« Kapitel A 7 Beschreibung des Oberamts Leutkirch Berkheim »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
B.


Ortsbeschreibung.


1. Gemeinde Leutkirch,
bestehend aus der Stadt und 4 Parzellen mit 2200 Einwohnern[1] auf Einer Markung.


1) Leutkirch, die Oberamtsstadt, ehemals freie Reichsstadt, liegt unter 27° 41' 10,24" östlicher Länge und 47° 49' 33,45" nördlicher Breite, den evangelischen Kirchthurm als Mittelpunkt angenommen, 44 geometrische Stunden von Stuttgart. Die Erhebung über dem Mittelmeere und zwar die des Eschach-Niveau am obern Thor beträgt 2266,5| württembergische oder 1999 pariser Fuß. Siehe oben das Höhenverzeichniß. Die Stadt selbst zählt 1582 evangelische, 595 katholische, zusammen 2177 ortsangehörige Einwohner, und ist somit eine Gemeinde zweiter Classe. Leutkirch ist der Sitz des Oberamtsgerichtes und Oberamtes, eines Oberamts-Physicats und eines Postamtes. Wegen der übrigen Bezirksstellen siehe oben Seite 81.

Auf den meisten zehentbaren Grundstücken der Stadtmarkung ist das Hospital Leutkirch im Besitz des Groß-Zehentrechtes zu fünf Sechstheilen, und die katholische Stadtpfarrei, nunmehr der Graf von Beroldingen zu Ratzenried[2] zu einem Sechstheil. Doch hat sowohl das Hospital als der letztgenannte Decimator (dieser namentlich auf den sogenannten freien Haidfeldern) auf einzelnen Grundstücken das ausschließliche Groß-Zehentrecht. Klein- und Heuzehenten bezieht der Letztere nur von einzelnen Feldern. In der Regel werden die Zehenten in Natura entrichtet. Zehentfrei sind 150 Morgen Äcker und 70 Morgen Wiesen. – Die Stadt hat das Jagdrecht auf ihrer ganzen Markung mit Ausnahme einer ganz schmalen Strecke. Außerdem hat sie das dem Staat gehörige Jagdrecht in den benachbarten Distrikten der ehemaligen Landvogtei’schen Gemeinden gepachtet. Beide Jagden sind wieder an Privaten in Pacht gegeben. Klagen über Wildschaden erheben sich nicht. Das Fischrecht besitzt und übt die Stadt in den Bächen und fünf Weihern ihrer Markung.

Zwischen dem rechten Ufer der Eschach und dem Fuß einer steilen bewaldeten Anhöhe (früher Hochberg, jetzt Wilhelmshöhe genannt), liegt die Stadt nach drei Seiten ganz offen und frei. Die Luft gilt für gesund, die Temperatur hält die Mitte zwischen der Rauhigkeit der höheren Gegenden um Wurzach, Zeil u. s. f., und dem milderen Clima der Illerthalorte. Der Boden ist fruchtbar und erlaubt den Anbau aller gewöhnlichen Getraidearten.| Der Ertrag ist mit dem von Berkheim gleich (zu 4 Scheffel 5 Sri.) angenommen, und steht also die hiesige Markung in dieser Hinsicht nur Aichstetten nach. Die nächste Umgebung besteht aus Wiesen und einigen Gemüsegärten. Um die Stadt führt ein angenehmer, längs der Eschach mit Bäumen bepflanzter Spaziergang. Die Stadt hat zwei lange Vorstädte, die obere und untere, welche durch die beiden, die gleichen Namen führenden Hauptthore mit der innern Stadt verbunden sind. Zu dem obern Thor ziehen die Landstraßen von Kempten, Isny, Wangen und Wurzach, zu dem untern die von Memmingen und Ulm ein. Nebenthore sind auf der Westseite das Nonnenbacher, auf der Ostseite das Bockthor. Auf der letzteren Seite ist in neuerer Zeit noch ein weiterer Zugang durch die nunmehr ganz abgetragene Stadtmauer gebrochen worden. Der Mühlbach aus dem Stadtweiher ist mitten durch die Stadt geleitet. Die Anlage im Innern ist keineswegs regelmäßig; es giebt nur wenig ordentliche Gassen; die geradeste und ansehnlichste unter diesen ist die vom obern zum untern Thor führende Hauptstraße, welche in ihrer untern Hälfte auch zugleich den Marktplatz vorstellt, und, besonders in Folge des neuerlichen Brandunglücks (s. unten), einige gut gebaute und moderne Häuser enthält. Das Areal des Ortsetters beträgt 342/8 Morgen. Die Anzahl sämmtlicher Gebäude beläuft sich auf 405, darunter sind 312 Haupt- und Wohngebäude.

Staatsgebäude sind: das Oberamtsgerichtsgebäude und die Revierförsters-Wohnung. Die oberamtsgerichtlichen Gefängnisse befinden sich in einem städtischen Gebäude.

Städtische Gebäude befinden sich hier 21, unter welchen die hospitalischen nicht gerechnet sind. Das ansehnlichste unter diesen ist das 1740 erbaute vormalige reichsstädtische Rathhaus, welches als Oberamts-Gebäude an den Staat vermiethet ist. Es ruht auf Arcaden und ist in etwas großartigeren Verhältnissen construirt als die übrigen Häuser der Stadt. Um so unscheinbarer ist dagegen| das eigentliche Rathhaus, obgleich viel älter als das erstere, dennoch der neue Bau genannt. Es diente vor Erbauung des ersteren zum Rathhaus, wurde darauf als Zunftstube benutzt, bis es nach Aufhebung der reichsstädtischen Verfassung seiner alten Bestimmung zurückgegeben wurde. Der Raum unter den Raths- und Amtszimmern ist zu einem städtischen Theater eingerichtet. Auch besitzt die Stadt ein Kornhaus, einen Salzstadel, ein Schlachthaus u. a.

Die evangelische Pfarrkirche zur heiligen Dreifaltigkeit wurde 1615 im Bau vollendet und den 11. Febr. desselben Jahrs eingeweiht, nachdem den 14. März 1613 der Grundstein gelegt worden war. Die Kosten wurden theils aus dem Ärar der evangelischen Gemeinde, theils durch freiwillige Beiträge Einzelner, namentlich derer von Furtenbach, bestritten. In neueren Zeiten wurde eine durchgreifende Ausbesserung nöthig, die auch 1826 mittelst einer Capital-Aufnahme von 1500 fl. erfolgte. Die Kirche ist ein geräumiges, helles und freundliches Gebäude; aber sehr niedrig und unansehnlich ist der Thurm, der nur eine aber ziemlich große Glocke hat. Die Bau- und Kultkosten trägt die Kirchenpflege, siehe unten. Das im Jahr 1755 erbaute evangelische Pfarrhaus ist Eigenthum der Gemeinde.

Die evangelische Hospital-Kirche, ohne Zweifel so alt als das Hospital (s. d.), diente von 1549 bis zur Erbauung obiger Kirche dem evangelischen Pfarrgottesdienste, und wird auch jetzt noch zu Wochengottesdiensten, bei Leichen u. s. w. gebraucht.

Die katholische Pfarrkirche zu St. Martin steht erhöht und frei am südöstlichen Ende der Stadt; sie ist geräumig und anständig decorirt, doch etwas niedrig, hat ein Mittel- und zwei Nebenschiffe, deren Gewölbe auf 8 Säulen ruhen, einen Hochaltar und vier Nebenaltäre, und einen schönen Kuppelthurm. Ihr Bau begann 1514 auf der Stelle der uralten, allmälig zerfallenen Kirche, (deren Hochaltar, wie auch der jetzige, dem heiligen Kilian| consecrirt war). Die Einweihung erfolgte 1519. Der damalige Pfarrer, Johannes Schwarz, diente dabei zugleich als Baumeister. Die Baulast ruht auf der St. Martinspflege, siehe unten. Das katholische Stadtpfarrgebäude ist ums Jahr 1630 erbaut, in neuester Zeit aber ist beschlossen worden, dasselbe mit einem andern, ganz neu zu erbauenden (zum Theil auf Kosten der Pfarrstelle) zu vertauschen.

Über das ehemalige Frauenkloster siehe unten. – Unter den Privatgebäuden ist als das schönste und ansehnlichste das sogenannte Schlößchen, auch der Hummelsberg oder Furtenbach’sche Berg genannt, in der obern Vorstadt an der Straße nach Kempten, zu nennen. Es ist von einem der Furtenbache wahrscheinlich um die Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut worden, und war seiner Zeit durch eine Rüstkammer, Kunst- und Büchersammlung und schöne Gartenanlagen ausgezeichnet. Längere Zeit diente es adeligen Familien, zuletzt einem Grafen von Reutner, zur Wohnung; gegenwärtig ist es in den Händen eines Bürgers von Leutkirch.

Die Einwohner und ihr Nahrungsstand.

Nach der Aufnahme am 15. December 1841 betrug die Bevölkerung der Stadtgemeinde 1083 männliche und 1117 weibliche, zusammen 2200 ortsangehörige Einwohner. Bei der Zählung im Jahre 1832 waren von 2001 Ortsangehörigen abwesend 213, dagegen Fremde anwesend 187, die ortsanwesende Bevölkerung betrug daher damals 1975. Im Jahr 1837 belief sich dieselbe auf 2064, und 1840 auf 2117. Die Zahl der Ehen war im Jahr 1832 345; es kamen also auf 1 Ehe 5,8 Einwohner.

Geboren wurden jährlich nach dem Durchschnitt des Decenniums von 1830/40 91. Darunter uneheliche 9; auf 1000 Einwohner kommen hienach 44 Geborene (oder eine Geburt auf 23 Einwohner) und unter 100 Geburten befanden sich 9,5 uneheliche, oder die unehelichen verhalten| sich zu den ehelichen wie 1 : 9,7. Letzteres Verhältniß ist etwas besser als das mittlere des Landes 1 : 8,1.

Gestorben sind jährlich, nach demselben Durchschnitt 82,0, es kommen daher auf 1000 Einwohner 39,6 Gestorbene (oder 1 Gestorbener auf 25,2 Einwohner). Die größere Sterblichkeit beim männlichen Geschlechte ist auch hier bemerkenswerth; auf 1000 Personen männlichen Geschlechts kommen 42,0, auf 1000 Personen weiblichen Geschlechts aber nur 37,2 Sterbfälle.

Auf 100 Gestorbene kommen 110,8 Geborene, und der natürliche Zuwachs der Bevölkerung der Stadt betrug in dem genannten Decennium 89 Personen (53 männliche und 36 weibliche), die Zunahme durch Einwanderung (über Abzug der Auswanderer) 97, der gesammte Zuwachs also 186.

Bei der Zählung des Jahrs 1832 fanden sich Übersechzigjährige 190 oder auf 1000 Einwohner 95, während nach dem Mittel des Königreichs auf 1000 Einwohner nur 77 kommen. Die größere Sterblichkeit betrifft nur die jüngern Altersklassen, hauptsächlich vor dem zurückgelegten ersten Lebensjahre.

Einen berühmten Landsmann hatte die Stadt Leutkirch an dem Dr. Theol. Johannes Fabri, Bischof in Wien[ws 1]. Er hieß eigentlich Heigerlin, und kam als eines Schmieds Sohn in Leutkirch 1478 zur Welt. Nach der Sitte jener Zeit nahm er einen lateinischen Namen an, und wählte dazu den obigen, da sich wohl der Schmied, aber nicht Heigerlin latinisiren ließ. Er widmete sich in Freiburg den theologischen Studien, und trat frühe in den Dominikaner Orden. Ausgezeichnet durch Geist und Kenntnisse wußte er sich bald in ein solches Ansehen zu setzen, daß er ein Kanonikat in Konstanz und Basel, dabei die Pfarreien Leutkirch und Lindau erhielt, des römischen Königs Ferdinand I. Rath, nachmals Beichtvater und Generalvikar des Bischofs von Konstanz wurde. Er zeigte sich anfänglich als einen freisinnigen, von den Ideen der Zeit angeregten Mann, der mit Erasmus von Rotterdam befreundet, den damals| herrschenden Mißbräuchen sich entschieden entgegenstellte, und namentlich den von Samson in der Schweiz betriebenen Ablaßhandel bekämpfte. Noch in seinen späten Jahren beklagte er aufrichtig die Entstellungen, welche die Kirche im Laufe der Zeiten erlitten, und drang ernstlich auf eine allgemeine Kirchenversammlung.[3] Er wollte die Reform, aber er haßte die Reformatoren und verwünschte die Art und Weise, wie aus der Kirchenverbesserung eine gewaltsame Kirchentrennung geworden ist. Sein Glaubensbekenntnis legte er unbefangen in der Denkschrift nieder, die er an die österreichischen Stände richtete: »Causae rationabiles, propter quas D. Joh. Fabri noluit ac bona conscientia non potuit Lutheri doctrinam approbare.« Doch ist nicht zu verkennen, wie sich Fabri immer mehr zu dem andern Extrem neigte, so daß die Lutheraner ihn sogar des beabsichtigten Verrathes an Simon Grynäus in Speyer und des Antheils an der Verbrennung des Balthasar Hubmeyer (s. Schreib. hist. Taschenb. 3. Jahrg.) beschuldigten. Ersteres ist nicht erwiesen, für Letzteres macht man ein Schriftchen geltend, das von Fabri herrühren soll, und ohne Ort und Jahreszahl, unter dem Titel erschienen ist: „Ursach, warumb der widerteuffer Patron und erster Anfenger Doctor Balthasar Hubmeyer zu Wien auff den zehenten Tag Martii Anno 1528 verbrennet sey.“ Im Jahr 1529 zum Probst in Ofen, und 1531 zum Bischof in Wien erhoben, nahm er freilich eine entschiedene Stellung gegenüber der Umwälzung in Sachen der Kirche ein. Fabri war ein sehr begüterter Mann, und hat seine Vaterstadt Leutkirch mit ansehnlichen Stiftungen bedacht. Namentlich hat das Hospital einen großen Theil seiner Einkünfte den Legaten Fabri’s zu verdanken. | Für wohlthätige und Studienzwecke legirte er in den Jahren 1525–39 sechs bedeutende Stipendien, theils ganz, theils hälftig zu Gunsten geborner Leutkircher, und gab für ihre Verwendung die liberalsten und einsichtsvollsten Bestimmungen. Allein mit Ausnahme einer einzigen sind diese Stiftungen für Leutkirch, nachdem sich diese Stadt von der allgemeinen Kirche losgesagt, verloren gegangen. Er starb den 21. Mai 1541. Über des berühmten Mannes Leben und Schriften (unter welchen sein Malleus haereticorum die Erbitterung der Lutheraner am meisten erregte) siehe: Kettner, Dissert. de vita et scriptis Joh. Fabri Leofanensis, etc. Lips. 1737. 4.

Von angesehenen Geschlechtern nahm in Leutkirch die erste Stelle ein das adelige Geschlecht derer von Furtenbach. Dasselbe stammte aus Graubündten, und theilte sich in die Linie des Hieronymus, der zu Ende des 15. Jahrhunderts sich in Leutkirch niederließ, und in die des Erasmus, der sein Geschlecht in Feldkirch fortpflanzte. Ein besonders verdienter Mann war Hieronymus von Furtenbach, der Ältere, Bürgermeister in den drangvollen Zeiten des 30jährigen Kriegs, er starb 1634. Sein Sohn Joseph, geb. den 30. Dez. 1591, bildete sich in Italien zu einem vorzüglichen Architekten aus, ließ sich 1621 in Ulm nieder, und ward daselbst Senator. Er besaß ausgezeichnete Kenntnisse in der Mathematik, bürgerlichen und Kriegsbaukunst, die er sowohl durch Bauwerke, welche er leitete, als durch geschätzte Schriften bewährte. Seine, ihrer Zeit berühmte Kunstkammer kam nach seinem Tod nach Leutkirch. Eine gedruckte Beschreibung derselben mit vielen Kupferstichen erschien 1660. Der Leutkirchsche Physikus, Gabriel von Furtenbach, war der Verfasser der oben erwähnten Chronik. – Ein anderes berühmtes Geschlecht, von welchem in Leutkirch ein Zweig blühte, ist das schweizerische der Zollikofer.

Die Hauptnahrungsquelle der Einwohner fließt aus dem Feldbau in Verbindung mit der Viehzucht. Über zwei Drittheile der Bürger besitzen eigene Felder, wenn| auch zum Theil in beschränktem Umfang. Ausschließlich von Gewerben leben Wenige. Die Einwohner sind arbeitsam und ökonomisch; dennoch kann ihr Wohlstand im Allgemeinen nur mittelmäßig genannt werden.

Das Areal der Stadtmarkung beläuft sich auf 55324/8 Morgen, davon sind 2/5 Ackerland, welches, da keine Vereinödung besteht, flürlich gebaut wird. Nur auf 420 Morgen ist der Bau willkürlich. Das Nähere über die einzelnen Kulturen zeigt die beigefügte Tabelle. Der Feldbau umfaßt die gewöhnlichen Fruchtgattungen; in neuerer Zeit werden auch Versuche mit dem Repsbau gemacht. Klee und Kartoffeln werden in großer Menge gebaut. Wenig von Belang ist der Gartenbau, doch gibt es einige hübsche und wohl unterhaltene Gartenanlagen, z. B. des Stadtschultheißen Früh und des Apothekers Köbel. Für die Obstkultur kann bei den hiesigen klimatischen und Bodenverhältnissen nichts Bedeutendes gethan werden. Es besteht übrigens hier eine nicht unbedeutende Oberamtsbaumschule, aus welcher meistens die erforderlichen Bäume für den Satz an den Straßen gegen einen billigen Preis abgegeben werden. – Die Viehzucht wird als einer der wichtigsten Nahrungszweige betrieben. Zwar fand bisher noch theilweise Waidetrieb Statt, während mehrere einzelne Viehhalter schon seit einer Reihe von Jahren Stallfütterung eingeführt hatten; in neuester Zeit aber wird die Stallfütterung allgemein, weil der Waldtrieb nicht mehr gestattet und eine andere Waide seit der Vertheilung der Allmand (1825) nicht mehr vorhanden ist.

Leutkirch hat keine fabrikmäßigen Gewerbe, aber beinahe alle gewöhnlichen Professionen, welche die Stadt und nächste Umgegend mit ihren Bedürfnissen versehen. Die Vorneigung zur Feldökonomie ist übrigens einem höheren Aufblühen der Industrie nicht günstig. Die zahlreichsten, aber auch zum Theil die ärmsten Gewerbleute sind die Leinwandweber. Von einer sehr bedeutenden Höhe der Blüthe in vergangenen Jahrhunderten sank dieses Gewerbe| mit dem damit verbundenen Handel auch hier, wie in dem benachbarten Isny, Memmingen u. a., tief herab. Doch haben neuere Conjuncturen wieder etwas mehr Leben in diesen Industriezweig gebracht. Die hiesigen Weber sind theils Lohn-, zum größeren Theil aber Verkaufweber, die ihre Fabrikate (vorzugsweise rohe Leinwand) im In- und Ausland, hauptsächlich nach der Schweiz absetzen. Insbesondere wird Pack- oder Sackleinwand (sogenannter Rupf) verfertigt, die in ziemlich großen Quantitäten ebenfalls in der Schweiz, und, in Salzsäcke verarbeitet, nach den inländischen und Badischen Salinen verkauft wird. – Nächstdem können genannt werden die Gewerbe der Färber (Leinwandfärben, Rothfärben), der Tuchmacher, der Strumpfweber, welche auswärtige Meister, z. B. in Wurzach, beschäftigen, der Rothgerber, der Gold- und Silberarbeiter, der Schlosser, der Schreiner, etc. Von Kunstgewerben ist nur eine nicht bedeutende Buchdruckerei aufzuführen.

Von Wasserwerken bestehen 4 Mahlmühlen, von welchen eine der Stadt gehört[4], 4 Gerstenmühlen, 1 Öl- und 1 Sägmühle, ein Eisenhammer. Diese Werke leiden häufig an Wassermangel. Auch ist die Stadt im Besitz einer bedeutenden Ziegelbrennerei (s. u.). Catasteransatz 63 fl. 54 kr.

Wirthschaften und Getränkefabrikation mit einem Catasteransatz von 248 fl. 59 kr., bestehen in 18 Schildwirthschaften, 14 anderen Wirthschaften, 10 Bierbrauereien und 6 Branntweinbrennereien.

Nebengewerbe lassen sich keine nahmhaft machen. Einige Personen beschäftigen sich mit Mousselinsticken und mit Stricken, doch ist dieser Erwerbzweig ganz unbedeutend.

Der Handel erhebt sich nicht über den Kleinhandel und erstreckt sich gewöhnlich nur auf die Artikel des lokalen Bedürfnisses. Es bestehen 13 Handlungen, worunter 1 Eisenwaarenhandlung und 1 Lederhandlung, 4 Spezereihandlungen,| welche zugleich Ellen-, Seide- und Baumwolle-Waaren, Tuch und Porzellan führen.

Wein und Holzhändler finden sich keine. Nicht unerheblich aber wird der Flachshandel, besonders an den Jahrmärkten betrieben.

Die Gewerbeliste nach der neuesten Aufnahme enthält 298 Meister mit 47 Gehülfen, nämlich: 15 Bäcker, 3 Band- und Bortenwirker, 4 Barbiere, 2 Blättersetzer, 1 Bleicher, 1 Brunnenmacher, 1 Buchbinder, 1 Buchdrucker, 2 Büchsenmacher, 5 Bürstenbinder, 1 Dosenmacher, 3 Dreher, 2 Färber, 2 Flaschner, 2 Glaser, 3 Goldarbeiter, 1 Gürtler, 4 Hafner, 1 Hutmacher, 1 Kaminfeger, 1 Kammmacher, 3 Karrenfuhrleute, 2 Kartenmacher, 1 Kleemeister, 2 Knopfmacher, 2 Kornmesser, 5 Küfer, 2 Kupferschmiede, 3 Lackirer, 90 Leinenweber (41 um den Lohn), 1 Lumpensammler, 3 Maurer, 1 Messerschmied, 24 Metzger, 4 Musiker, 4 Nagelschmiede, 1 Pflästerer, 1 Rechenmacher, 4 Roth-, 1 Weißgerber, 6 Säckler, 3 Sattler, 3 Schirmmacher, 4 Schlosser, 2 Schmiede, 7 Schneider, 10 Schreiner, 19 Schuster, 3 Seifensieder, 2 Seiler, 4 Strumpfstricker, 5 Tuchmacher, 1 Tuchscheerer, 1 Uhrmacher, 3 Wagner, 1 Zeugmacher, 1 Ziegler, 3 Zimmerleute, 1 Zinngießer, 3 Zuckerbäcker, 1 Zundermacher. Catasteransatz 515 fl. 30 kr.

Die Stadt hat vier Jahr- (Krämer- und Vieh-) Märkte, und außer diesen alle Monate einen Viehmarkt. Die Jahrmärkte sind sehr stark besucht und die monatlichen Viehmärkte von ziemlicher Bedeutung. Es wird sehr viel Vieh von Schweizern, nicht weniges auch von Unterländern aufgekauft. Siehe oben. – Sehr bedeutend ist die Durchfuhr; die Frequenz auf der Straße von Memmingen nach Lindau gehört zu den stärksten des ganzen Landes. Die Hauptgegenstände der Durchfuhr bestehen in Getreide, Holz und Salz, aber auch der Transit von Kaufmannsgütern ist von Bedeutung. Regelmäßige Botenfuhrwerke gehen von hier nach Memmingen, Kempten, Isny, Lindau und Ravensburg. Außerdem gehen mehrere regelmäßige| Frachtfuhren von Nürnberg, München, Augsburg etc. nach Lindau, von Ulm nach Isny, von Biberach nach Isny u. a. hier durch.


Gemeindewesen.

Die Öconomie der Gemeindecorporation ist in einem sehr guten Zustande. Ihr Vermögen, das seit 1837 mit keinen Schulden mehr belastet ist, beläuft sich an liegenden Gütern, Gebäuden, Revenuen und Capitalien auf ungefähr 500.000 fl. Der bedeutendste Besitz darunter ist der große Stadtwald von 1620 Morgen. Das Nähere siehe in der Tabelle Nro. 4.

Das Stiftungs-Vermögen wird unten bei den kirchlichen und wohlthätigen Anstalten im Einzelnen angegeben werden.

Die bürgerlichen Nutzungen bestehen in einer jährlichen Holzgabe von 1 Klafter Tannenholz gegen Bezahlung des Scheiterlohns, und in einem Allmandtheil, dessen Ertrag sich auf 2–11 fl. jährlich beläuft.

Das Wappen der Stadt besteht in einem gelben Felde mit dem Reichsadler, und in einem blauen mit einer Kirche. Bisweilen findet sich auch auf ältern Wappen die Kirche auf einem besondern Schild in Mitten des Reichsadlers.


Kirchliche Einrichtungen, Schulanstalten; ehemaliges Frauenkloster.
Für die evangelische Stadtgemeinde besteht eine Pfarrei mit zwei Geistlichen, einem Stadtpfarrer und einem Diacon, welche dem Dekanat Ravensburg untergeordnet sind. Ihre Ernennung steht dem Landesherrn zu. Filialisten hat die Pfarrei, außer den einzelnen in andern Orten des Oberamtsbezirks lebenden Evangelischen, keine. Das Pfarrhaus, in welchem beide Geistliche wohnen, ist ein städtisches Gebäude. Über die Gründung dieser Pfarrei wird das Nöthige unten bei der Geschichte der Stadt gesagt werden.| Früher waren gewöhnlich drei Pfarrer angestellt, deren jüngstem der lateinische Schulunterricht übertragen war. Gegenwärtig ist der letztere eine Obliegenheit des Diacon. Die evangelische Kirchenpflege, Dreifaltigkeits-Pflege genannt, besitzt (laut Rechnung auf den 30. Juni 1841):
 an Aktivcapitalien 6.765 fl.    
 an Gefällen im Capitalwerth 2.160 fl. 40 kr.
 an Ersatzposten 747 fl. 53 kr.
 an Grundstücken  100 fl. 
9.773 fl. 33 kr.
Hierauf haften
 Passiva, unverzinslich  1.200 fl. 
Rest 8.573 fl. 33 kr.
Eine uralte und sehr bedeutende Pfarrei ist die katholische zu St. Martin. Es gehören in dieselbe die katholischen Bewohner von Leutkirch, beinahe die ganze Gemeinde Wuchzenhofen (s. d.), über 500 Seelen der Gemeinde Herlatzhofen (s. d.), und die Parzelle Mailand (Gemeinde Reichenhofen), zusammen ein Sprengel von 2.300 Seelen. Anfänglich oder nach dem Erlöschen der Hohenstaufen, war sie eine Reichspfarrei, deren Besetzung nur dem Kaiser zustand. Kaiser Carl IV. aber schenkte sie 1352 mit allen Rechten und Einkünften dem Gotteshause Stambs in Tyrol. Die päbstliche Bestätigung dieser Schenkung erfolgte erst 1378. Im Jahr 1547 aber schloß Stambs mit der Reichsabtei Weingarten einen Tauschvertrag, wonach die Pfarrstelle Leutkirch mit ihrem Patronat und ihren Revenuen an die letztere übergieng. Nach Aufhebung dieser Abtei giengen diese Rechte an Nassau-Oranien und von diesem 1810 (wenigstens das Patronat und ein Vogtrecht von 750 fl.) durch Kauf an den Freiherrn Franz Conrad von Ratzenried über. Aus den letzten Händen (s. O.A.Beschr. v. Wangen S. 244) erhielt diese Rechte der Graf Beroldingen auf Ratzenried. In Folge gerichtlicher Entscheidung eines Rechtsstreites mit dem Staat vom 10. April 1840 bezieht der Graf die| pfarrlichen Zehenten, verzichtet aber auf das Vogtrecht und zahlt an die Pfarrei jährlich 1200 fl. in Geld und Naturalien, wogegen die Krone das Patronatrecht ausübt. Die Pfarrwohnung wird gegenwärtig neu gebaut. – Vor der Reformation befanden sich bei der Pfarrei 9 Caplaneien oder Pfründstiftungen. Nach einem Vertrag mit Weingarten wurden drei derselben, die Hospital-, St. Anna- und Nicolaus-Pfründe für den Unterhalt der evangelischen Geistlichen eingezogen; von zwei weiteren, der St. Jakobs- und St. Genoveven-Pfründe wird der katholische Organist und Schullehrer unterhalten. Die vier übrigen Pfründen bestehen noch in folgender Weise: die Mariencaplanei (gestiftet von Leonhard Itter 1346) und die Leonhardscaplanei (gestiftet 1419 von der Bürgerschaft) wurden 1664 vereinigt; das Patronat derselben gieng von Stambs auf Weingarten, Nassau-Oranien, Ratzenried und Beroldingen über. Die St. Johanniscaplanei, jetzt die Winkler’sche genannt, gestiftet 1421 von Anton und Hans Amann, Bürger zu Ravensburg, hatte nach den Amannen zu Patronen die verwandte Familie der Feuchtwecken, welche dieses Recht 1577 an die Winkler’sche Familie in Günzburg abtrat, in deren Besitz dasselbe noch ist. Die St. Kilianscaplanei ist nach Willerazhofen transferirt worden (s. d.). So bestehen also in Leutkirch noch zwei Kapläne, deren einer, der Mariencaplan, nebenbei noch Präceptoratsdienste zu versehen hat. – Die St. Martinspfarr-Pflege besitzt (laut Rechnung auf den 30. Juni 1841)
 an Capitalien 15.250 fl.    
 an Gefällen im Capitalwerth 7.300 fl. 38 kr.
 an Grundeigenthum  467 fl.  30 kr.
23.018 fl. 8 kr.
Schulanstalten. Es besteht eine lateinische Schule mit einer Realabtheilung, an welcher der evangelische Diacon, ein katholischer Caplan und ein Collaborator unterrichten. Die evangelische deutsche Schule hat drei Lehrer, darunter den ebengenannten, auch hiebei beschäftigten| Collaborator. Das evangelische Schulhaus und die Lehrerwohnung sind städtische Gebäude. Die katholische Schule für den Pfarrsprengel hat einen Hauptlehrer mit den nöthigen Gehülfen. – Eine Industrieschule für Mädchen ist nicht von sonderlichem Belang.

Bis zum Jahr 1804 bestand ein Frauenkloster, die Schwestern-Clause genannt, deren Gebäude östlich an der katholischen Pfarrkirche gelegen, mit dieser durch einen Gang verbunden war. Schon im Jahr 1281 soll acht Klosterfrauen, Augustiner-Ordens, eine Wohnung eingeräumt, diese aber durch die Pest gänzlich entvölkert worden seyn und lange leer gestanden haben. Darauf wurde von dem Magistrat die Klausnerin Franciskaner Ordens, Anna Laydts von Memmingen in die verlassene Clause berufen, welche mehrere Schwestern um sich versammelte, die nun 1486 die dritte Regel des h. Franciskus annahmen und sich die Schwestern von der Clause oder Maria Nazareth nannten. Pabst Alexander VI. bestätigte 1494 die Stiftung, welche unmittelbar dem Bischof in Constanz untergeben war. Die Schwestern ernährten sich hauptsächlich mit Leinwandbereitung, und wußten sich durch gute Öconomie in den Besitz einiger Höfe und Güter zu setzen. Im Jahr 1503 wurde die alte Clause abgebrochen, und weil der Magistrat und die Bürgerschaft zur Erbauung der neuen großen Vorschub thaten, so stellte sich das Kloster aus Dankbarkeit unter der Stadt Schutz und Schirm, und bezahlte alljährlich ein Schirmgeld von 1 Pfund Heller. Im Jahr 1635 starben von 17 Schwestern 13 an der Pest. Im Jahr 1804 wurde von der bayrischen Regierung auch dieses Klösterlein aufgehoben, das Gebäude an Privaten verpachtet und später veräußert.

Unter den wohlthätigen Stiftungen ist vor allen zu nennen: das Hospital zum h. Geist (St. Anton, St. Wendelin und St. Elisabeth), ums Jahr 1418 von der Stadt gestiftet. Der Hauptwohlthäter war Hans Weyer, Bürger in Memmingen, der seine Behausung und Hofstatt| am obern Thor und 100 Pfund Heller dazu gab. 1427 schickte der Magistrat einen Bürger aus, um in der Nähe und Ferne zu collectiren. Bald gelangte die Stiftung zu einem ansehnlichen Vermögen mit einem ziemlich geräumigen Gebäude und einer eigenen Kirche. Einen bedeutenden Theil seiner Einkünfte verdankt es, wie oben gesagt worden, dem Dr. Joh. Fabri. Seine Bestimmung ist noch immer die Aufnahme und Verpflegung alter und gebrechlicher Personen, welche weder eigenes Vermögen haben noch Unterstützung von Angehörigen genießen. Außerdem hat die Spitalpflege theilweise auch die Geistlichen und Schullehrer, so wie einige sonstige städtische Officianten und Diener zu besolden.

Der Etat dieser Pflege wurde für 1841/42 angenommen zu

8.214 fl. 13 kr.   Einnahmen
6.934 fl. 39 kr.   Ausgaben
1.279 fl. 33 kr.   Überschuß.
Capitalien waren den 1. Juli 1841 angelegt    62.085 fl.
Güter und Gebäude sind angeschlagen zu    27.895 fl.

(letztere laufen in der Brandversicherung zu   15.025 fl. Der jährliche Ertrag der verpachteten Güter und dreier Gebäude beträgt aber 2.271 fl., und der Capital-Anschlag ist somit offenbar allzugering in den Rechnungen angegeben.)

Der Capitalwerth sämmtlicher Gefälle aus Lehengütern und Zehenten auf hiesiger und mehreren auswärtigen Markungen und an Grundzinsen ist – ebenfalls offenbar zu niedrig – angenommen zu 28.719 fl. Die Passiva des Hospitals bestehen in Ersatzposten, von Bayern herrührend, mit 4.036 fl. 55 kr. Zehentauslosungen und Gegenleistungen an Gefällpflichtige im Capitalbetrag von 3.020 fl.

Mit der Hospital-Pflege ist seit 1827 auch die ehemalige Leprosen- oder St. Leonhardi-Pflege vereinigt, deren Vermögen besteht in

 Kapitalien 4.828 fl.    
 Ersatzposten 736 fl.   26 kr.
 Vorschüsse 125 fl.
 Ausstände 184 fl.
 Gebäude 3.000 fl.
 Waldungen 1.000 fl.
 Kapitalwerth der Gefälle   4.253 fl.   20 kr.
14.126 fl.   46 kr.
 Passiva   1.235 fl.   34 kr.
Rest 12.891 fl.   11 kr.
| Das Leprosenhaus wurde 1819 zu einem Krankenhaus eingerichtet, die Kapelle dabei aber abgebrochen.

Mit der Armenpflege, welche namentlich die wöchentlichen Austheilungen von Almosen zu bestreiten hat, und ein Vermögen von 16.000 fl. besitzt, sind schon seit vielen Jahren alle diejenigen Familienstiftungen kombinirt, welche die Armenunterstützung zum Zweck haben. Dahin gehören die Bachmeiersche, die Fabrische, Bernhardische und andere Stiftungen.

An sonstigen Familienstiftungen sind vorhanden:

 die Stiftung des Pfarrers Maucher († 1660) für katholische Studierende und Handwerkslehrlinge, im Betrag von 3000 fl.;  
 die Stiftung des Pfarrers Waibel († 1742) zu denselben Zwecken mit 3500 fl.;
 die Stiftung des Pfarrers Purtscher († 1786) zu Hebung der katholischen Kirchenmusik 200 fl.;
 die Schul- und Musikstiftung des Pfarrers Rittler († 1833) mit 300 fl.;
 die Gösersche Handwerksstiftung mit 500 fl.;
 die Max Maiersche Familienstiftung zur Unterhaltung eines Familien-Epitaphs und zur Förderung der Musik mit 1500 fl. 


Sonstige Anstalten.

Durch die hier befindliche Postanstalt ist die Stadt in Verbindung gesetzt mit Ulm und Stuttgart über Wurzach, mit Augsburg und München über Memmingen etc.

Brücken führen über die Eschach und den Rauns| drei steinerne und zwei hölzerne innerhalb, und zwei steinerne außerhalb Etters; eine hölzerne inner- und eine steinerne außerhalb Etters führt über den Mühlbach und eine steinerne innerhalb über den Falterbach; dazu kommen noch einige kleinere hölzerne. Mit Ausnahme der steinernen außerhalb Etters muß die Stadt sämmtliche Brücken unterhalten, bezieht jedoch kein besonderes Brücken- wohl aber Pflastergeld, unter welchem jenes begriffen ist.

Das Straßenpflaster ist seit 1831 in der Hauptstraße und seit 1842 auch in den Nebenstraßen gut, so weit es bei der Beschaffenheit des Materials (Gerölle) seyn kann. In einer zureichenden Straßenbeleuchtung besitzt Leutkirch eine Anstalt, mit welcher es manche namhaftere Stadt beschämt.

Die städtischen Brunnenanstalten sind gut, und versehen die Bewohner hinlänglich mit vorzüglichem Trinkwasser. Eine eigentliche Badanstalt hat die Stadt nicht; doch ist bei der Hammerschmiede die Einrichtung getroffen worden, daß Schlackenbäder genommen werden können. Ein Bad in dem sogenannten Krähenloch genoß in älteren Zeiten vielen Kredit; man schrieb der Quelle mineralischen Gehalt zu, wovon man gegenwärtig keine Spur wahrnehmen soll. Bemerkenswerth sind die fünf Fischweiher, die der Stadt zugehören, unter welchen der eigentlich sogenannte Stadtweiher der bedeutendste ist. Sie werden regelmäßig mit Karpfen besetzt; es finden sich aber auch Hechte und einzelne Dreuschen. Eine mehrtägige Lustbarkeit, an welcher Alt und Jung Antheil nimmt, gewährt das von drei zu drei Jahren wiederkehrende Fischen des Stadtweihers im Spätjahr.

In dem oben erwähnten Theater geben hiesige Liebhaber dramatischer Spiele bisweilen Vorstellungen.

Rühmliche Erwähnung verdient das neuerdings sehr wohl geordnete städtische Archiv. Nicht von sonderlichem Belang ist die Stadtbibliothek, deren Grund von dem evangelischen Pfarrer Müller († 1658) gelegt wurde; sie| enthält einige gute ältere Werke, ist aber seit lange nicht mehr fortgesetzt worden.

Unter den nächsten Umgebungen der Stadt zeichnet sich durch eine sehr schöne Aussicht und einige im Tannengehölz angebrachte angenehme Anlagen die Wilhelmshöhe, unmittelbar über der Stadt, aus, früher der Hochberg genannt.[5] Unweit derselben befindet sich die artig angelegte städtische Schießstätte.

Der Begräbnißplatz, südlich von der Stadt, hat nichts Ausgezeichnetes.


Geschichte und frühere Verhältnisse.
Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß die Stadt ihre allmälige Entstehung, so wie ihren Namen einer Kirche zu danken hat, welche als eine der ältesten der Gegend die Mutterkirche eines sehr ausgedehnten Sprengels war, und noch in späteren Zeiten, ehe verschiedene Auspfarrungen eintraten, mehr als die Hälfte der Freien (s. oben) in sich begriff. Eine solche Parochialkirche hieß in alten Zeiten sehr gewöhnlich Liutkirche, so wie der Parochus oder plebanus Leutpriester. So wird z. B. in einer Nachricht vom Jahr 1314 die uralte Pfarrkirche zu Owen die „Luitkirche ze Owen" genannt, O.A.Beschr. v. Kirchheim S. 249. Um die Kirche her erwuchs allmälig der Ort, der in einer St. Galler Urkunde vom Jahr 827 kurzweg Chirichun heißt, indem eine Rachilt unam hobam Fruachonolui (?) in Nibalgauwe ad Chirichun dem Kloster St. Gallen vergabt (Neug. n. 233). Sechzehn Jahre später erscheint schon der Name Liutchirichun in der Tauschurkunde eines gewissen Reginbold vom Jahr 843 (Neug. 304), der von St. Gallen gegen andere Güter alles dasjenige erhält, was eine gewisse Ohilt in Enenhovun (s. O.A.Beschr.| von Wangen S. 150) et ad Liutchirichun besessen und diesem Kloster vermacht hatte.[6] Im Jahr 1239 finden wir Leutkirch bereits als einen ummauerten Ort; denn der Vertrag des Klosters Isny mit dem Stift Kempten (s. O.A.Beschr. von Wangen S. 199) ist abgeschlossen in burgo Luitkirch. Wir wissen nicht, ob Leutkirch zu den Welfischen, nachmals Hohenstaufischen Besitzungen gehört und sich erst nach dem Erlöschen der letzteren Dynastie in Freiheit gesetzt habe, oder ob es jederzeit ein Komplex von Gemeinfreien war; jedenfalls war die Stadt in älteren Zeiten immer in engster Verbindung mit den Freien auf der Haide und ihre (gleich nachher anzuführenden) Verpfändungen lauten zugleich auf den Komitat über die freien Leute. Im Jahr 1293 erhält die Stadt von K. Adolph alle Rechte und Freiheiten der Stadt Lindau, was K. Ludwig IV. 1332 bestätigt (Lünig R. A. XIII. p. 1286. p. 1461.) Schon 1311 wurde sie an Dietegen von Kastell verpfändet (s. Zeil), doch schon 1312 von König Heinrich VII. auf ihr Anrufen befreit und gegen weitere Pfändungen privilegirt. (Orig.- Urk. im St. Arch. Lünig XIII. p. 1490). Allein diese Verpfändungen wiederholten sich eben so oft, als die Bestätigung ihres Privilegiums. Zwischen den Jahren 1314 und 1322 versetzte Friedrich der Schöne die Stadt und Grafschaft Leutkirch nebst Zubehör dem Grafen Hugo von Bregenz (erwähnt in der Urk. n. 7 bei Wegelin), wogegen Ludwig der Bayer die Stadt von aller Pfandschaft ledig sprach, Urk. von Ravensburg 1322 (Lünig). Aber derselbe Ludwig bestätigt 1330 dem Grafen Hugo obige Pfandschaft, und schlug in demselben Jahre 700 Mark Silbers und | 1333 weitere 200 Mark auf dieselbe Pfandschaft (Wegelin n. 8 und 9), ungeachtet er 1332 den Freiheitsbrief der Stadt bestätigt hatte. Die Grafen von Montfort-Tettnang, welchen Graf Hugo diese Verpfändung abgetreten hatte, blieben bis 1384 im Besitz der Pfandschaft, in welchem Jahr die Stadt sich auslöste (Verzichtbrief Graf Heinrichs bei Wegelin n. 16). Übrigens erstreckte sich das Recht, welches durch eine solche Verpfändung eingeräumt wurde, in der Regel nur auf das Ammannamt, den Bezug der Reichssteuer (zu Kaiser Ruprechts Zeit für Leutkirch 100 Pfund Heller) und den Genuß einiger andern nutzbringenden Rechte. Die Stadt verlor dadurch ihre Eigenschaft als freie Reichsstadt nicht, als welche sie auch vom Jahr 1356 bis 1488 den verschiedenen Bündnissen der Städte und Fürsten beitrat, vom letztgenannten Jahre bis 1522 dem Schwäbischen Bunde angeschlossen war, den Reichs- und Kreistagen durch ihre Abgeordneten anwohnte, und die Reichsabschiede, besonders von 1500–1654, mit unterzeichnete. Im Jahr 1373 gab ihr Kaiser Karl IV. das Recht, einen Zoll zu erheben, das folgende Kaiser bestätigt und erweitert haben, 1431, 1434, 1514, das jedoch die Stadt in manche Verdrießlichkeiten mit den Nachbarn, namentlich den Truchseßischen, verwickelte, weßwegen in den Jahren 1515, 1604 und 1681 mit Zeil Vergleiche abgeschlossen wurden. Schon 1336 erhielt Leutkirch von König Ludwig dem Bayer die Freiheit, vor kein auswärtiges Gericht berufen zu werden, die 1366, 1438 und 1502 bestätigt wurde; 1431 ertheilte K. Sigmund das Recht, über Leben und Tod zu richten, nachdem K. Wenzeslaus 1395 und Ruprecht 1401 den Blutbann nur auf eine Reihe von Jahren verliehen hatten. Die freie Jagd wurde durch Vertrag von 1545 auf die niedere Jagd beschränkt, indem die österreichische Landvogtei sich die hohe vorbehielt. Daß Leutkirch eine der Malstätten des kaiserlichen Landgerichts auf der Haide und in der Pürs war, vom Jahr 1514 an aber diese Ehre nicht mehr genoß, ist oben schon gesagt worden. | Nachdem die Stadt von den Montfort sich gelöst und mit dem Blutbann das letzte noch fehlende Attribut einer freien Reichsstadt erworben hatte, ordnete sie ihre Verfassung und Regierungsform, wie sie in der Hauptsache bis zur Aufhebung ihrer Unabhängigkeit bestanden hat. Es waren drei Kollegien, Rath, Gericht und Gemeinde. Der Rath bestand aus zwei, jährlich abwechselnden Bürgermeistern, dem Stadtammann, drei Geheimen und neun Rathsherren. Dem Rath war ein Rechtskundiger mit einem Votum deliberativum zugeordnet. Das Gericht zählte 12 Personen, außer dem präsidirenden Stadtammann; es hatte über Schuld- und Gantsachen zu erkennen. Die Gemeinde bestand aus 10 Bürgern, die aber nur zu der jährlichen Wahl und in besondern wichtigen Fällen beigezogen wurden. Patriciat war keines vorhanden. Der Charakter der Verfassung war, wie in allen ähnlichen Städten, eine Mischung von Aristokratie und Demokratie; doch letztere in so fern überwiegend, als kein Patriciat bestand, und der Rath von den vier, später acht Zünften, worunter die Weberzunft die stärkste war, gewählt wurde.

Auf Kreistagen hatte Leutkirch die 21ste, auf der schwäbischen Städtebank die 28ste Stelle. Der Reichsmatrikular-Anschlag betrug zuletzt 21 fl., ein Kammerziel 42 Rthlr. 19½ kr. Der Kreisanschlag 14 fl. Das Kontingent 6 Mann zu Fuß, 1 zu Pferd.

Rings von den Orten der freien Haide umgeben, konnte Leutkirch keine auswärtigen Erwerbungen machen, sondern blieb auf seine Markung und die Nahrungsquellen beschränkt, welche aus der Feldökonomie und besonders in früheren Zeiten aus der Leinwandfabrikation, auch dem Transit der Güter aus und nach Italien und Tyrol floßen. In Beziehung auf letztere Industriezweige theilte Leutkirch das Schicksal seiner Nachbarstädte, namentlich Isny und Memmingen, in welchen die Weberei und der Handel mit dem Süden im 15. und 16. Jahrhundert in hoher Blüthe standen, aber seit ihrem Herabkommen sich nie wieder| erholt haben. Siehe Oberamts-Beschreibung von Wangen Seite 192, 205. Mit den genannten Städten kam Leutkirch auch in dem Eifer überein, mit welchem es der Sache der Reformation sich annahm. Zwar hinderte Dr. Joh. Fabris gewaltiger Einfluß die Anhänger der neuen Lehre lange Zeit, für diese offene Schritte zu thun. Aber schon 1525 hatte ein Kemptenscher Prediger, Matthias Waibel aus Martinszell, der gefänglich hier eingebracht worden war, und von seinem Gefängnisse aus mehrmals zum Volke predigte, eine lebhafte Theilnahme erregt, die sich noch steigerte, als Waibel auf dem Transport nach Waldsee zu Truchseß Georg von dem Profoß der schwäbischen Bundestruppen, Achelin, dem letzten Wissenden des westphälischen Gerichtes, in der Nähe der St. Wolfgangskapelle aufgeknüpft wurde, und nun dem Volke in der Glorie eines Märtyrers erschien. Doch nahm die Reformation selbst erst 1546, fünf Jahre nach dem Tode Fabris, ihren eigentlichen Anfang und wurde nun mit dem Ungestüm betrieben, der auch in andern Städten, namentlich in Isny, diese Bestrebungen begleitete. Die Bürger, voran die Weberzunft, erregten einen Aufstand, verjagten den Pfarrer, Ulrich Freiherr, wiewohl er des Bürgermeisters Sohn war, mit sämmtlichen Priestern aus der Stadt, und bemächtigten sich der Pfarrkirche und aller Stiftungen mit Gewalt. Die vertriebene Geistlichkeit begab sich nach dem benachbarten Wuchzenhofen, wo sie unter dem Schutz der Landvogtei zwei Jahre lang verblieb. Inzwischen war beinahe die ganze Bürgerschaft dem Augsburgischen Bekenntnisse und dem schmalkaldischen Bunde beigetreten, und hatte einen Prädikanten aus Memmingen, Hans Schalheimer, in ihre Dienste genommen. Aber der Ausgang des schmalkaldischen Krieges und das Interim 1548 führte die Geistlichkeit wieder nach Leutkirch und in den Besitz der St. Martins-Pfarrkirche zurück; der lutherische Prädikant wurde fortgeschickt, der Rath mit Katholiken besetzt. Erst 1551 wurde| wieder ein protestantischer Pfarrer, David Braun von Rotenacker, angestellt, und der lutherischen Religionsübung die Hospitalkirche eingeräumt. Nun folgten aber lange Streitigkeiten mit dem Inhaber der St. Martins-Pfarrkirche, Abt Gerwik von Weingarten, die erst durch einen im Jahr 1562 unter Vermittlung des Abtes Johannes zu Roggenburg, des Landkommenthurs Sigismund Freiherrn von Hornstein und der Städte Ulm und Biberach zwischen der Stadt und der Abtei Weingarten abgeschlossenen Vergleich ihre Endschaft erreichten, wornach der evangelischen Bürgerschaft der Gottesdienst in der Spitalkirche verbleiben, und zum Unterhalt ihrer Geistlichen die Spital-, St. Anna- und St. Nikolaus-Pfründen überlassen, und nie mehr als fünfundzwanzig katholische Bürger ohne die Beisitzer geduldet werden sollten. Die katholische St. Martins-Pfarrkirchenpflege sollte zwar von dem protestantischen Magistrat verwaltet, aber nur der Überschuß zum Besten des lutherischen Kultus verwendet werden. Neue Händel verursachte die 1583 von Kaiser und Papst angeordnete und von dem katholischen Pfarrer verkündigte Einführung des verbesserten Kalenders, da sich der protestantische Rath zwanzig Jahre lang hartnäckig sperrte, diesen Fortschritt anzuerkennen. Als er sich endlich dazu bequemte (1602 den 20. August), war die über solche Neuerung empörte Bürgerschaft kaum zu besänftigen. „Gott verzeichs denen, die darein konsentiret haben," setzt der Chronist hinzu. Bei den obigen Bestimmungen in Kirchensachen, namentlich bei der Beschränkung der katholischen Bürger auf die Zahl von fünf und zwanzig Ehen, blieb es im Wesentlichen, bis die allgemeinen Toleranzgesetze unter den Regierungen von Bayern und Württemberg jede Einengung bürgerlicher Freiheit in Beziehung auf die Konfession aufhoben. Was die besondern Schicksale dieser Stadt betrifft, so sind auch hier der schweren Kalamitäten mehr als genug aufzuzählen, welche durch Feuersnoth, Aufruhr und Kriegsdrangsale, Theurung, Hunger und Seuchen über ihre| Bewohner gekommen sind, und welche, so weit sie sich im Lauf des dreißigjährigen Krieges ereigneten, in dem oben genannten Gabriel Furtenbach einen eigenen Geschichtschreiber gefunden haben. Wir beschränken uns auf eine kurze Angabe der wichtigsten. Den 26. August 1540 wurde die ganze untere Stadt ein Raub der Flammen. 1630 und 1729 wüthete das Feuer in derselben Gegend der Stadt. Eine sehr gefährliche Feuersbrunst wurde 1797 den 6. Okt. durch eine wahnsinnige Weibsperson angelegt, wobei acht Häuser und ein Stadel in Flammen aufgingen. Pestartige Seuchen rafften 1547 binnen eines halben Jahres 700, im Jahr 1628 in gleicher Zeit 150, im darauf folgenden Jahr 120 Personen weg. Aber das jammervollste Jahr war in dieser Beziehung 1635. Es starben von der protestantischen Gemeinde 682. Ganze Ehen starben aus 52, ganze Häuser 26. Nach der Seuche waren noch vorhanden 37 Ehen und 19 Schulkinder. Die katholische Kirchengemeinde zählte vor der Pest 1500 Kommunikanten, nach derselben nicht volle hundert. Von dem Frauenkonvent in der Klause, der 17 Schwestern zählte, blieben nur 4 am Leben. Nicht minder gräßlich wüthete der Tod unter den Landleuten der Umgegend. Bettelhofen und Kimmeratzhofen (letzteres bayerisch) starben ganz, Heggelbach, Tautenhofen und Willeratzhofen bis auf 3 oder 4 Menschen aus. Aus derselben Ursache, wie in Isny (s. O.A.Beschr. von Wangen S. 205), ereignete sich auch hier den 9. Okt. 1620 ein Aufstand der Weberzunft, die es nicht dulden wollte, daß Leinwand aus fremden Orten in die Stadt geführt und hier ausgerüstet werden dürfte. Die Weber bemächtigten sich des Rathhauses und wollten mit Gewalt die Zurücknahme dieser magistratischen Anordnung ertrotzen, was ihnen zwar für den Augenblick nicht gelang. Das Ende des Handels aber, der für die Obrigkeit eine sehr drohende Gestalt annahm, war jedoch, daß der Magistrat nachgab und die Einfuhr fremder Leinwand abstellte, übrigens das Schaugeld für die hiesige erhöhte, und der widerspenstigen| Zunft „eine vätterliche Straff von 100 Pfund Pfennig binnen 8 Tagen gemeiner Statt zu bezahlen" auferlegte.

Den Jammer, welchen der dreißigjährige Krieg über die Stadt brachte, können wir hier unmöglich im Einzelnen beschreiben. Alle Gräuelscenen, die nur immer aus andern Städten erzählt werden, wiederholten sich auch hier, und es mußte für die protestantische Stadt besonders schmerzlich seyn, daß sie die empörendsten Mißhandlungen nicht von den ligistischen Truppen, sondern von den Schweden, den Beschützern des „lautern Evangeliums,“ zu erdulden hatte. Durchzüge, Lieferungen, eine zweimalige Ausplünderung (1632, 1647), Theurung und Hungersnoth (1622, 1635), Überschuldung der Gemeinden und der Einzelnen schlugen der armen Stadt Wunden, die noch späten Generationen fühlbar blieben. Die neueste Kalamität, die wir zu erwähnen haben, ist das bedeutende Brandunglück, welches den 1. und 3. Juli 1842 über die Stadt kam, und 7 Haupt- und 3 Nebengebäude verzehrte, 12 Hauptgebäude mehr oder weniger beschädigte, 24 Familien zum Theil sehr empfindlich betraf, und einen Schaden von 42.415 fl. an Gebäuden und 19.394 fl. an Mobilien verursachte. Letztere waren übrigens zum größern Theil theils im Inland, theils im Ausland versichert. Die Entstehung ist unbekannt.

Die Staatsveränderungen der neueren Zeit machten der Unabhängigkeit Leutkirchs ein Ende, indem diese Reichsstadt den 14. Sept. 1802 von Bayern in Besitz genommen und demselben durch den Reichs-Deputations-Hauptschluß vom 25. Februar 1803 als Entschädigung zugetheilt, 1810 aber an Württemberg abgetreten wurde. Wie Leutkirch unter Bayern der Sitz eines Landgerichts gewesen war, so wurde es jetzt unter Württemberg der Sitz eines eigenen Oberamts.

Im Jahr 1821 wurden durch K. Entschließung vom 29. Juni die Schulden der Stadt im Betrag von 45.000 fl. neben der zuvor schon bei der Staatsschulden-Zahlungskasse eingewiesenen Kapitalsumme von 60.000 fl. auf den| Gesammtstaat übernommen, nachdem rücksichtlich der näheren Bestimmungen über die Ansprüche der Stadt ein Vergleich abgeschlossen worden war.

Zu der Stadtgemeinde gehören noch die Parzellen:

1) Moosmühle mit 7 kath. Einw. am Einfluß des Floschen und Mühlbachs in den Stadtweiher.

2) Riedlensmühle mit 8 kath. Einw. unweit jener, am Mühlbach.

3) Ziegelstadel, Haus mit 6 evang. Einw., eine Ziegelei, ½ Stunde oberhalb der Stadt an der Eschach, Eigenthum der Stadt. Schon vom Jahr 1429 findet man eine Pachturkunde, wonach der Pächter gehalten ist, seine Waare an die Bürger um einen bestimmten Preis abzulassen. Noch jetzt ist diese Ziegelei mit gleicher Bedingung verpachtet. Der Betrieb ist nicht unbedeutend. Das Pachtgeld beträgt 220 fl.

4) Zollhaus, Haus mit 2 kath. Einw., die ehemalige Zollstätte an der Straße nach Wangen und an der Grenze des ehemaligen reichsstädtischen Territoriums. – Ein abgegangener Ort Zackenhofen lag nach alten Nachrichten (s. oben deutsche Alterth.) bei Leutkirch. Doch läßt sich seine Stelle nicht mehr näher bestimmen.


2. Gemeinde Aichstetten,
siehe unten.


3. Gemeinde Altmannshofen,
siehe unten.

  1. Von Druckschriften, welche Leutkirch insbesondere zum Gegenstande haben, sind unseres Wissens nur vorhanden: 1) des R. St. Leutkirchschen Physikus Dr. Gabriel Furtenbach, „Oberländische Jammer- und Strafchronik, oder historische Beschreibung, darin diejenige denkwürdige, mehrentheils Kriegssachen, so sich von Anno 1618 bis zu Ende des Friedensschlusses zu Leutkirch und andern benachbarten Orthen begeben etc.“ Wangen Anno 1669. 8. Voran (S. 1–30) geht eine „Beschreibung der Stadt Leutkirch und deren Gelegenheit.“ – 2) Geist- und weltliche Geschichte der des heil. Röm. Reichs freyen Stadt Leutkirch, von Johann Wilhelm Loy, evangelischem Prediger daselbst. Kempten 1786. 8. Eine fleißige und verständige Arbeit, wobei jedoch der Verfasser mehr nur die Reformationsgeschichte der Stadt im Auge gehabt hat. – Handschriftlich ist vorhanden von Hieronymus Furtenbach, Bürgermeister in Leutkirch (gest. 1634): „Der Stadt Leutkirch Etliche denkwürdige Sachen;“ fortgesetzt von dessen Sohn, Bürgermeister Hieronymus Furtenbach. Eine von Joh. Bapt. Furtenbach besorgte Abschrift des ersteren Theils verdanken wir der gütigen Mittheilung des Hrn. Gerichtsnotars Späth in Wangen.
  2. Über dieses Verhältniß s. unten.
  3. Wichtig ist in dieser Beziehung sein Sendschreiben an Papst Paul III. im Jahr 1537, in welchem er gegen den heil. Vater eine starke Sprache führt, z. B.: Dispersas itaque et dissipatas oves visitare et congregare necesse erit, nisi Sanctitas Vestra mercenarius, quamdiu perstiterit orbis, ab optimis quibusque praedicari velit. Er gesteht die maculas, rugas et naevos, quibus Ecclesiae facies per abusiones defoedata et deturpata est.
  4. Im Jahr 1397 erhielt die Stadt vom Kaiser Wenzeslaus das Recht, Mühlen zu erbauen.
  5. Dieser Berg ist in seinem Innern sehr wasserreich und auch deßwegen merkwürdig, weil er sich von Zeit zu Zeit (namentlich 1756 und 1767 oder 68) merklich geschoben hat. Siehe Loy, Geschichte S. 14. Über das geschichtliche Interesse dieses Bergs siehe oben.
  6. In der gewöhnlichen Aussprache des Namens Leutkirch ist das t unhörbar, weßwegen in alten Schriften häufig Lewkirch gefunden wird, und selbst der gelehrte J. Fabri Leukhierch schreibt. Hieraus hat denn die Pedanterei jener Zeiten Leofanum gemacht. – Nach einer alten Handschrift (Cod bav. nr. 803 in der Königl. Bayr. Bibliothek in München, citirt von Haggenmüller, Gesch. von Kempten 1, S. 38) soll Leutkirch schon zu den Zeiten des Kemptenschen Abtes Audogar (773–796) erbaut gewesen seyn.
Anmerkungen [WS]
  1. Wikipedia: Johann Fabri