« Kapitel A 3 Beschreibung des Oberamts Freudenstadt Kapitel A 5 »
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IV. Wohnorte.


1. Orte.
A. Zahl, Gattung und Areal.

Der Bezirk zählt im Ganzen 205 Wohnplätze, nämlich 2 Städte, 15 Pfarrdörfer, worunter 2 mit Marktrecht, 24 Dörfer, worunter 1 mit Marktrecht, 122 Weiler, 29 Höfe und 13 Mühlen und andere einzelne Wohnsitze. Der Flächenraum, welchen sämmtliche Gebäude und Hofstätten einnehmen, beträgt 4382/8 Morgen.

B. Lage, Größe und Beschaffenheit.
In dem westlichen und nordwestlichen Theile des Bezirks, welcher aus einem weitgedehnten, durch Thäler, Thälchen und Schluchten vielfältig tief durchfurchten Gebirgswalde besteht und vermöge seiner beträchtlichen Erhebung über die Meeresfläche keinen Feldbau mehr zuläßt, waren die Menschen genöthigt, sich in den Thälern anzusiedeln, und nur der hochgelegene Ort Kniebis macht hievon eine Ausnahme. Aber auch die Thäler sind in ihren oberen Theilen meist so enge, daß sie keine passende Stellen für größere Ortschaften darbieten, man trifft daher in denselben meist nur zerstreut liegende einzelne Weiler und Gehöfte, welche in die Thalebene oder an die unteren Thalgehänge hingebaut sind. Dergleichen zerstreut liegende Orte sind: in dem oberen Murg-Thal das Baiersbronner Mittel- und Ober-Thal und Buhlbach, in dem Thonbach-Thale das aus mehreren Weilern und Höfen bestehende Thonbach, in dem Forbach-Thale Christophs- und Friedrichs-Thal, in dem Schönmünz- und Langenbach-Thal Langenbach (vorderer und hinterer) Leimiß, Schönmünz und Zwickgabel, und in dem Kinzig-Thale Reinerzau. In den unteren Partieen des Murg-Thals erscheinen dann mehr geschlossene Orte, wie Baiersbronn (am Vereinigungspunkt des Forbach-Thales mit dem Murg-Thal), Reichenbach, Heselbach, Röth, Schönegründ, Hutzenbach, Schwarzenberg und Schönmünzach. Im Thale der kleinen Kinzig liegen: Berneck und Reinerzau, im Nagold-Thale Erzgrube, im Waldach-Thal Thumlingen, Vesperweiler, Ober- und Unter-Waldach und Vörbach, im Seitenthälchen des Waldach-Thales Cresbach und Hörschweiler. In dem Glatt-Thale liegen: Hallwangen, Aach, Glatten, Böffingen und Neuneck, in Seitenthälchen desselben Ober- und Unter-Musbach, Grünthal, Wittlensweiler, Lauterbad, Lombach, Ursenthal, Ober-Brändi u. s. w. Auf dem Plateau im östlichen und südlichen Theil des Bezirks liegen: Freudenstadt, | Urnagold, Besenfeld, Eisenbach, Allmandle, Göttelfingen, Schernbach, Hochdorf, Grömbach, Wörnersberg, Edelweiler, Kälberbronn, Igelsberg, Pfalzgrafenweiler, Durrweiler, Herzogsweiler, Dornstetten, Schopfloch, Ober- und Unter-Iflingen, Dietersweiler, Röth, Loßburg, Wittendorf, Vorder-, Mittel- und Hinter-Steinwald, Ober- und Unter-Zwieselberg, Ödenwald, Büchenberg, Schömberg, und Hinter-Röthenberg. Die Lage der Orte ist meist gesund und mit Ausnahme der tief im Gebirg versteckten, angenehm. Der höchstgelegene Ort ist Kniebis, der tiefstgelegene Schönmünzach. Die größten Dörfer sind Pfalzgrafenweiler und Loßburg, die kleinsten Ober-Musbach und Schwarzenberg. Die Orte sind mit Ausnahme der Städte und einiger Dörfer, theils ganz weitläufig (vereinzelt), theils ziemlich weitläufig und gedehnt gebaut; sie sind im Allgemeinen gut aussehend und gewähren mit ihren theilweise Wohlhabenheit verrathenden Gebäuden eine angenehme Ansicht. Das schönste Dorf ist Pfalzgrafenweiler, welches im Jahr 1798 abbrannte und hierauf ganz neu erbaut und mit breiten Straßen versehen wurde.


2. Gebäude.
A. Anzahl und Gattung.

Das Oberamt zählt nach dem neuesten Cataster:

Haupt- und Wohngebäude 3683
Nebengebäude 1494
zusammen 5177 Gebäude,

deren Einschätzungswerth weiter unten angegeben ist, und durchschnittlich auf ein Gebäude nach dem Grundsteuer-Anschlag 453 fl. und nach dem Brandversicherungs-Anschlag 1103 fl. beträgt.

Auf ein Wohnhaus kommen im Durchschnitt 8,09 Menschen. Die meisten in Erzgrube (11,4), und in Freudenstadt und Hutzenbach (10,7), die wenigsten in Ober-Musbach (4,3).


B. Bauart und Material.
Die Bauart ist im Allgemeinen theils die gewöhnliche ländliche der altwürttembergischen Ortschaften, theils die der Gebirgsgegenden, so daß sich die letztere der schweizerischen etwas nähert. Viele Häuser, sogar in den Städten, sind an den Außenwänden entweder ganz oder doch auf der Wetterseite mit Schindeln verkleidet, indem ein gewöhnlicher Verputz den wilden Stürmen zu trotzen nicht im Stande wäre; auch an frei gelegenen Kirchen und Kirchthürmen trifft man | zuweilen an der Wetterseite die Schindelverkleidung, was gerade nicht den angenehmsten Eindruck hervorruft. Dagegen nehmen sich die Schindelwände, meist roth, aschgrau oder gelblich getüncht, besonders bei ansehnlichen Bauernwohnungen recht gut aus; die Fensterläden sind häufig mit Blumen bemalt oder mit ansprechenden frommen Sprüchen versehen, die nicht selten auch über den Hausthüren ihre Stelle finden. Die Bedachung, zum Schutz gegen Wind, Regen und Schnee meist ziemlich weit vorstehend und in den rauheren Gegenden des Bezirks an einzeln stehenden Häusern beinahe bis auf den Boden reichend, besteht in den Dörfern größtentheils aus Ziegelplatten, die allmälig die Stroh- und Schindeldächer verdrängen; solche halten sich indessen bei den einzeln stehenden Wohnungen immer noch, indem sie abgesehen von Feuergefährlichkeit wärmehaltender und dem Eindringen von Regen und Schnee weniger zugänglich sind, als die schwereren Ziegeldächer. Die Zimmer (Stuben) sind nicht selten sehr geräumig, durchaus getäfelt und die ebenfalls getäfelte Decke wird häufig von einer in der Mitte der Stube stehenden, hölzernen Säule unterstützt. Die kolossalen irdenen Öfen (Kachelöfen) reichen weit in die Stube herein, und die Bank (Pritsche) darf in der Nähe derselben nicht fehlen. Die einzelnen glasirten Ofenkacheln sind meist mit Bildwerken (Jagdstücke etc.) und erbaulichen Reimen geziert. In dem westlichen Theile des Bezirks, namentlich in den engen, abgelegenen Waldthälern trifft man nicht selten noch ächte Gebirgswohnungen, ganz von Holz aus übereinander gelegten tannenen Balken bestehend; unter dem weit vorstoßenden Schindel- oder Strohdache läuft am zweiten Stockwerke ein einfacher Balkon, meist mit Nelkenstöcken geziert, die kunstlos gehalten weit über die Brüstung herunterhängen und mit ihren mannigfaltigen Blumen dem Wanderer freundlich entgegenwinken. Derartigen, äußerst malerischen Gebäuden fehlt zuweilen das Kamin, so daß der Rauch zu den Dachöffnungen und Dachläden hinauszuziehen genöthigt ist. Im Allgemeinen herrscht in dem Bezirke der Tannenholzbau vor, obgleich in den größeren Orten häufig steinerne Unterstöcke – auch zuweilen ganz steinerne Gebäude vorkommen. Als Bausteine benützt man allgemein den bunten Sandstein, und in dem südöstlichen Theil des Bezirks nur ausnahmsweise den Hauptmuschelkalk. In architektonischer Beziehung zeichnen sich aus die im romanischen Style erbaute Kirche zu Reichenbach und wegen ihrer seltsamen Bauart die Kirche zu Freudenstadt.

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