| 3. Altdorf
mit Mühle.
Pfarrdorf mit 1155 Einwohnern, worunter 1 Katholik, zwei Stunden südlich von der Oberamtsstadt. Der ziemlich große, mit reinlichen Straßen versehene Ort hat eine angenehme, ebene Lage am Anfang des Würm-Thals und ist mit gutem Quellwasser hinreichend versehen. Die noch ganz jugendliche Würm, welche auf der Markung entspringt, fließt der Länge nach durch den Ort und wird am nordwestlichen Ende desselben zu einer Wette geschwellt. Vermöge der hohen freien Lage und der Nähe der Schönbuchs-Waldungen ist die Luft gesund und rein, jedoch, da der Schutz namentlich gegen Norden und Osten fehlt, etwas rauh. Schädliche Frühlingsfröste und Gewitter sind nicht selten. Die Häuser sind meist ansehnlich aus Holz mit steinernem Unterstock erbaut und stammen häufig noch aus dem Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts. An einem derselben ist ein altes Steinbild mit der Jahreszahl 1542 eingemauert. Am südlichen Ende des Orts liegt die dem heiligen Blasius geweihte Pfarrkirche, umgeben mit dem alten ummauerten Begräbnißplatz, auf dem seit 120 Jahren nicht mehr beerdigt wird. Vor etwa 60 Jahren wurde sie namhaft erweitert und vor 35 Jahren an Thurm und Dach reparirt. Das Chor ist noch in seiner ursprünglichen Bauweise, mit Strebepfeilern
| und hohen gothisch gefüllten Fenstern geblieben. Dagegen fehlt den neuen Fenstern des Schiffs jeder architektonische Schmuck und die westliche Giebelseite, an der vier eckige und runde Fenster eingebrochen wurden, ist ein Muster von Geschmacklosigkeit. An einem südlichen Chorpfeiler sind zwei interessante alte Sonnenuhren eingemeißelt. Innen ist die Kirche hell und geräumig, übrigens das flach getäfelte Schiff, wie das Chor, durch Emporkirchen verbaut, in letzteres wurde noch überdieß im Jahr 1846 eine neue gothisch gefaßte Orgel eingezwängt. Sie hat 11 Register und kostete die Gemeinde 700 fl. Das mit einem halben Sechseck schließende Chor hat ein schönes Netzgewölbe, an dessen obern Gurtenkreuzungen in der Reihe von Westen nach Osten folgende Figuren auf den Schlußsteinen angebracht sind: 1) ein Abt mit dem Hirtenstab, 2) die heilige Magdalena, 3) wie Nr. 1. 4) Maria mit dem Jesukinde und 5) Gott Vater, die Weltkugel in der Linken haltend. In die nördliche Innenseite des Chors ist eine sehr kunstreiche marmorne Grabtafel des Pfarrers Johann Thomas Schwarz, der 1616 starb, eingemauert. Der viereckige Thurm mit drei massiven Stockwerken, auf denen ein hölzernes, später aufgebautes Glockenhaus mit sechsseitigem Zeltdache sitzt, steht an der nördlichen Seite der Kirche. Auf ihm hängen drei Glocken, auf der größten stehen die vier Evangelistennamen und 1458, auf der mittleren gegossen in Stuttgart von G. F. Blüher 1785 und auf der kleinsten, die nach den Schriftzügen die älteste ist, die Namen der vier Evangelisten ohne Jahreszahl. Die Unterhaltung der Kirche hat die Stiftungspflege, bei größeren Veränderungen übernimmt die Gemeinde
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3 der Baukosten. Der mit einer Mauer umgebene Begräbnißplatz, zum heiligen Kreuz genannt, liegt am nördlichen Ende des Orts. Das Pfarrhaus, ein altes, auf massivem Unterstock ruhendes Gebäude, welches übrigens in neuerer Zeit mehrfach verbessert wurde und gegenwärtig in gutem baulichen Zustande sich befindet, liegt von allen Seiten frei, in der Nähe der Kirche. Es war ursprünglich die Burg der Herren von Altdorf (s. unten) und wird noch heute die „Bürg“ genannt. Die Unterhaltung desselben steht dem Staate zu. Die Schule mit Lehrerwohnung wurde vor 38 Jahren mit namhaften Kosten reparirt; an ihr unterrichten 1 Schullehrer und 1 Unterlehrer. Eine Industrieschule, die übrigens nicht von Bedeutung ist, besteht seit 1848. Das alte, sehr geräumige Rathhaus mit einer auf rundbogigen Arcaden ruhenden Vorhalle, wurde nach der Jahrzahl, die oberhalb des mittleren Rundbogens steht, 1628 erbaut und befindet sich, trotz seines Alters, in gutem Zustande. Die Rathsstube, deren Decke von einer schön gearbeiteten, hölzernen Säule unterstützt wird, trägt noch ganz das heimliche, solide
| Gepräge der mittelalterlichen Zeit. Ganz in der Nähe des Pfarrhauses, nur durch eine schmale Straße von diesem getrennt, steht die ehemalige Klosterscheuer (Mönchsscheuer), über deren Eingang die Jahreszahl 1597 angebracht ist. An die südwestliche Ecke dieses Gebäudes ist das sogenannte obere Thor angebaut. Noch ist des, in der Nähe der Kirche gelegenen, dauerhaft überwölbten Brunnens mit der Jahrzahl 1594 zu erwähnen. Die ziemlich unbemittelten, mitunter armen Einwohner sind gutmüthig, mäßig und suchen sich durch Sparsamkeit und unermüdeten Fleiß redlich durchzubringen. Ihre Hauptnahrungsquelle ist der Feldbau, den sie im Dreifeldersystem gut betreiben. Landwirthschaftliche Neuerungen, wie die Anlage von zweckmäßigen Dungstätten, die Benutzung der Jauche u. s. w. sind eingeführt, dagegen will der Brabanter Pflug immer noch nicht allgemein werden. Die Lage der Felder ist meist eben und der ziemlich fruchtbare, jedoch dem des Gäus etwas nachstehende Boden, besteht auf der Ebene meist aus Lehm mit theilweise vorherrschendem Sand und hat Thon oder aus Liaskalk zur Unterlage. An den Abhängen des Würmthals wird er mehr thonig und somit schwerer. Von den Cerealien werden hauptsächlich Dinkel, Hafer und Gerste gebaut und zum Theil auswärts verkauft. Der Ertrag an Dinkel wird durchschnittlich zu 7–8 Scheffel, an Hafer zu 5 Scheffel und an Gerste zu 4–5 Scheffel per Morgen angegeben. Die Bracherzeugnisse sind Kartoffeln, Hanf, Kraut, Angersen und Futterkräuter. Hanf wird ziemlich gebaut und im Ort selbst versponnen, ebenso Kraut, welches dem Filderkraut beinahe gleich kommen soll und theilweise auswärts abgesetzt wird. Der höchste Preis eines Morgen Ackers ist 400 fl., der mittlere 200 fl. und der geringste 80–100 fl. Die meist zweimähdigen Wiesen liefern gutes, aber etwas leichtes Futter. Ihre Preise bewegen sich zwischen 60 und 400 fl. per Morgen. Von nicht geringer Ausdehnung ist die Obstzucht, auf die übrigens die Frühlingsfröste zuweilen nachtheilig einwirken. Es werden hauptsächlich Mostsorten, seltener Tafelobst und von Kernobst Zwetschgen gezogen. In günstigen Jahren kommt ein großer Theil des Obstertrags zum Verkauf. Die Schafweide war bis jetzt um 395 fl. verpachtet, gegenwärtig ist der Pacht zur Probe auf drei Jahre aufgehoben und die Schafe laufen auf fremder Weide. Die Pferdezucht ist ganz unbedeutend, dagegen die Rindviehzucht ausgedehnt und bildet einen besondern Erwerbszweig. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit einer guten Landrace, die durch drei Simmenthaler Farren, von denen die Gemeinde zwei und der Maierhofbesitzer einen hält, immer mehr veredelt wird. Es wird ziemlich viel Vieh, auch etwas Mastvieh auf benachbarten Märkten verkauft.
| Die Schweinezucht ist unbedeutend. Was die Gewerbe betrifft, so befindet sich
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8 Stunde nordwestlich vom Ort eine Mühle mit zwei Mahlgängen und ein Gerbgang, die übrigens aus Mangel an Wasser nicht selten stille steht. Im Ort selbst sind 6 Zündhölzchenfabriken, welche mehreren Bewohnern, namentlich Kindern von Unbemittelten, Beschäftigung und Verdienst geben; die übrigen Professionisten, unter denen sich ziemlich viel Weber befinden, dienen meist nur dem örtlichen Bedürfniß. Der Ort hat drei Schildwirthschaften, wovon eine mit Bierbrauerei, und vier Krämer. Zwei Vicinalstraßen, eine nach Hildrizhausen, die andere nach Holzgerlingen, verbinden das Dorf nicht nur mit diesen Orten, sondern auch mit der Böblingen–Tübinger Straße. Die Gemeinde war früher Schönbuchs berechtigt und erhielt im Jahr 1821 für ihre Berechtigung vom Staate 130 Morgen Laubwaldungen, die jährlich 215 Klafter und 7–8000 Stück Wellen abwerfen; hiervon erhält jeder Bürger
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2 Klafter Holz und 25 Stück Wellen, der Rest wird durchschnittlich für 6–700 fl. verkauft. Außer diesen Einkünften bezieht die Gemeinde noch aus Gütern einen jährlichen Pacht von 300 fl.; über das Gemeinde- und Stiftungsvermögen vergleiche die
Tabelle Nr. IV. Die jährlichen Zinse aus mehreren Stiftungen, die gegenwärtig 17–18 fl. betragen, werden zu Brod für Arme verwendet und am obersten Tag (6. Januar) ausgetheilt. Eine Stiftung, nach welcher den Ortsarmen jährlich 6760 Pf. Brod, also wöchentlich 130 Pf., ausgetheilt werden, stammt noch von dem ehemaligen Klosteramt Bebenhausen her, zu dem Altdorf früher gehörte. Außer diesem sind noch einige Schulstiftungen vorhanden.
Grundherr ist der Staat, welchem auch auf der ganzen Markung mit Ausnahme einiger unbedeutender, besonders versteinter Distrikte (von welchen die Pfarrei und der Meßner den großen Zehenten beziehen) der kleine und große Zehente, ersterer in Folge der Verwandlung der Pfarrbesoldung, zustehen. Früher war der große Zehente in zwei Theile getheilt, von welchen der erste zu
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6 dem Kloster Bebenhausen, zu
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6 den Freiherren von Kniestett (vor dem dem Junker von Tachenhausen, s. unten) und zu
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6 dem Registrator Koch in Stuttgart (zuvor dem Vicekanzler Gerhardt daselbst) gehörte. Den zweiten geringeren Theil bezog das Kloster Bebenhausen als Particularzehenten allein. Der Staat hat den Kniestettschen Antheil 1787 durch Tausch, den Koch'schen 1772 durch Kauf erworben. Der Heuzehente ist seit 1839 abgelöst. Unbedeutende Grundgefälle bezieht auch noch die Gemeinde. Das Kloster Bebenhausen hatte hier einen Lehenhof, der 1785 vertheilt wurde und von dem der gegenwärtige Schultheiß noch einen großen
| Theil (etwa 25 Morgen) besitzt. Dem jeweiligen Meier stand neben dem freien Viehtrieb noch das Recht zu, sein Brenn- und Bauholz unentgeltlich aus dem Schönbuch zu beziehen; für die Ablösung dieser Gerechtigkeit erhielt derselbe 1821 15 Morgen Wald. Ebenso wurden die Gülten und Lasten, welche auf dem Gut hafteten, abgelöst und der Meier hat nur noch die Verbindlichkeit, einen Farren unentgeltlich zu halten, dagegen ist er von Hanf und Flachs zehentfrei.
Südlich vom Ort, mitten in einem Wiesenthälchen liegt ganz in der Nähe der alten Straße, die auf den sogenannten Eselstritt und Eschach (s. den allgemeinen Theil) führt, ein künstlich aufgeworfener Hügel, auf dessen Kuppe ein rund ausgemauerter Brunnen, die Wolfsgrube genannt, sich befindet. Über die Sage, daß eine Stadt auf Eschach 3/4 Stunden südlich von Altdorf gestanden seyn soll, s. den allg. Thl.
Altdorf ist die Heimath von Johann Michael Hahn[ws 1], Sohn eines Bauern, welcher allhier am 2. Februar 1758 geboren wurde und am 20. Januar 1819 in Sindlingen, wo er sich meist aufhielt, starb. Dieser Landmann von theosophischer Richtung, welcher durch seine Vorträge und seine zahlreichen Schriften großen Anhang gewann, ist Stifter der Michelianer, eines nach ihm benannten Pietistenzweiges.
Der Ort gehörte zur Pfalzgrafschaft Tübingen; im Jahr 1293 erkaufte Graf Gotfried von Tübingen denselben von Graf Eberhard von Tübingen (Sindelfinger Chronik), veräußerte dagegen schon am 15. Mai 1295 an Kloster Bebenhausen alle Güter, welche er selbst oder Graf Eberhard in Altdorf besessen.
Unter pfalzgräflicher Dienstherrlichkeit saßen auf hiesiger Burg (dem jetzigen Pfarrhause) sich so nennende Herren von Altdorf; sie waren ein Zweig des Geschlechtes der Herren von Gerlingen (Oberamt Leonberg) und führten mit ihnen das gleiche Wappen, zwei Halbmonde; im Jahre 1232 lebten Ernst und Conrad von Altdorf (Gabelk.), im Jahr 1320 Conrad und Dietrich von Altdorf, welche letztere damals ihre Burg an Graf Heinrich von Tübingen veräußerten. Von diesem Grafen erkaufte das Kloster Bebenhausen (welches schon 1204 hier begütert erscheint, Besold 366) am 5. Januar 1328 genannte Burg mit vollem Eigenthumsrecht und erhielt den 7. Sept. 1334 die Versicherung, daß er über dieses Klosterdorf weder Herr noch Vogt sey. Einzelne hiesige Erwerbungen machte das nach und nach zum Besitz des ganzen Ortes gelangende Kloster noch späterhin, namentlich 1386 und 1393 von Hans und Schwigger von Altdorf, den letzten bekannten Herren dieser Familie.
| In sehr früher Zeit waren auch die Herren von Ow hier begütert gewesen; Volkart von Ow, Dienstmann Graf Albrechts von Hohenberg, veräußerte 1289 Juli 16. und 1291 Febr. 1. Güter und Gülten, namentlich auch seinen Fronhof, an das mehr genannte Kloster. Unter Lehensherrlichkeit Graf Burkhards von eben diesem Grafengeschlecht stund Jörg von Hailfingen mit seinem Antheil am hiesigen Zehenten, womit er 1367 Sept. 12. von dem Grafen, aus Anlaß des Verkaufs der Herrschaft Wildberg und Bulach an den Pfalzgrafen Ruprecht, an letztern gewiesen wurde.
Unter der Hoheit des Klosters Bebenhausen blieb der Ort bis er mit demselben an Württemberg überging.
Das hiesige Ortsgericht wurde auf Anbringen Abt Peters von Bebenhausen (seit 1393) bei Graf Eberhard von Württemberg am Ende des 14. Jahrhunderts (nicht 1300), nachdem es „etwan viel Zeit niedergelegen“, wieder aufgerichtet. (Reyscher Statutarrechte 186.) – In den Jahren 1765–1800 bestund hier eine Amtei.
Die Kirche war dem heiligen Blasius geweiht; im Jahr 1381 Feb. 1. kommt vor Otto plebanus in Altdorf. Den Pfarrsatz hatte das Kloster Bebenhausen, welches im Jahr 1402 die Kirche incorporirte.
Wegen des Ortszehentens vertrugen sich 1487 Mai 25. das Kloster Bebenhausen, Conrad von Hailfingen und Wolf von Tachenhausen (vergl. Mauren) mit dem Stift Herrenberg, welches darauf verzichtete.