« Kapitel B 4 Beschreibung des Oberamts Freudenstadt Kapitel B 6 »
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Böffingen,
Gemeinde III. Kl. mit 164 Einw., wor. 8 Kath. – Pfarrfilial von Neuneck; die Kath. sind nach Heiligenbronn, O.A. Horb, eingepfarrt.


Das nicht große, meist aus ansehnlichen Bauernwohnungen bestehende, mit Obstbäumen umgebene Dorf, liegt angenehm und geschützt, ziemlich hoch über der Glatt auf der untern Terrasse der linken Gehänge gegen das enge Glatt-Thal. Von der 21/2 Stunden nordwestlich gelegenen Oberamtsstadt führt die Vicinalstraße nach Sulz durch den Ort und überdieß ist noch eine Vicinalstraße nach dem 1/2 Stunde südlich gelegenen Mutterort angelegt.

Am östlichen Ende des Orts liegt ziemlich erhöht die kleine, im Jahr 1842 gründlich erneuerte Kirche, deren Langhaus von gewöhnlicher Bauart ist, während sich an dem aus früherer Periode stammenden, dreiseitig schließenden Chor noch germanische Fenster erhalten haben. Statt des Thurms steht auf dem Gebäude ein hölzerner sog. Dachreiter. In der Kirche, deren Unterhaltung der Gemeinde obliegt, werden nur Taufen, Hochzeiten, Leichenreden und den Sommer über alle 3 Wochen Kinderlehre gehalten. Der Begräbnißplatz wurde im Jahr 1842 zunächst der Kirche neu angelegt; bis zu dieser Zeit mußten die Verstorbenen in Ober-Iflingen beerdigt werden.

Das Schulhaus mit Lehrerwohnung und den Gelassen für den Gemeinderath wurde im Jahr 1836–37 neu erbaut.

Der Ort hat 5 laufende Brunnen, welche das ganze Jahr hindurch gutes Trinkwasser in Fülle liefern; überdieß befinden sich auf der Markung mehrere Quellen, von denen der Schutzbrunnen und die Quelle am Bellenstein die bedeutendsten sind.

Die Einwohner, deren Haupterwerbsquellen in Feldbau und Viehzucht bestehen, sind fleißige, wohlbemittelte Leute, die sich des seltenen Rufs erfreuen, daß seit Menschengedenken unter ihnen kein Gantverfahren eingeleitet werden durfte. Der ausgedehnteste Güterbesitz beträgt 90–100 Morgen, der mittlere 60 Morgen und der geringste 25–30 Morgen; überdieß besitzen die meisten Bauern eigene Waldungen, die jedoch auf den Markungen Glatten und Lombach liegen.

Die im Verhältniß zur Einwohnerzahl ziemlich große Markung hat, mit Ausnahme des tief eingeschnittenen Glatt-Thales, eine ebene Lage auf der nordöstlich vom Ort befindlichen Hochfläche.

| Der im Allgemeinen fruchtbare Boden besteht auf der Hochfläche und an den obern Thalgehängen aus einer Mischung von Lehm und den Verwitterungen des Hauptmuschelkalks, an den unteren Thalabhängen aus den Verwitterungen des Wellenmergels und theilweise des bunten Sandsteins, denen zuweilen eine fruchtbare Decke von Diluviallehm zukommt.

Die klimatischen Verhältnisse sind ziemlich günstig und viel milder als in Freudenstadt, so daß die Obstzucht, welche namentlich in der Nähe des Orts ausgedehnt getrieben wird, gut gedeiht, wiewohl die kalten Nebel des Glatt-Thales nicht selten auf den Ertrag derselben störend einwirken. Hagelschlag kommt nicht häufig vor; nur 1854 wurde die Markung sehr empfindlich von demselben heimgesucht.

Die Landwirthschaft wird im Dreifeldersystem fleißig und gut betrieben; sie beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Anbau von Dinkel, Hafer, Roggen und den gewöhnlichen Brachgewächsen. Gerste wird wenig gebaut. Bei einer Aussaat von 9–10 Sri. Dinkel, 31/2 Sri. Roggen und 5–6 Sri. Hafer liefert der Morgen im Durchschnitt einen Ertrag von 7–8 Schffl. Dinkel, 5–6 Schffl. Hafer und 3 bis 31/2 Schffl. Roggen. Die Güterpreise bewegen sich von 20 bis 200 fl. per Morgen. Von den Felderzeugnissen wird besonders viel Getreide nach Außen abgesetzt.

Die Wiesen, welche zu 2/3 gut genannt werden dürfen und von denen 1/3 Wässerung erhält, werden ziemlich stark gedüngt und ertragen im Durchschnitt 30 Ctr. Heu und 15 Ctr. Öhmd per Morgen; ihre Preise steigern sich von 50–250 fl. per Morgen.

Die ziemlich ausgedehnte Rindviehzucht ist in gutem Zustande; mit Zugvieh wird einiger Handel getrieben.

Schafzucht wird von einem Schäfer betrieben, an den die Gemeindeweide um 60 fl. jährlich verliehen ist, die Pferchnutzung sichert der Gemeinde eine jährliche Einnahme von 100 fl.

Die Gemeinde ist im Besitz von 185 Morgen Waldungen, deren jährlicher Ertrag mit etwa 54 Klaftern zur Hälfte an die Bürgerschaft vertheilt, zur anderen aber verkauft wird. Über das weitere Vermögen der Gemeinde und der Stiftungspflege s. Tabelle III.

Auf der Ortsmarkung zur rechten Seite der Glatt steht an dem Fuß der Thalgehänge jüngerer Süßwasserkalk (Kalktuff) an, der hier gebrochen und weit herum in dem Schwarzwalde abgesetzt wird.

Nördlich vom Ort, auf der sog. Dölle, ist man schon auf Grundmauern gestoßen. Auch südlich vom Ort, wo eine Stadt gestanden seyn soll, wurden vor ungefähr 30 Jahren noch einzelne Grundmauern, behauene Steine u. s. w. ausgegraben; auch findet sich in | der Böffinger Markungs- und Waidgangs-Beschreibung die beglaubigte Abschrift einer Urkunde von 1281, in der Böffingen eine Stadt genannt wird. Der Name ist von dem altdeutschen Mannsnamen Boffo abzuleiten.

Böffingen war ursprünglich Zugehörung der Veste Bellenstein und erscheint später als Theil der Herrschaft Neuneck, wohin es Dietrich von Lichtenfels im Jahr 1395 mit der Vogtei zu Bellenstein u. s. w. verkaufte; als solcher kam das Dorf im Jahr 1614 durch Kauf von Hans Urban von Closen an Württemberg. Dieses hatte schon 1413 die von Neuneck mit dem Zehnten belehnt, welcher 1607 auf gleiche Weise an die Späthen gekommen ist.

Im Jahr 1338 erhielt das Kloster Engelthal Gülten in Böffingen zum Geschenk.

Vermöge Vergleichs Württembergs mit der Ritterschaft Cantons Neckarschwarzwald vom 30. Okt. 1769 wurde ersterer Herrschaft die Collectation cum omnibus juribus annexis auf ewig überlassen (Cramer, Wetzlar. Nebenstunden 112,600).

Nur etwa 1/8 Stunde unterhalb Böffingen stand auf einem aus Kalktuff bestehenden Vorsprung an den rechten Ufern der Glatt die Burg Bellenstein, der ehemalige Sitz des längst erloschenen Geschlechts von Bellenstein; sie ist bis auf ganz wenige Mauerreste verschwunden und auch diese werden bald nicht mehr sichtbar seyn, indem hier Tuffsteine gebrochen werden, so daß sogar der Felsen, auf dem die Burg stand, allmälig verschwindet.

Hugo von Bellenstein verkaufte im Jahr 1281 dem Grafen Heinrich von Fürstenberg Holzgerechtigkeiten im nahen Schwarzwalde um 20 Pfd. Tübinger. Die Wittwe eines Hugo von Bellenstein, wohl des vorangehenden, Grete, von deren Töchtern die eine, Clara, sich mit Konrad von Seedorf, die andere, Clementia, mit einem Herrn von Thalheim (Crus. Annal. Suev. 3, 242) vermählte, veräußerte den 20. Sept. 1334 eine jährliche Gülte an das Kloster Kniebis. Späterhin verschwindet das Geschlecht.

Auf dem Käppelesösch, nördlich vom Ort, soll eine Kapelle gestanden seyn.

Oberhalb Böffingen, unfern der Einmündung der Lauter in die Glatt stand die spurlos verschwundene Burg Thierstein („der Dierstein vnder Glatthaim“, „der Thüerstein“ 1456. Grimm, Weisth. I, 382. 386).


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