« Kapitel B 3 Beschreibung des Oberamts Böblingen Kapitel B 5 »
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4. Breitenstein,
ein Dorf mit 356 evangel. Einwohnern, welches 2 Stunden südöstlich von der Oberamtsstadt und 1/2 Stunde nordwestlich von seinem Mutterort, Weil im Schönbuch, in einem Seitenthälchen des Happachthals liegt. Die Gebäude des freundlichen, reinlichen, mit gekandelten Straßen versehenen Orts sind zum Theil ansehnlich und Wohlhabenheit verrathend. Von der Südseite aus gesehen, gewährt das hinter Obstbäumen versteckte Dorf mit seinem freundlichen Kirchlein eine malerische Ansicht. Vier laufende Brunnen liefern hinreichend gutes Quellwasser und der Wettebach fließt der Länge nach durch das Dorf. Die hübsche Kirche, welche der ummauerte Begräbnißplatz umgibt, wird von der Stiftungspflege und der Gemeinde gemeinschaftlich unterhalten und liegt am westlichen Ende des Orts. Sie wurde an der Stelle einer früheren Kapelle im Jahr 1488 im gothischen Style erbaut und hat an der Südseite des Schiffes, wie an dem mit einem halben Sechseck schließenden Chor spitzbogige Fenster mit geschmackvollen gothischen Füllungen, während sich an der Nordseite des Schiffs weder Fenster noch Eingang befinden. Neben dem spitzbogigen Eingang auf der| Südseite steht auf einer eingemauerten Steinplatte: „Unter Apt Bernhardin ist gemachet 1488.“ Das Innere ist freundlich und geräumig, übrigens nicht besonders hell; ein hochgesprengter Triumphbogen trennt das flach getäfelte Schiff vom Chor. Auf dem östlichen Giebel sitzt das viereckige, oben achteckige Thürmchen mit einem Zeltdache (ein sogenannter Dachreiter), in welchem 2 Glocken hängen, von denen die eine die Umschrift hat: „gegossen in Ludwigsburg von C. G. Neubert 1806,“ die andere: „Breitenstein, umgegossen in Stuttgart von L. E. C. Blüher 1800.“ Die beinahe in der Mitte des Orts gelegene Schule mit Lehrerwohnungen und mit der Rathsstube wurde 1837 bedeutend erweitert und befindet sich gegenwärtig in gutem Zustande. An der Schule unterrichtet ein Lehrer. Die im allgemeinen ziemlich bemittelten Einwohner erfreuen sich einer dauerhaften Gesundheit und sind seit Mannsgedenken von epidemischen Krankheiten verschont geblieben. Ihr Charakter ist bieder, offen, dabei sind sie sparsam, fleißig und sowohl in Sitten als in ihrer Kleidung einfach. Das Treiben der Neuzeit hat bei ihnen noch wenig Eingang gefunden, was mitunter von der Abgelegenheit des Orts, den keine frequente Straße berührt, herrühren mag. Die Hauptnahrungsquelle besteht in Feldbau, der mit vielem Eifer betrieben wird. Die Felder liegen theils an Abhängen, theils ziemlich eben und haben im Durchschnitt einen mittelfruchtbaren Boden, der hauptsächlich aus einem Gemenge von Lehm und Sand besteht und nur selten in sogenannten leichten Boden übergeht. Als Besserungsmittel desselben dienen, neben dem gewöhnlichen Dünger: die Jauche und etwas Gyps. Die Luft ist rein, die Nächte meist kühl und dennoch kommen Frühlingsfröste selten vor, ebenso Gewitter mit Hagelschlag, welche im nahe gelegenen Schönbuch einen Ableiter finden. In Vergleichung mit dem Strohgäu tritt die Ernte ungefähr 8 Tage später ein, die dann gegenüber der Nachbarorte etwas geringer ausfällt. Im System der Dreifelderwirthschaft werden die gewöhnlichen Getreidearten gebaut, von denen der sogenannte Vögelesdinkel besonders zu erwähnen ist. Die Erzeugnisse der Brache sind: Kraut, Kartoffeln, Flachs, Hanf, Kohlraben und Futterkräuter. Zur Aussaat sind 7–8 Simri Dinkel, 4–5 Simri Hafer und 3–4 Simri Gerste auf den Morgen erforderlich, welche einen durchschnittlichen Ertrag an Dinkel 4–6 Scheffel, an Hafer 3–5 Scheffel und an Gerste 2–4 Scheffel per Morgen abwerfen. Von den Feldprodukten werden Dinkel und Hafer in der Nachbarschaft abgesetzt; Hanf, der übrigens nur mittelmäßig ausfällt, kommt zum Theil auf Jahrmärkte nach Tübingen und Reutlingen. Der geringste Preis eines Morgen Ackers beträgt 40 – 50 fl., der mittlere 150 fl. und  | der höchste 350 fl. Die zweimähdigen Wiesen, von denen nur wenige bewässert werden können, liefern einen mittelmäßigen Ertrag. Ihre Preise bewegen sich von 70–380 fl. per Morgen. An einer südlichen Halde wird etwas Weinbau getrieben, der sich hauptsächlich mit Affenthalern, Silvanern und in neuester Zeit mit Klevnern und Krachmost-Gutedeln beschäftigt. Das Erzeugniß, welches mit geringer Ausnahme im Orte selbst consumirt wird, gehört zu den mittelmäßigen und beträgt durchschnittlich 6–8 Eimer per Morgen. Der geringste Preis eines Morgens ist 250 fl., der höchste 300 fl. Die ziemlich ausgedehnte und noch im Zunehmen begriffene Obstzucht gibt sich hauptsächlich mit Mostsorten und Zwetschgen ab. Das Obst wird theils im Ort selbst verbraucht, theils nach Außen verkauft; die jungen Stämme zieht man in den Weinbergen. Die Rindviehzucht beschäftigt sich in ziemlicher Ausdehnung meist mit einer tüchtigen Landrace, welche durch gute Farren stets erhalten und sogar noch verbessert wird. Es wird ziemlich Vieh auf benachbarten Märkten abgesetzt. Von geringer Bedeutung ist die Schafzucht; Schweine werden gemästet und häufig auswärts verkauft. Die Zucht der Gänse und Hühner ist nicht unbedeutend. Die Gewerbe dienen mit Ausnahme der Weber nur dem örtlichen Bedürfniß. Im Ort befindet sich 1 Schildwirthschaft und 1 Krämer.

Die Gemeinde ist im Besitz von 70 Morgen Laubwald und 84 Morgen Nadelwald, unter diesen sind 90 Morgen begriffen, welche sie im Jahr 1841 für eine Schönbuchsgerechtsame vom Staate erhielt. Der jährliche Waldertrag belauft sich auf 40 Klafter und 4000 Stück Wellen, hievon erhält jeder Bürger 3/8 Klafter und 25 Stück Wellen. Der Rest wird um etwa 200 fl. verkauft. Von den an auswärtige Schäfer verliehenen Weiden bezieht die Gemeinde einen jährlichen Pacht von etwa 145 fl. Außer diesen Einkünften besitzt die Gemeinde sonst keine, dagegen hat der Heilige ein Capitalvermögen von etwa 2100 fl. Nach einer noch von dem Kloster Bebenhausen herrührenden Stiftung erhalten die Ortsarmen jährlich 1248 Pfund Brod; von einer weitern 291 fl. betragenden Stiftung werden die jährlichen Zinsen ebenfalls in Brod verwandelt und an Unbemittelte abgegeben. Außer diesen sind noch einige Schulstiftungen zu Büchern und Papier vorhanden.

Groß- und Kleinzehentherr ist der Staat mit Ausnahme eines kleinen Distriktes, von welchem letzteren die Stiftungspflege bezieht. Auch der Heuzehente gehört noch der Staatsfinanzverwaltung. – Breitenstein erhielt erst 1823 eine selbstständige Gemeindeverwaltung, früher war es eine Parzelle von Weil im Schönbuch, wohin es kirchlich noch gehört.

| Etwa 1/8 Stunde südöstlich vom Ort befindet sich eine 3/8 Morgen große Wiese, die in alten Güterbüchern unter dem Namen „Breitensteinle“ vorkommt, hier soll nach der Volkssage die Burg der Herren von Breitenstein, von denen auch der Ort seinen Namen erhielt, gestanden haben. Man kam dort schon auf Mauerreste und ein jetzt noch lebender Mann hat vor ungefähr 50 Jahren behauene Steine ausgegraben, die von einem ehemaligen Thor zu seyn schienen, auch findet man noch Spuren einer Dohle, die auf einen verfallenen Keller schließen lassen.

Breitenstein war ein Ort der Pfalzgrafschaft Tübingen und seine Herren waren Lehensträger der Pfalzgrafen, sie bildeten einen Zweig des Geschlechts der Herren von Gerlingen, mit welchen sie das gleiche Wappen führten (s. Altdorf). Rudolphus de lato Lapide erscheint 1087, 1088; Werner von Breitenstein war 1266 April 4. Zeuge Pfalzgraf Rudolphs von Tübingen; 1339 kommen vor: Rudolph und Rüdiger, später: Hans der Vogt von Breitenstein (1358), dessen Söhne Reinhard, Conrad Reinhard und Hans Reinhard hießen.

Das Kloster Bebenhausen, welchem der Ort zuletzt gehörte, und mit welchem er an Württemberg gelangte, machte hier Hauptkäufe in den Jahren 1358–1387 von den Herren von Breitenstein, auch von Wolf von Thailfingen; es verlieh Höfe in den Jahren 1402, 1403, 1412 etc.