Beschreibung des Oberamts Göppingen/Kapitel B 4
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a) Betzgenried, in alten Zeiten Bechenrieth, evang. Pfarrdorf mit 603 Einw., liegt südlich, 1 St. von Göppingen, an der nach Boll und Wiesensteig führenden Straße. Das Dorf gehört in die III. Classe der Gemeinden und zum Forstamt Kirchheim. Die Zehenten rühren vom Kl. Adelberg her; den großen und einen Theil des Heu-Zehenten bezieht der Staat, der andere Theil des letztern und der kleine ist der Ortspfarrei überlassen. An den übrigen grundherrlichen Rechten des Staats hat die Gemeinde seit 1817 für 1667 fl. 53 kr. abgelöst, worunter alle Laudemien. (S. auch S. 78.)
Die Markung besteht aus der oben S. 6 erwähnten niedrigen Hügellandschaft, welche von zwei kleinen Thälchen durchschnitten wird. Durch das eine derselben fließt der kleine Fullbach, der durch den Zusammenfluß zweier, von Dürnau und Boll herkommender Bächlein entsteht und über Jebenhausen der Fils zufließt; durch das andere Thälchen fließt der von Boll herkommende Heimbach, welcher durch eine hier entspringende Quelle verstärkt wird. In diesem letztern Thälchen, zu beiden Seiten des Heimbachs, liegt auf felsigtem Untergrunde das Dorf. Obgleich diese Bäche in heißen Sommern vertrocknen, so haben sie doch nicht selten bei starken Regengüssen große Zerstörung angerichtet, namentlich am 24. Juli 1770, wo sogar ein Gebäude weggeschwemmt ward. Die Gemeinde zählt 103 Haupt- und 21 Neben-Gebäude. Die an der nordöstlichen Grenze des Dorfes liegende Kirche ist eben nicht schön, aber gut erhalten; die Baulast hat der Heilige, St. Laurentius. Sie wurde ums J. 1611 zu bauen angefangen. In diesem Jahre stellt die Gemeinde vor, daß ihre bisherige, vor dem Dorfe gelegene, Pfarrkirche (s. unten) schon längst abgebrochen worden sey und daß sie seit dieser Zeit die im Dorf selbst stehende, schon 1405 erbaute, Capelle als Pfarrkirche benützt haben. Allein dieselbe sey so klein, elend und baufällig, daß ein Stück nach dem andern herabfalle und „wie man spricht, wohl den Gänsen fürzubrocken.“ Sie wollen daher eine neue Kirche bauen, seyen jedoch „fast insgemein lauter arme Gesellen;“ worauf ihnen ein Beitrag bewilligt ward. Das Pfarrhaus liegt frei und angenehm und wurde 1744 vom Kirchenrath erbaut.
Die hübschen Einwohner sind sehr arbeitsam und ziemlich wohlhabend. Die Luft ist sehr gesund. Den Untergrund des Bodens bildet Letten; daher auf den Äckern Hochbeete geführt werden müssen. Das Brachfeld, zu mehr als 3/4 angebaut, liefert viel Klee, Kartoffeln und Flachs (im J. 1839 über | 2000 Pfd.), der Morgen Ackers erträgt 4 — 8 Sch. Dinkel und 2 – 5 Sch. Haber. Die Baumzucht ist im Zunehmen; der Obstertrag war im J. 1840 7000 Simri. Die Wiesen sind zweimädig; die in den Thälern geben noch ein drittes Gras. Ein Morgen liefert 18 bis 30 Ctr. Bedeutend sind die Rindvieh- und Schafzucht und die Haftung. (S. die Tabelle.) Die Stallfütterung ist schon längst eingeführt. Es werden jährlich 60—70 Centner Wolle, 200–300 fette Hammel, 300—400 Stücke Ganzwaare und 60—80 fette Ochsen ausgeführt. Von Gewerben sind nur die Weber zu nennen, wovon aber die meisten blos im Frühjahr ihr Handwerk treiben. Das Wollenspinnen und das Flachsspinnen auf den Verkauf, womit sich früher einzelne Arme beschäftigten, hat aufgehört, und dieselben suchen sich nun mit Garnspulen für die benachbarten Fabriken etwas zu verdienen.Das Patronatrecht gehört der Krone. Die Pfarrei hatte nie Filiale. Sie wurde 1818 mit der in Jebenhausen so lange vereinigt, bis dort ein Pfarrhaus erbaut werden konnte, welches 1836 geschah. Die Industrieschule wurde 1839 gegründet. Der Begräbnißplatz umgibt die Kirche.
b) Schopflochberg, Haus am Fußweg nach Hattenhofen, 1/2 St. von Betzgenried. Es ist dieß ein geschlossenes, erst 1817 gebildetes, 44 M. großes Gut, von wo man, wegen seiner hohen Lage, eine schöne, wenn gleich nicht sehr weite, Aussicht genießt, welche im Halbkreise durch eine, vom Hohenstaufen bis an die Weilheimer Berge reichende, Alpkette geschlossen wird. Der Punkt ist auch geschichtlich merkwürdig, wie wir sogleich finden werden.
„Betzgenried unter der Eck” — sagt ein Bericht der Vögte von 1535 — habe einst, wie die Sage bei den Alten gehe, wegen der vielen hier durchlaufenden Bäche „Bechenrieth“ geheißen. [1] In dem nahegelegenen Schopfloch habe aber eine Burg gestanden, wo zwei Edelleute saßen, die ihre Rechte an dem Dorf den Klöstern Blaubeuren und Adelberg verkauften. Damals seyen die Bewohner des Dorfes reich gewesen. Als aber ihre Nachbarn Krieg unter einander bekommen, haben es die von Betzgenried auch entgelten müssen und sey ihnen das Ihrige genommen worden. In diesem Drange haben sie sich in den Schutz der Grafen von Württemberg ergeben. Diese Angaben bestätigen sich auch in mancherlei Hinsicht. Es ist erwiesen, daß das Dorf eine gewisse Unabhängigkeit bis 1400 behauptet hat, wenn wir auch die Behauptung, daß es „ein freies | Reichsdorf“ gewesen, auf sich beruhen lassen müssen. Sodann bemerkt das Kellerei-Lagerbuch von 1477, das Dorf reiche der Kellerei „vmb Schirms willen“ jährlich 30 Sch. Haber und 15 Hühner. Die letztere habe der Schultheiß indessen eingezogen „vnd einem jeden mins gnedigen Herrn Amptmann oder Knecht, der gen Bechenriet ist kommen, davon zu essen geben, vnd die, so überblieben sind, dem Vogt zu Geppingen vff Wihennechten geben vnd ihn damit geeret.“ Überdieß erhielt der Vogt 1 Pfd. Heller, „daß er dem Dorf zu Schirm desto williger sey.“ An den grundherrlichen Rechten hatte Württemberg schon frühe Antheil, da schon 1100, wie oben S. 134 gezeigt, Graf Conrad seine Güter zu „Pathicanried“ dem Kl. Blaubeuren schenkte. Das Kl. Adelberg erwarb von einigen Teckschen Ministerialen Rechte; so kaufte es 1332 um 15 Pfd. Heller von Wartmann Risch seine Vogteirechte über „des Beggen gut in dem Wiler zu Betchenriet,“ bestehend in jährlichen 15 Schilling Geld, 12 Sr. Dinkel, 12 Sr. Haber, 100 Eiern und 6 Hühnern. Mit ihm siegelt sein Herr, Herzog Conrad von Teck. Der größere Theil des Adelbergschen Besitzthums scheint aber vom Kl. St. Georgen herzurühren, da es von diesem 1199 und 1331 beträchtliche Güter zu Betzgenried und Schopfloch, Hochdorf, Holzhausen und Jebenhausen erworben hat. (Cleß III. 19.) Im J. 1537 besaß Adelberg 1/2 Hof, 2 halbe Huben, 33/4 Lehen und 11/2 Sölden. [2] Das Kl. Blaubeuren besaß hier damals 15 Lehen. Außer diesen waren noch das Stift Boll und die Pfründe auf St. Johannes Altar in der Stadt Göppingen hier begütert; jenes verlieh schon 1444 seinen Hof erblich, und diese bewilligte 1445 die Vertheilung ihres sogenannten „Capellhofes“ unter vier Bauern. Auch der Heilige zu Boll hatte ein Lehen, und das Stift Faurndau besaß „des Narren Gütlin.“ Da nun alle diese Grundherrschaften unter dem Schirm der Grafen von Württemberg standen, so konnten diese ihre Hohheit frühe schon hier behaupten; was denn auch mindestens seit 1477 geschah. — Was der Ort im 30jährigen Kriege gelitten, s. oben S. 102. Die Parochialrechte Schopflochs gehören den ältesten des Bezirkes | an. Die Kirche stand auf dem nahe gelegenen Schopflochberge und wird schon 1142 (oben S. 92) als ein Besitzthum des Klosters St. Georgen, welchem sie nun einverleibt ward, genannt. Ebenso bestätigte Papst Alexander III. diesem im J. 1179 »Scophelo cum ecclesia.« Das Kloster ließ von da an die Kirche durch Conventualen versehen; allein St. Georgen scheint sein Recht an Adelberg veräußert zu haben, weil wir schon 1405 das Dorf als ein Filial von Uhingen und die Pfarrei in eine Curatcaplanei verwandelt antreffen. Wir finden eine heil. Kreuzcaplanei in der Kirche zu Schopfloch, deren Patron Adelberg ist, und daß schon 1398 Hans von Randeck der Gemeinde Bechenried seinen Theil am Zehenten zu Jebenhausen um 150 Pfd. Heller verkauft, womit sie „ain Meß stiften wollen zu dem heiligen Kreuz zu Schopfloch.“ Die Kirche aber, welche nach dem Urtheile der Beamten „ein alt Ding, schon bei der Heidenschaft erbauen“ war, wurde 1554 abgebrochen und die Steine zum Göppinger Schloßbau verwendet. Die zweite Caplanei zu St. Laurentius war im Dorf selbst. Im J. 1405 stiftet und dotirt die Gemeinde, mit Erlaubniß des Abts von Adelberg „ain neu Kirchen“ (S. zuvor S. 154) „vnd ein ewig Meß darein in dem Dorf ze Betchenriet, daß da gehört in die Pfarrkirche zu Vingen, in der Ehre St. Laurentius, St. Valentin etc.“ doch unbeschadet der ebengedachten Parochialrechte. Dieser Filialverband dauerte bis zur Reformation. Diese wurde 1537 eingeführt und sofort dem Pfarrer von Heiningen die Pastoration übertragen. Am 30. Juli 1551 bat die Gemeinde um Wiedererrichtung einer eigenen Pfarrei, welche mit den beiden von ihr gestifteten Caplaneipfründen ausgestattet werden könnte. Der Kirchenrath ließ sofort ein Pfarrhaus bauen und 1554 zog Johann Wendel als erster evangelischer Pfarrer ein.Auf dem Berge Schopfloch stand einst eine Burg. Das Adelberger Lagerbuch von 1537 spricht von Äckern in der Jebenhauser Ösche „im Burgstall, zwischen dem Garten zu Schopfloch,“ und von „Hecken vnd Stauden vff dem Burgstall.“ Somit bestätigt sich die Eingangs gedachte Sage auch in dieser Hinsicht. Welches Geschlecht aber die Burg befaß, ließ sich nicht mehr ermitteln.
Der oben S. 106 beschriebene, über die Markung ziehende, alte Heerweg führt durch das zwischen Boll und Betzgenried liegende, sogenannte Billizhauser Feld. Hier stand einst der Weiler Billizhausen. Die Zehenten standen zur Hälfte dem Stifte Boll zu; auch besaß dieses hier zwei Lehen. Der Ort war aber schon 1501 abgegangen und mag im Städtekrieg zerstört worden seyn. Erst bei der Landesvermessung wurde der Distrikt, der bis dahin seine eigene Markung hatte, unter die beiden vorgedachten Gemeinden vertheilt.
Ein weiterer auf der Markung, am Fullbach gelegener Ort, der | aber ebenso frühe abgegangen seyn muß, war Füllbach oder Füllensbach. Bei einem Tausche zwischen dem Kl. Adelberg und dem Stifte Faurndau vom J. 1301 trat Adelberg »possessiones que vulgariter dicuntur Wortwinsgut, sitas in villa et prope villam Yebenbusen« ab und erhielt dagegen »possessiones dictas Niderfülisbach.«Der hier reichlich vorhandene Liaskalk enthält eine Menge Petrefakten. Vergl. oben S. 25.
- ↑ Die Ableitung von dem Namen des Gründers: „Betz“ oder „Beck,“ und von ried oder roden ist die richtigere.
- ↑ Schon frühe sah sich Adelberg in Ausübung seiner gutsherrlichen Rechte sehr beschränkt. Der Abt Berchtold behauptete, daß wenn ein zum Drittheil (oben S. 73) gestandenes hiesiges Gut ledig werde, so sey es ihm heimgefallen und könne er verleihen oder behalten; am 6. Oktober 1473 erkannte aber Graf Ulrich, daß die hiesigen Güter in solchem Falle als Erblehen hingeliehen werden müssen. Auf den Rücken dieses Spruchbriefes schrieb nun der Abt: „der Puren (Bauern) große Schenke, die sie haben geton, vnd der Gewaltigen Widerston, haben gemachet, daß ich diese Geschrift habe geschehen müssen lon contra voluntatem meam..veraciter, veraciter!«
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