Kernengült jährlichen Zins und Geld aus ihrem Theil an Deißlingen, an Vogtei, Vogtrechten, Steuern, Zwingen und Bännen u. s. w., um 612 fl. Rh. von Hans von Owe zu Hirrlingen und seiner Hausfrau Elsbeth Grätherin, wobei Hans mit Mund und Hand, Elsbeth mit Hand und Mund, Zopf und Brust diesen Verkauf gelobte (v. Langen 54).

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Das Kloster Reichenau, beziehungsweise das Bisthum Constanz, welchem dasselbe im J. 1541 inkorporirt wurde, hatte übrigens außer seinem genannten, hier noch in späterer Zeit (nach einer Notiz seit 1694) nicht unansehnlichen Besitz, welchen die Rottweiler Bruderschaft und in deren Namen die Stadt zu Lehen trug, nämlich einmal: ein Drittel der Vogtei und des Dorfes, den Burgstall zu Hirnbach oder Hörnbach (nach Pfaff auf einer waldigen Höhe südlich vom Ort, wo noch jetzt der Platz „Burg“ heißt) und den zu Neckarstetten (nach demselben hart an der Gränze über dem Neckar auf dem Platz „beim alten Schloß“), nebst den Gütern zu Deißlingen, welche Heinrich Mayer von Trossingen früher besaß, mit Äckern, Wiesen, Holz, Feld, Wunn und Waid, dsgl. 12 Mltr. jährlicher Korngült, welche von Albrecht von Sinkingen herrührten; ferner den im J. 1283 in zimmerischem Besitze erwähnten sogen. Kehlhof, welchen die Bruderschaft mit aller Zugehörde im Jan. 1791 von dem Freiherrn Aloys von und zu der Schleiß um 52.000 fl. kaufte,[1] und womit dieselbe den 5. März d. J. vom Constanzer Bischof belehnt wurde. Dieser Hof umfaßte im Ganzen 837 Jauchert, 31/2 Vrtl. 9 Rth. 49 Sch., und seinem Besitzer hatten die| 28 Huber von Deißlingen jährliche Hand- und Fuhrfrohnen zu leisten, welch’ letztere ein Vergleich vom 22. März 1792 neu regelte. Durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 kam die Lehensherrlichkeit über diese reichenauischen Lehen an Baden, das sie im Staatsvertrag vom 17. Okt. 1806 an Württemberg abtrat. Noch den 8. Mai 1845 wurde die Rottweiler Armenfondspflege mit 12 Mltr. Korngült allhier, dem Burgstall zu Hörnbach und Neckarstetten, auch einem hiesigen Gut, sowie dem Kehlhof von Württemberg belehnt.

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Die hiesige Kirche wird schon im J. 1275 genannt (siehe S. 158). – An die oben erwähnte Albertskapelle schließt sich folgende geschichtliche Entwicklung an. Nach einer z. B. von Crusius (Annal. Suev. p. 2, 263, darnach Grimm Sagen 2, 257) mitgetheilten, übrigens gänzlich unverbürgten Sage verließ ein Graf Hubert (Uobert, Obert) von Calw, um nicht in Wohlleben aufzugehen und die Armuth zu kosten, Haus und Gemahlin, zog schlechte Gewänder an und wurde in Deißlingen Kuhhirt. Ungekannt einst nach Calw zurückgekehrt, traf er gerade zum Beilager seiner Gemahlin mit einem Anderen ein, warf ihr seinen Trauring in den Becher und zog ganz still wieder nach Deißlingen zurück, wo er nochmals Hirt wurde. Erst vor seinem Ende entdeckte er den Dorfbewohnern seinen Stand und verlangte, sie sollen ihn nach seinem Tode durch Ochsen hinausführen lassen und wo diese stillstehen würden, begraben, auch daselbst eine Kirche bauen. Dies sei hernach geschehen und die Kirche (deren Namen allerdings später in Albertskirche verwandelt wurde) ihm zu Ehren genannt worden. Zu der Kirche wurden Wallfahrten angestellt, zu des Grafen Gedächtniß Messe gelesen und jeder Calwer Bürger, der vorbeikam, hatte das Recht, an die Thüre zu klopfen und sich um etwas zu melden.[2] – Neben dieser Kirche entstand bald ein, schon im 14. Jahrhundert (s. ob. S. 158)| genanntes Klösterlein, das von Franziskanerinnen der 3. Regel „der h. Elisabeth“ genannt, bezogen wurde. Dieses Klösterlein, dessen Einrichtung im J. 1621 uns noch genauer beschrieben ist (Ruckgaber 2b, 466), und welches ein Bildniß des Grafen mit einem langen Stock, Hirtenstab, in der Hand und einem sehr breiten Hut, neben ihm die h. Klara und die h. Elisabeth, an seiner Mauer aufzuweisen hatte, wurde im 30jährigen Kriege zerstört, seine Güter aber, das sog. Aubertsgut zu Deißlingen, übergab die Stadt Rottweil den 14. August 1630 vor der Gemeinde Deißlingen unter freiem Himmel dem Franziskanerkloster zu Villingen, welches nachwies, daß das Klösterlein ihm früher inkorporirt gewesen. Das genannte Kloster verlieh dieses Aubertsgut von Zeit zu Zeit theilweise, trat im Jahre 1795 mit der Stadt Rottweil deßhalb in Verkaufs-, beziehungsweise Streitverhandlungen und verkaufte es endlich unter nachheriger Genehmigung der k. österreichischen Regierung vom 31. Okt. 1799, den 3. Juli 1798 um 1200 fl. an die Stadt. Im Einzelnen bildeten den Gegenstand des Kaufes: Kirchlein, Wohnhaus, Scheuer und Stallung, Garten, Wiesen und Äcker zu 18 Jauchert 1/2 Vrl. 28 Rth. 15 Sch.; ferner ein Zinsgut zu Dauchingen zu 22 Jauchert 11/2 Vrl. 48 Rth., sowie 196 fl. Aktivkapitalien bei einigen Einwohnern zu Deißlingen.

Im Besitze des großen und kleinen Zehenten, eines österreichischen Lehens, befanden sich 1486 Ulrich von Göggingen und Jakob Streuth, 1496 Hans Jakob von Bodmann, 1506 der Hofschreiber Hans Möck von Balgheim und dessen Familie seit 1681 die Rothenstein. – Das Kl. Rottenmünster kommt im J. 1344 im Besitze hiesiger Höfe vor und bekam hier im Verlaufe der Zeit überhaupt nicht unbedeutenden Besitz; namentlich erwarb es z. B. im J. 1346 den Braitenacker im Betrag von 12 Jauchert, 1446 und 1465 das sog. Haggenholz allhier, ein fürstenbergisches Lehen, früher der Rottweiler Familie Hagg gehörig, sowie das Patronatrecht; das Rottweiler Dominikaner-Kloster erscheint seit dem J. 1426 im Besitze von Reichenauer Lehen.



  1. Deßhalb wurde Deißlingen auch zu den Bruderschaftsorten gezählt.
  2. Nach einer etwas verschiedenen Wendung der Sage entfernte sich der Graf schon ursprünglich wegen der Untreue seiner Gemahlin aus der Heimath, vermachte später die Kleinodien, die er bei sich hatte, zum Bau der Kirche und verordnete, daß so oft ein Calwer des Wegs ziehe, die Glocke des Kirchleins geläutet werden solle. Dies soll auch, so oft die Calwer auf die Zurzacher Messe gereist und durch Deißlingen gekommen, bis ungefähr 10 Jahre vor dem Übergang des Dorfes an Württemberg geschehen sein. Dramatisch ist die Geschichte behandelt in: Graf Hubert von Calw, Scenen aus seinem Leben. Offenbach 1794. 8.
Berichtigungen
  1. Absatz ergänzt nach Beschreibung des Oberamts Rottweil S. XII: Seite 363 Zeile 10 von unten, ist nachzutragen …


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