« Kapitel B 17 Beschreibung des Oberamts Oberndorf Kapitel B 19 »
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Reuthin.
Gemeinde III. Klasse mit 338 Einwohnern, worunter 12 Kath. a. Reuthin, Dorf, 238 Einw. b. Adlersprang, Hof, 11 Einw. c. Aischfeld, Weiler, 78 Einw. d. Brestenberg, Hof, 11 Einw. – Evang. Dorf, Filial von Alpirsbach; die Kath. sind nach Winzeln eingepfarrt. Der Ort liegt 3 Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt.


Auf dem hohen Bergrücken zwischen den Thälern des Aischbachs und des Röthenbachs hat der von West nach Ost in die Länge gedehnte Ort eine freie sehr freundliche Lage; die meist im Schwarzwaldstil gebauten, theilweise ansehnlichen Bauernhäuser sind weitläufig hingestellt und die Zwischenräume mit Baum- und Gemüsegärten ausgefüllt. Die Vicinalstraße von Alpirsbach nach Peterzell führt durch den Ort. Von den 2 alten Linden, die im Dorfe stehen, hat die größte 3′ über dem Boden 17′ im Umfang; noch größer ist die uralte, durch Sturm und Blitz ihrer größeren Äste beraubte Eiche zunächst des alten Vogts Haus, deren Stamm 6′ über dem Boden 25′ 8″ im Umfange mißt. Der Ort hat ein 1838/39 erbautes Schulhaus, das ein Lehrzimmer, die beschränkte Wohnung des Schulmeisters und ein Zimmer für den Gemeinderath enthält; in demselben Jahre wurde östlich am Ort eine ziemlich geräumige Kapelle abgebrochen.

Gutes Trinkwasser liefern 4 laufende, 16 Pump-, 3 Zieh- und Schöpfbrunnen, die nur in ganz trockenen Jahrgängen so sehr nachlassen, daß das Wasser außerhalb des Orts, jedoch immer noch auf der Ortsmarkung geholt werden muß.

Über die Markung fließen der Wäschbach, der Aischbach, der Lindenbach und der Gräbenbach; alle treten öfters aus und verursachen zum Theil bedeutenden Schaden. Der Gräbenbach bildet einen kleinen Wasserfall.

Die Einwohner sind gesunde kräftige Naturen von gutem Charakter und befinden sich in mittelguten Vermögensverhältnissen, der vermöglichste Bauer besitzt 220 Morgen, worunter ungefähr 50 Morgen Wald, der sog. Mittelmann 20–50 Morgen, darunter 5–10 Morgen Wald, und die ärmere Klasse 1–20 Morgen, worunter auch einiger Waldbesitz; größere geschlossene Güter sind 4 vorhanden. Auf angrenzenden Markungen besitzen die Ortsbürger etwa 125 Morgen Güter.

Die ländliche Tracht, wie überhaupt einfache Sitten, haben sich glücklicherweise hier noch erhalten.

Hauptnahrungsquellen sind Feldbau, Viehzucht und etwas Obstbau;| zwei Buntsandsteinbrüche, die gute, auch auswärts gesuchte Werksteine liefern, bringen Arbeit und Verdienst, überdieß sind Töpferthon- und Mergelgruben vorhanden.

Außer den gewöhnlichen Handwerkern, welche theilweise auch nach außen arbeiten, bestehen 1 Ziegelei, 1 Schildwirthschaft und 1 Kramladen. Als Nebengewerbe wird das Strohflechten für die Fabrik in Schramberg getrieben.

Die nicht große Markung hat, soweit sie für den Feldbau benützt wird, eine ziemlich ebene Lage, während die Waldungen an den steilen hohen Gehängen gegen die Thäler liegen.

Der im allgemeinen mittelfruchtbare Boden, ist theils leicht, rothsandig (Zersetzung des Buntsandsteins), theils schwer, thonig oder lehmig; im östlichen Theile der Markung treten die ziemlich unfruchtbaren Wellenmergel auf, die jedoch häufig auf die leichten Sandböden gebracht werden, um diese gebundener und ergiebiger zu machen.

Das Klima ist ungeachtet der hohen Lage nicht rauh und die Sommernächte sind mehr mild als kühl; dagegen ist die Gegend starken Luftströmungen ausgesetzt und Frühlingsfröste, wie auch kalte Nebel, schaden nicht selten der Vegetation und zerstören namentlich die feineren Gewächse, wie Gurken, Bohnen etc. Hagelschlag kommt selten vor.

Die Landwirthschaft wird willkürlich so gut, als es die natürlichen Verhältnisse gestatten, getrieben, und dabei die Brabanter und Wendepflüge, die eiserne Egge, Walze etc. in Anwendung gebracht; zum Anbau kommen Dinkel, Haber, Gerste, Roggen, Kartoffeln, ziemlich viel Futterkräuter (Klee, Esparsette, Wicken), Erbsen und von Handelsgewächsen Reps, Mohn, Flachs und Hanf, jedoch nur für den eigenen Bedarf. Von den Felderzeugnissen können jährlich ungefähr 60–70 Scheffel Dinkel und 100 Scheffel Haber nach Alpirsbach und in das Kinzigthal verkauft werden.

Der Wiesenbau ist nicht ausgedehnt und liefert ein nur mittelmäßiges, theilweise saures Futter, was einem größeren Aufschwung des landwirthschaftlichen Betriebs entgegen tritt; von den durchgängig zweimähdigen Wiesen können etwa 30 Morgen bewässert werden.

Die im Zunehmen begriffene Obstzucht beschäftigt sich nur mit rauhen Mostsorten, Kirschen und etwas Zwetschgen; der Obstertrag wird im Ort verbraucht.

Die Gemeinde besitzt 40 Morgen Nadelwaldungen, deren jährlicher,| in 25 Klaftern und 2000 St. Wellen bestehender Ertrag zu Gunsten der Gemeindekasse verkauft wird.

Die vorhandenen Weiden, wie auch die Brach- und Stoppelweide, werden für das Rindvieh, das hier noch ausgetrieben wird, benützt.

Ganz unbedeutend ist die Pferdezucht, dagegen die Rindviehzucht ziemlich gut und hat sich in den letzten 20 Jahren gebessert; man züchtet hauptsächlich eine Kreuzung von Land- und Schweizerrace und sucht diese durch zwei tüchtige Schweizerfarren mehr und mehr aufzubringen. Einiger Handel mit Vieh wird in die umliegenden Orte getrieben.

Schweinezucht besteht nicht; die Ferkel werden von außen bezogen und für den eigenen Bedarf aufgemästet.

Die Zucht der Hühner ist ziemlich stark, die der Bienen gering.

Die öffentliche Stiftung beträgt gegenwärtig 800 fl. und die David Schuler’sche Stiftung 300 fl.; die Zinse werden theils zur Lehrersbesoldung, theils zur Unterstützung von armen Kranken verwendet.

Zu der Gemeinde gehören:

b. Adlersprang, 1/8 Stunde nordwestlich vom Mutterort gelegen; bei dem Hof, zu dem ein über 100 Morgen großes Gut gehört, stehen mehrere kräftige Bäume, unter denen eine uralte Eiche besonders hervorragt.

c. Aischfeld, hat 1/4 Stunde östlich von Reuthin eine freie hohe Lage.

d. Brestenberg, Hof.

Von R. nannte sich ein Adelsgeschlecht, welches unter der Oberhoheit der Herzoge von Teck, später der Grafen von Hohenberg stund, und namentlich in Lehensdienstverhältnissen zu den letzteren öfters vorkommt (Schmid, Gr. v. Hohenberg 616, welcher übrigens an den abgegangenen ähnlich lautenden Ort bei Oberndorf denkt). Das älteste bekannte Glied ist Friedrich, welcher 1251 in der Urkunde des Herzogs Ludwig von Teck für Kloster Alpirsbach und 1267 mit einem Sohne Reinher erscheint. Spätere Namen sind Reinhart (Mone, Zeitschr. 15, 443), Johann, Peter, Berthold, Albrecht. Am 9. Juli 1333 bekannte der Ritter Peter „von Rüty“, Burggraf zu Bräunlingen, daß er mit Reinhard von R., seinem Neffen, dem Herzog Albrecht von Österreich geschworen habe, ihm die Veste Bräunlingen zu übergeben, wenn seine Herren, die Grafen Rudolf und Hugo von Hohenberg die dem Herzog gegebenen Zusagen nicht halten würden.| (Schmid, Mon. Hohenb. 302.) Diese Familie war zeitweilig im Besitz, beziehungsweise Mitbesitz der Altstadt Rottweil, der Neckarburg und der Veste Hohenstein (v. Langen, Rottweil 382, überhaupt Ruckgaber, Rottweil 2 a, 340. 2 b, 132. 387 ff. 394 ff.), von ca. 1312–1353 im Pfandbesitz von Hirschau O.A. Rottenburg (Schmid, Grafen von Hohenberg 267. 535). Am 30. April 1337 verkauften Peter d. ä., Ritter, seine Söhne Reinhard Ritter, Peter Kirchherr, Johann Kirchherr zu Bierlingen, Berthold und der noch unmündige Rentzmann, Besitzungen aller Art in Röthenberg, Hönweiler, Peterzell, Römlinsdorf, Betzweiler, Glatten, Vogelsberg, Gaiswangen, Ehlenbogen u. s. w. an das Kloster Alpirsbach für 1072 Pf. H. 16 Sch. mit Zustimmung Eigelwarts von Falkenstein, Hofrichters in Rottweil (Crusius Annal. Suev. 3, 234). Zu Anfang des 14. Jahrhunderts erlosch das Geschlecht. Als Wappen führte es drei, in einem Dreieck stehende Sterne (Schmid, Mon. Hohenb. 303).

Genanntes Kloster Alpirsbach erwarb den Ort allmählig ganz (1387 den Kirchensatz) und mit demselben Kloster wurde er württembergisch.

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