« Kapitel A 6 Beschreibung des Oberamts Münsingen Münsingen »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
VII. Gesellschaftlicher Zustand.


1. Grundherrliche Verhältnisse.

Mit Ausnahme von Hohenzollern-Hechingen, welches ein kleines Gefäll in Meidelstetten hat, haben Güter und Rechte in dem Oberamt: 2 Standesherrn, 10 adeliche Rittergutsbesitzer und 1 Gemeinde. Ihre Namen und Besitzungen sind theils oben schon S. 5. angezeigt worden, theils aus der Katastertabelle zu ersehen. Zu den oben angezeigten kommen noch: der Graf v. Sternberg mit Rechten und Gefällen zu Bernloch und der Freyherr von Stein-Harthausen mit einem Lehengut zu Ober-Wilzingen.

Die Bevölkerung der standesherrschaftlichen und ritterschaftlichen Orte beträgt 3414 Menschen, der Flächenraum 41.486 Morgen oder 23/10 Quadrat-Meilen; letzterer also im Verhältniß zur Bevölkerung fast 1/4 mehr, als im übrigen Oberamtsbezirk.

Auf sämmtlichen grundherrlichen Orten, mit Ausnahme von Hayingen und Buttenhausen, haftet noch die Personal- und Local-Leibeigenschaft, und die Güter sind da, und ebenso auch in dem ehemals Zwiefaltischen Bezirk, größtentheils noch Falllehen; manche sind es erst nach dem dreyßigjährigen Kriege geworden, wie z. B. zu Ehestetten, wo 11 vakant gewordene Erblehen von dem Grundherrn in Falllehen verwandelt worden, und mehrere es noch werden sollten, als der Ober-Lehensherr Einhalt that. Was übrigens die Personal- und Local-Leibeigenschaften betrifft, so haben sich nach den oberamtlichen Untersuchungen bis jetzt nur die Manumissionsgelder als solche erwiesen; alle übrige Leibeigenschaftsgefälle sind auf die Güter gegründet – sogenannte Real-Leibeigenschaftsgefälle, welche die Natur gewöhnlicher Grundlasten haben und gesetzlich auch in den K. Kronorten fortbestehen.

Die Summe der zu Geld berechneten Reallasten beträgt nach dem Kataster 18.506 fl.; dazu kommen noch die, im Kataster nicht berücksichtigten Lasten, als Vogthaber, Zoll- und Rauchhaber, deren Geldbetrag aber nicht mehr als 468 fl. ausmacht, mit Einschluß von 80 fl. Dom.- und Kellereysteuern.

| Beschwerlicher noch mögen die Leibeigenschaftsgefälle in ältern Zeiten gewesen seyn: die Ehestetter z. B. und andere beklagen sich i. J. 1663 bitter bey dem Würt. Lehenshofe, daß ihnen ihre Grundherrn zumuthen für sie zu spinnen, daß sie ihnen ihre Söhne und Töchter zu jeder beliebigen Arbeit wegnehmen etc. Übrigens findet man in der Regel die Leibeigenschafts- und Falllehenverhältnisse durch Herkommen, Lagerbücher und Briefe bestimmt. Schon in der oben angeführten Urkunde [1] des Grafen Chadaloch vom Jahr 817, worin derselbe dem Kloster St. Gallen Güter zu Erbstetten, Ober- und Unterwilzingen etc. schenkt, sind die Dienste, welche die Leibeigenen zu leisten haben, genau ausgedrückt, und es ist ausdrücklich bemerkt, daß sie kein Chuvilti Werch zu leisten haben,[2] wie es den Ehestettern zugemuthet worden zu seyn scheint. In Laichingen, wo der Abt von Blaubeuren Leib- und Grundherr war, galt es, nach der oben angeführten Urkunde vom Jahr 1373, für eine ausgemachte Sache, daß „wo ainer sitzt uff ainer Hub, die des Abbts ist, da der Mann und das Weib genößit ist – stirbt der Mann, so soll man dem Abbt geben sin Hobtrecht und den Val, und soll der Abbt die Hub lihen sinen Erben, und süllen im die geben 5 Schilling heller; welt er es aber nit lihen, so süllend sy im Legen 5 Sch. Heller uff den Tisch für in und sollen die Hub dannoch han.“

Die Allodification oder Eigenmachung der Falllehen hat sich bisher blos auf die Kronorte – Bezirk Zwiefalten – beschränkt, in den grundherrlichen Orten ist noch gar keine vorgekommen; in jenen hingegen haben sie einen so guten Fortgang, daß in wenigen Jahren Alles allodificirt seyn wird. Die Maßregel findet hier um so mehr Eingang, als für die| Überlassung des Dominium von dem Staat gesetzlich nichts gefordert wird, und es sich blos um den Loskauf des Auf- und Abfahrsgeldes handelt, welches so gering ist, daß ein sehr großes Bauerngut nur 80 bis 100 fl. Abkauf kostet. Mit diesen Allodificationen hat kürzlich die Krone für die Zwiefalter Orte die Maßregel verbunden, die Holzgerechtigkeiten der bisherigen Lehenbauern auf die Staatswälder vertragsmäßig, theils durch Überlassung von Wald-Areal, theils durch Abschrieb von Grundlasten, aufzuheben.

Ablösungen von Grundlasten geschehen sehr selten; ein Haupthinderniß ist, daß die Lasten vom Steuer-Kataster abgezogen werden, dieser Abzug aber mit der Ablösung aufhört. Die lästige Abgabe von Landgarben neben dem Zehnten haben die Zwiefalter Orte seit 8 Jahren, zur großen Erleichterung und Beförderung des Ackerbaues in eine ständige Gült verwandelt. Der Zehnte ist, mit Ausnahme von 3 einzigen Orten, in den Kronorten überall auf mehrere Jahre an die Gemeinden verpachtet, und wird dort in der Regel nicht mehr vom Roh-Ertrag bezogen; in den grundherrschaftlichen Orten aber wird der Zehente fortwährend auf dem Feld bezogen.

Außer dem Staat und dem Adel haben auch mehrere Stiftungen und Gemeinden, insbesondere die Gemeinde Eglingen, als Besitzerin des vormaligen Ritterguts Eglingen, grundherrliche Rechte und Gefälle, wie man bey der Beschreibung der einzelnen Orte finden wird.


2. Staats- und kirchliche Einrichtung.
a. Eintheilung und Verwaltung.

aa. bürgerliche.

Das Oberamt gehört zu dem Donaukreise; die Orte des Oberamts sind in 45 Gemeinden abgetheilt. Die Anzahl der Markungen beläuft sich auf 59, und mit denen, welche ausschließlich den Gutsherrn angehören, auf 64. Von den Gemeinden sind

I. Classe  0.
II. Classe,   2. Münsingen und Laichingen
III. Classe,  43.
| Wir bemerken noch, daß einzelne Orte staatsrechlich zwar zu Einer Gemeinde verbunden, in Beziehung auf Gemeinde-Eigenthum und Verwaltung aber getrennt sind, wie
Aichstetten und Pfronstetten,
Dottingen und Steingebronn
Erbstetten und Unterwilzingen
Gauingen und Hochberg
Gomadingen und Offenhausen,
Gundelfingen und Dürrenstetten
Huldstetten und Geißingen,
Zwiefalten und Gossenzugen;

ferner sind getheilt: die grundherrschaftlichen Güter Ehrenfels, Maßhaldersbuch, Wimsheim, Heuhof und Steighof.

Domanial-Hintersassen-Orte, die bis jetzt keine eigentliche Gemeinde bilden, sind: Zwiefalten und Offenhausen. Vom Gemeindeverband auch in gerichtlicher und polizeylicher Hinsicht frey, sind: Marbach und als K. Gestüts-Anstalt auf Offenhausen.

bb. kirchliche Eintheilung.

Das Oberamt enthält

Pfarreyen (nicht Pfarrorte)
a) evangelische 17 33.
b) katholische 16
Filialorte, ohne die Höfe und Schlösser,
a) evangelische, 6 25.
b) katholische, 19
Synagogen, oder Israel. Gemeinden 1.

Unter den Pfarreyen befinden sich in den 2 paritätischen Orten Enabeuren und Magolsheim je 2, wovon aber die lutherische zu Magolsheim mit der zu Böttingen vereint ist. Auingen ist mit dem Diakonat Münsingen verbunden. Dottingen und Steingebronn sind so vereint, daß es zweifelhaft ist, ob man sie für 1 oder 2 Pfarreyen gelten lassen solle.

b. Staats-Ämter.
aa. bürgerliche
a) Für den Zweck der Staatsaufsicht und der Verwaltung| und für die Rechtspflege ist dem Oberamt, wie jedem andern, ein Oberamtmann und ein Oberamtsrichter vorgesetzt, welche ihren Sitz in der Oberamtsstadt haben. Nur der Ort Bremelau wurde im Jahr 1822 zum Fürstlich Thurn- und Taxischen Amtsgericht und Amt Obermarchthal getheilt. Außer dem Oberamtsarzte, der ebenfalls seinen Sitz in der Oberamtsstadt hat, ist in Zwiefalten noch ein Unteramtsarzt angestellt. Eben so besteht dermalen noch neben der Stadt- und Amtsschreiberey in Münsingen eine Amtsschreiberey in Justingen und eine in Zwiefalten.

b.) Die Finanz- und Domänen-Verwaltung ist unter die 3 Cameral-Verwaltungen Münsingen, Zwiefalten und Blaubeuren vertheilt.

c.) Die Forstverwaltung ist ebenfalls unter mehrere Ämter getheilt:

1) Das Forstamt Zwiefalten mit den Revieren.
Grafeneck,  Offenhausen,
Huldstetten  Pfronstetten,
Kirchen Zwiefalten.
2) Forstamt Blaubeuren, mit den Revieren.
Blaubeuren Ennahofen
Magolsheim Nellingen.
3) Forstamt Urach, mit den Revieren.
Lichtenstein, Zainingen.
bb. Kirchliche Stellen.

a) evangelisch-Lutherische. Sämmtliche evangelische Pfarreyen sind unter das Dekanat Münsingen und dieses unter die General-Superintendenz Tübingen gestellt; zu dem Dekanat gehören noch außer dem Oberamt die Pfarreyen Pflummern, Oberamts Riedlingen und Mundingen, O. A. Ehingen, ferner Sondernach, O. A. Ehingen, als Filial von Mehrstetten; Klein-Engstingen, O. A. Reutlingen, als Filial von Kohlstetten.

b) katholische: Sämmtliche katholische Pfarreyen stehen unter dem Dekanat Zwiefalten, zu dem auch noch Reichenstein, O. A. Ehingen, als Filial von Emeringen und die Pfarrey Groß-Engstingen, O. Amts Reutlingen gehören.

|
c. Allgemeine Anstalten.
aa. Die Irrenanstalt.

des Königreichs hat ihren Sitz in dem ehemaligen Kloster Zwiefalten, wohin sie i. J. 1812 von Ludwigsburg verlegt wurde. Sie ist zur Aufnahme und Verwahrung von 90 Irren eingerichtet, und in dieser Zahl auch mehr als vollständig besetzt. Für eine Person wird nach Verschiedenheit der Verpflegung ein Kostgeld von 125 bis 230 fl. entweder aus dem Vermögen des Unglücklichen, oder von seinen Verwandten, welche zu seiner Unterhaltung verbunden sind, oder von den öffentlichen Kassen der Gemeinden und Stiftungen bezahlt. Bey der Anstalt ist ein Ober-Inspector und ein Arzt (in der Person des Unter-Amtsarztes) nebst einem Unterarzte und dem nöthigen Dienstpersonale angestellt. Den geistlichen Beystand leisten der katholische Pfarrer in Zwiefalten und der evangelische in Pflummern.

bb. Armenhäuser und Almosenpflege.

In dem vormaligen Zwiefalter Gebiete, und für dieses Gebiet von dem Kloster gestiftet, bestehen 2 K. Armenhäuser, das eine bey Bach, das andere bey Tigerfeld, worin eine Anzahl von alten und armen Leuten Wohnung nebst Heitzung und noch eine kleine Geld-Unterstützung als Almosen vom Staat erhalten und einen gemeinschaftlichen Haushalt führen. Die erstere Anstalt hat einen kleinen Fond, die letztere keinen. Jene war ursprünglich ein Leprosenhaus, das schon in früherer Zeit gestiftet worden; denn schon 1608 wurde die Kapelle daselbst eingeweiht, diese aber erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts errichtet. Die Aufnahme geschieht auf den Vorschlag des Oberamts und des Cameralamts Zwiefalten von der Kreis-Regierung.

Eine Almosenpflege zu Zwiefalten vertheilt jährlich nicht nur unter die dortigen Armen, sondern auch unter die übrigen, vormals klösterlichen, Orte die Summe von 1434 fl., welche sie aus der Staats-Kasse erhält.

cc. Anstalten für die Pferdezucht.
Als Staats-Anstalt besteht ferner in dem Oberamt das| Land-Gestüte zu Marbach mit dem Filial-Gestütshof zu Offenhausen, wovon bey diesen Orten noch besonders die Rede seyn wird. Neben der Gestüts-Anstalt bestehen noch 5 Beschälplatten, für die Privat-Pferdezucht im Oberamte: Marbach, Münsingen, Justingen, Ödenwaldstetten, Zwiefalten.
dd. Landwirthschaftliches Fest.

Ein landwirthschaftliches Partikular-Fest, durch K. Verordnung vom 7. Febr. 1821 gestiftet, wird alljährlich im Juli zu Münsingen gehalten.

ee. Post-Anstalt.

Das Oberamt enthält 3 Postämter: Münsingen, Feldstetten, Zwiefalten; Münsingen und Feldstetten gehören zu dem Bezirk des Hauptpostamts Stuttgart, Zwiefalten zu dem des Oberpostamts Ulm. So lange noch die Poststraße von Urach nach Zwiefalten als solche bestand, war auch zu Ödenwaldstetten eine Post.

ff. Straßen-Anstalt.

Staats-Straßen, welche auf Kosten des Staats unterhalten werden, ziehen 3 durch das Oberamt.

1) Die Ehinger Poststraße, von Urach über Münsingen nach Ehingen, welche das Oberamt in der Mitte durchschneidet. Diese Straße ist von Münsingen an gegen Ehingen erst seit 1810 angelegt und von Münsingen rückwärts bis Seeburg, von wo sie auf die Alp steigt, hat sie i. J. 1819 einen ganz neuen Zug erhalten, so daß sie nun mit aller Bequemlichkeit auf die Alp und auf dieser bis Münsingen beynahe eben fortführt, einen einzigen Stich bey Münsingen ausgenommen, der übrigens leicht umgangen werden konnte. Seit 1810 ist diese Straße nun die Post- und Hauptstraße von Stuttgart nach Ober-Schwaben.

2) Die Blaubeurer Poststraße, welche einerseits von Urach über Böhringen, andererseits von Kirchheim über Gutenberg nach Feldstetten, Blaubeuren und Ulm führt, und die linke oder nordöstliche Flanke des Oberamts durchschneidet. Der Strich von Urach und Böhringen her nach| Feldstetten, nachtheilig ausgezeichnet durch die eben so steile, als zerfallene Steige gegen Böhringen, muß theils von der Oberamtskörperschaft, theils von der Gemeinde Feldstetten unterhalten werden, wird übrigens wöchentlich zwey Mal von dem Postwagen befahren.

3) Die Ödenwaldstetter Straße, von Urach nach Zwiefalten und Riedlingen, welche die oben genannte in Gomadingen durchkreuzt. Sie ist erst i. J. 1807 angelegt worden, wurde aber nachher bey Herstellung der Münsinger Poststraße wieder aufgegeben.

Vizinal-Straßen, welche auf Gemeindekosten kunstmäßig unterhalten werden, hat das Oberamt neuerlich nach allen Richtungen und so gut, daß sie mit manchen Poststraßen wetteifern können, ein Vorzug, dessen Erhaltung das Oberamt hauptsächlich der Sorgfalt seines gegenwärtigen Oberamtmanns verdankt, und der auf den Absatz der Producte, auf den Verkehr überhaupt, und auf die Conservation des Zugviehs unstreitig sehr wohlthätig wirkt. Die wichtigsten dieser Straßen sind:

1) Die Reutlinger Straße, welche von der Honauer Steig aus über Bernloch nach Ödenwaldstetten und von hier aus dann weiter, auf der eben erwähnten Straße, nach Zwiefalten führt, und von den von Reutlingen nach Friedrichshafen gehenden Fuhrleuten befahren wird. Vergl. die Beschreibung des Oberamts Reutlingen S. 75.

2) Die Grafenecker Straße, welche von Münsingen über Grafeneck, Marbach, Offenhausen nach Kohlstetten führt. Diese Straße, eine der schönsten und angenehmsten Straßen, wurde i. J. 1809 angelegt; sie ist hauptsächlich wichtig für den Verkehr mit den Gestütshöfen und als Verbindungslinie mit Reutlingen. An ihrer Unterhaltung hat die Staatskasse, so weit die Straße über die Markungen von Marbach und Offenhausen geht, zu tragen.

3) Die Lauterthal-Straße, gleichfalls eine neue und sehr gute Straße, welche von Münsingen durch eine Thalschlucht bey Buttenhausen in das Lauterthal hinab, und| durch einen Theil von diesem nach Hayingen und von da nach Zwiefalten, somit auf dem nächsten und interessantesten Wege nach Riedlingen und Ober-Schwaben führt.

4) Die Magolsheimer Straße, welche die Orte jenseits des Hardts mit Münsingen verbindet und über Auingen, Böttingen, Magolsheim und Sontheim nach Laichingen führt. Sie ist ebenfalls neu. Zwischen Sontheim und Laichingen durchschneidet sie die Blaubeurer Poststraße und erleichtert auf diese Weise den Verkehr mit der Kreisstadt Ulm.

Alle diese und noch mehrere andere Straßen sind, wie es nur immer ausführbar ist, mit jungen Obst- und andern Bäumen besetzt, welche bey einer sorgfältigern Aufsicht und Pflege, als sie früher genossen haben, meist ein gutes Fortkommen versprechen.

Die Anzahl der Brücken in dem Oberamte beläuft sich auf 39, und zwar 15 steinerne und 24 hölzerne. Es ist jedoch keine von Bedeutung darunter.

Brückengeld wird nur zu Bach bezahlt, für das – durch das Gesetz vom Jahr 1821 aufgehobene Weggeld beziehen die beyden Städte Münsingen und Hayingen eine jährliche Rente aus der Staatskasse. Pflastergeld ist nirgends eingeführt.

Die übrigen Anstalten im Oberamte sind, mit Ausnahme der sehr thätigen Oberamts-Leitung des Wohlthätigkeits-Vereins, durchaus örtlich und werden somit im zweyten Abschnitt bemerkt werden. Hier wird nur noch berührt, daß sich in dem Oberamte 2 Apotheken befinden: eine zu Münsingen und eine zu Zwiefalten.

Des Privat-Vereins für Pferdezucht ist oben S. 79 schon gedacht worden.


3. Oberamts- und Gemeindehaushalt.
a. Oberamtspflege.
Vermögen.

Die Oberamtskörperschaft besitzt als solche kein Grund-Eigenthum, und an Gebäuden blos die Oberamtsrichters-Wohnung (vorherige Stadtschreiberey), dagegen besaß sie

| am 1. Juli 1824
 Forderungen:  
a) Verzinsliche 76.863 fl. 17 kr.
b) Amts-Schadens- und andere Forderungen 66.530 fl. 42 kr.
c) An Steuer-Ausständen  26.246 fl. 51 kr.
169.640 fl. 30 kr.
 Schulden:
a) Verzinsliche 155.588 fl.  
b) andere Passiven 7.830 fl. 29 kr.
c) Steuerrückstände zur Staatskasse  16.986 fl. 20 kr.
180.404 fl. 49 kr.

Also mehr Passiva als Activa  10.764 fl. 1 kr.

Die verzinslichen Activ-Capitalien bestehen größtentheils in auf die Amtsorte ausgetheilten Kriegsschulden von 1814 und 1815, und in Guthaben bey den Gemeinden, für Sustentations-Früchte v. J. 1817. Eben daher rühren größtentheils auch die verzinslichen Schulden. Um die schnellere Abtragung dieser Schuldmasse zu bewirken, hat kürzlich die Amtskörperschaft der Regierung den Beschluß zur Genehmigung vorgelegt, dieselbe der Summe nach auf die Gemeinden zu vertheilen. Über den Amsschaden und die Staatssteuer gibt die Tabelle Nr. V. Auskunft.

b.) Gemeinde- und Stiftungspflegen.
Ihr Zustand erhellt aus der Tabelle Nr. V. Wir bemerken dazu nur noch Folgendes: Die verzinslichen Activa der Gemeinden bestehen theils in Ausständen bey den Bürgern, theils in ausgetheilten Zwiefalter Landschafts-Activen, auch in Amtsvergleichungs-Guthaben. Die größten Schulden haben Hayingen, Münsdorf und Eglingen, die größten Steuerreste die Gemeindepflegen Böttingen und Mehrstetten. Außerordentlich große sind als leidige Zeugen von Krieg, Mißwachs, Hagel und Theurung, zum Theil auch von unangemessener Nachsicht die Steuer- und Anlagen-Rückstände der einzelnen Steuerpflichtigen; sie betragen die Summe von 189.504 fl. 20kr. Davon hat Böttingen allein 23.330 fl., nach diesem kommen Auingen, Münsingen, Enabeuren, Sontheim, Feldstetten, Mehrstetten, Laichingen mit 13 bis 19.000 fl. Doch| sind es die Gemeinden als Corporationen selbst, welchen der größte Theil dieser Reste, als Theil ihres Activ-Vermögens, gehört, namentlich also der ganze Überschuß über die Schuld der Gemeindepflegen zur Amtspflege; indeß erscheinen sie in den Unterpfandszetteln, und wirken so hauptsächlich creditlähmend. Merkwürdig ist, daß diese Rückstände größtentheils, und die Steuerreste einzig, in den Altwürtembergischen Orten vorkommen, und nicht ein einziger Neuwürtemb. Ort einen Steuerrest hat. Diese Erscheinung hat neben dem größern Wohlstande des meisten Theils der letzten Orte ihren Grund hauptsächlich in einer Überlastung bey der Steueraustheilung auf die Gemeinden erbländischer Abkunft, welche in Folge bedauerlicher Unthätigkeit der Behörden bis 1819 fortdauerte, [3] und, würde ihr nicht ein Ziel gesetzt worden seyn, die alten Orte in kurzer Zeit vollends ganz zu Grunde gerichtet hätte. Seit den letzten 6 Jahren werden alle Staatssteuern jedes Jahr pünktlich abgeliefert, auch an den ältern Resten, welche früher noch viel stärker waren, in monatlichen Raten Zahlungen geleistet.

Die in der Tabelle aufgeführte Staatssteuer und Rückstände drücken nur den Antheil der Gemeinden aus, die ganze Jahressteuer, mit Einschluß der Steuern der Grundherrn, macht (an 2.600.000 fl.)

a) Grundsteuer 25.565 fl. }  34.193 fl.
b) Gebäudesteuer 3.856 fl. }
c) Gewerbssteuer 3.131 fl. }
d) Gefällsteuer 1.641 fl. }
Durch Einführung des Steuerprovisoriums wurde die gewöhnliche Jahressteuer um 1789 fl. erhöht. Daß Gebäude- und Gewerbssteuer in der Tabelle höher, als hier erscheinen, rührt von den dazugeschlagenen Erhebungskosten her. Die Haupteinkommensquellen sind: Weide, Wald und Allmanden. Sie sind nicht unbedeutend und mehrere Gemeindepflegen sind im| Stande, einen Theil der Steuerlast für ihre Angehörigen zu übernehmen. In den oben bemerkten Orten, wo die Stallfütterung des Nutzviehs eingeführt wurde, ist insbesondere die Schafweidereute durch Mitvermiethung eines Theils der Rindviehweiden bedeutend gestiegen. S. S. 121 [4] Diejenigen Gemeinden, welche kein Waldeigenthum haben, worunter namentlich fast alle vormals Zwiefaltische Gemeinden sind, genießen dagegen bedeutende Holzberechtigungen an die Krone oder die Grundherrschaften.



  1. Neugart Cod. Diplom. I. Nr. 193. p. 165.
  2. Chuvilti Werch oder, wie es sonst auch heißt, Kuviliti Werch, bedeutet Sclavenwerk, gekaufter Leute Werk, welche weder Land noch einen bestimmten Sitz haben.
  3. Die Oberamts-Körperschaft kam in diesem Jahr, noch vor dem Provisorium, über eine gleichmäßigere Steuervertheilung überein.
  4. Wie der Zustand der Amts- und Gemeindepflegen im Verhältniß zu andern Oberämtern i. J. 1823 war, ist in den Würt. Jahrbüchern 1824, 1. Heft. S. 141 u. ff. zu finden.
« Kapitel A 6 Beschreibung des Oberamts Münsingen Münsingen »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).