Beschreibung der Einrichtung des Landschullehrer-Seminariums zu Meiningen

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Autor: Anonym
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Titel: Beschreibung der Einrichtung des Landschullehrer-Seminariums zu Meiningen
Untertitel: Im März 1791
aus: Journal von und für Franken, Band 3, S. 513–526
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
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Erscheinungsdatum: 1791
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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I.
Beschreibung der Einrichtung des Landschullehrer-Seminariums zu Meiningen. Im März 1791.

Von dieser Anstalt steht in Herrn Hofrath Schlözers Briefwechsel im 45ten Hefte 1780 eine Beschreibung, die bey diesem Aufsatze eigentlich vorausgesetzt wird.

 Das Seminarium hat seinen Ursprung der ehrwürdigen Freymäurerloge, Charlotte zu den 3 Nelken, zu danken. Die Einweihung desselben geschahe den 14ten October 1776 im Logensaal. Der dabey angestellte Lehrer mußte vorher eine Reise in die Oberlausitz thun, um die dem hochadelichen Fräulein-Stifte Joachimstein gehörenden wohleingerichteten Landschulen zu besuchen. Die Rochowischen Schulanstalten waren damahls im Publico noch nicht so sehr bekannt.

|  Was nun die Einrichtung gedachter Anstalt selbst betrifft; so erhält ein jeder junger Mensch, der wenigstens 18 Jahre alt ist und den Ruf guter Fähigkeiten und eines anständigen Betragens hat, nach geschehener Anmeldung bey der Herzogl. Schul-Commission die Erlaubniß den Stunden im Seminario beywohnen zu dürfen; aber nur diejenigen werden unter die dienstfähigen Subjecte oder unter die Schulcandidaten aufgenommen, denen ihre Lehrer das Zeugniß der erforderlichen Geschicklichkeit geben. Im Ganzen genommen sind zeither die Gymnasiasten und Schulmeisters-Söhne gerade die schlechtesten Präparanden gewesen. Denn wer nicht zum Studiren tauglich ist, ists auch nicht zu einem Landschullehrer. Gleichwohl besitzen die Gymnasiasten wegen ihres bischen Lateins oft einen sehr schädlichen Stolz. Ist aber ein Gymnasiast gut und wird bloß durch seine Dürftigkeit vom Besuch einer Akademie abgehalten und will sich zu einem Landschulmeister vorbereiten lassen; so kann die vorhabende Absicht an ihm vielleicht besser erreichet werden, als an einem andern ganz ungebildeten jungen Menschen. Die Söhne der Schulmeister haben gewöhnlich einen unbeschreiblichen Dünkel, der sie| an ihrer Ausbildung hindert. Jünglinge von 18 bis 24 Jahren, die vom Dorfe oder aus einer Bedientenstelle mit guten Fähigkeiten, Erfahrungen und Wißbegierde in das hiesige Seminarium kamen und fleißig waren, sind immer am besten gerathen. Es gibt Orte, wo zu Schulmeistern bestimmte Gymnasiasten und Chorschüler ausser ihren Schulstunden wöchentlich einige Tage besondern Unterricht in Schulkenntnissen und in der Methode bekommen. Dieser Unterricht ist aber nicht hinreichend und zweckmäßig genug. Die zu Schulmeistern bestimmten Gymnasiasten und Chorschüler sind nach der Versicherung ihrer Lehrer gerade die schlechtesten Leute, welche die Stunden bloß um der Vortheile des Chors willen, aber unordentlich und ohne Aufmerksamkeit zur Störung ihrer Mitschüler besuchen. Jünglinge, die zu Teutschen Schulmeistern bestimmt sind, müssen einen ganz besondern ihrer Bestimmung gemäßen Unterricht erhalten und Tag für Tag in mehreren Stunden theoretisch und praktisch in nützlichen Kenntnissen geübt werden. Doch wieder zur Sache selbst. Die jungen Leute, welche das hiesige Seminarium besuchen, werden theils mit den Materialien zum Schulunterrichte, theils mit der Methode| theoretisch und praktisch bekannt gemacht. Der Cursus ist auf 11/2 Jahre gesetzt; sie können aber auch länger bleiben, und bleiben gewöhnlich länger da. Sie bekommen täglich 6 Stunden Unterricht und haben ausser dem ganzen Monat August eigentlich keine ordentlichen Ferien. In diesen Stunden werden sie unterrichtet

 1) nach des Herrn von Rochows Katechismus der gesunden Vernunft und dessen Versuch eines Schulbuchs für Kinder der Landleute, um ihnen richtige Begriffe von wichtigen Wörtern beyzubringen und sie zum Denken zu gewöhnen. Dieser Unterricht vertritt die Stelle der Logik und Metaphysik, die Studirende auf Akademien hören.

 2) Nach Seilers allgemeinen Lesebuch für Bürger- und Landschulen in der Erdbeschreibung überhaupt, und insonderheit von Teutschland, und nach einem schriftlichen Aufsatze von der gefürsteten Grafschaft Henneberg und Palästina.

 3) Nach Baumanns Entwurf einer Naturgeschichte und Naturlehre, in Verbindung mit Raffs Naturgeschichte und Helmuths Naturlehre, diese beyden Wissenschaften; so wie insonderheit die Lehre vom menschlichen Körper und die Gesundheitsregeln| jetzt nach dem Seilerischen allgemeinen Lesebuch, in Verbindung mit Baumanns Naturgeschichte und Villaumes Geschichte des Menschen; und die Lehre von der menschlichen Seele, als Vorbereitung zur Religion, die sich mit der Seele beschäfftigt, nach einem eigenen Aufsatze, der das davon enthält, was in Campes Seelenlehre für Kinder, und in Villaumes Geschichte des Menschen steht.

 4) Nach einem schriftlichen Aufsatze eine kurze Einleitung in die Geschichte überhaupt, und insonderheit von Deutschland das, was in Seilers Lesebuch davon gesagt ist, und ausführlicher die Sächsische Geschichte nach dem sächsischen Patrioten.

 5) Nach dem Berliner Lehrbuch die Kalenderkenntniß und Eintheilung der Zeit.

 6) Nach Stäpfischen Vorschriften das kalligraphische Schreiben und die Orthographie an Briefen und andern schriftlichen Aufsätzen.

 7) Nach dem Berliner Lehrbuch das Rechnen.

 8) Nach Herrn D. Seilers Geschichte der geoffenbarten Religion, dessen kleinern biblischen Erbauungsbuch, so wie Feddersens Leben Jesu und biblischen Erzählungen, nach dem größern Seilerischen Lehrgebäude| der christlichen Glaubens- und Sittenlehre, nach Langens biblischen Grundsätzen der Glückseligkeitslehre und dem Landeskatechismus – alles was zur Religion gehört.

 9) Nach Rists, Villaumes und Seilers Anweisungen, die Methode, was von allen diesen und andern nöthigen und nützlichen Kenntnissen und wie sie Kindern gelehrt werden müssen.

 10) Nach dem Rochowischen Kinderfreunde, der in allen Schulen des Landes als tägliches gewöhnliches Lesebuch eingeführt ist, dem Berliner Gesangbuch, Gellerts Fabeln und Erzählungen, Sturms Morgenbetrachtungen und der Bibel Übungen im Lesen, Erzählungen und Auswendighersagen mit Empfindung oder in der Declamation.

 11) Eine theoretische und praktische Anweisung in der Vocal- und Instrumental-Musik, im Singen, im Generalbaß, Choralspielen und in der Direction eines Chors.

 Wie viel und wie vielerley! Wie viel Zeit gehört dazu, um dieses alles vorzutragen, zu wiederhohlen und zu lernen! Freylich wird auf Seiten der Lehrer und der Zuhörer Fleiß, eine gute Eintheilung der Stunden,| und eine kluge Auswahl des Nöthigen und Nützlichen, so wie Privatfleiß, erfordert. Die angegebenen Lectionen und Übungen werden in folgenden Stunden und also getrieben:

 1) Von 6 bis 7 Uhr früh. Es werden einige schickliche Verse aus dem Berliner Gesangbuche gesungen oder gelesen, oder abwechselnd Sturms Morgenbetrachtungen von einem Zuhörer als Erbauungsbuch und als Übung im Lesen mit Empfindung gebraucht. Und nun wird den ganzen anderthalbjährigen Cursus hindurch Jahr aus Jahr ein in dieser Stunde alles getrieben, was Religion heißt – Religionsgeschichte und die Glaubens- und Sittenlehre nebst der Erklärung der Beweissprüche. Am Montag wird bisweilen die in der Waisenkirche gehaltene Predigt wiederhohlt, und am Sonnabend an einem biblischen Stück oder dem Sonntags-Evangelio praktisch gezeigt, wie man die Heilige Schrift zur Erbauung lesen müsse.

 2) Von 7 bis 8. In dieser Stunde werden binnen anderthalb Jahren die meisten übrigen Lectionen getrieben; aber nicht nach der in vielen lateinischen Schulen gewöhnlichen schädlichen Art, mehrere zugleich,| sondern eine nach der andern. Z. B. im ersten Vierteljahre Tag für Tag der Rochowsche Katechismus der gesunden Vernunft; dann etwa ein Vierteljahr lang nichts als Geographie; dann etwa binnen 8 Tagen die Kalenderkenntniß; dann binnen zwey Monaten die Lehren vom menschlichen Körper und der menschlichen Seele; dann binnen 4-5 Monaten die Naturgeschichte und Naturlehre; dann etwa binnen 3 Monaten die Historie, und endlich von Zeit zu Zeit während dieser Lectionen immer ein Stück nach dem andern aus den Methodenbüchern. Am Sonnabend werden in dieser Stunde jedesmahl die verfertigten Briefe und schriftlichen Aufsätze überhaupt vorgelesen, so, daß die Verfasser derselben, oder andere Seminaristen sie selbst verbessern müssen; auch wird am Mittwoch bisweilen ein Examen über den Bothen aus Thüringen und die Teutsche Zeitung, die beyde zum Lesen circuliren, gehalten.
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 3) Von 10 bis 11 Uhr. In dieser Stunde zeigt der Lehrer an einer gewissen Anzahl von Kindern (ehedem den sogenannten Logenknaben, nach deren Abgang den Waisenkindern, und nach deren Vertheilung ins Land den Kindern der Herzogl. Hofbedienten| welche die Hofschule ausmachen) den Seminaristen theils selbst praktisch, wie sie die ihnen mitgetheilten Kenntnisse Kindern beybringen müssen, theils müssen im Voraus dazu benannte Seminaristen über aufgegebene Stücke aus der Religion und aus andern im Seminario erlernten nützlichen Kenntnissen in seiner Gegenwart katechisiren. Es wird deshalb von ihm jeden Monat ein Verzeichniß gemacht, worin die Lectionen, Namen und Tage angezeigt sind, um daraus zu ersehen, wann ein jeder sein Pensum können müsse. Ein jeder bemerkt in einer Schreibtafel das Lobens- und Tadelnswürdige des aufgetretenen Katecheten. Am Ende der Stunde entfernen sie sich von den Kindern, und der Lehrer des Seminariums vernimmt dann eines jeden Zuhörers Urtheil über die gehaltene Katechisation, und fügt zuletzt auch das seinige hinzu. Diese Einrichtung ist von großem Nutzen.
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 4) Von 11 bis 12 Uhr. Da wird 4 Tage in der Woche eine Erbauungsstunde in der Waisenkirche gehalten. Der Pfarrer, der mit dem Lehrer des Seminariums eine Person ausmacht, zeigt da den anwesenden Seminaristen durch Katechisationen mit Kindern der Herzogl. Hofschule, wie die Religion| praktisch gelehrt werden müsse. Zu dem Ende wird an den Sonn- und Festtagen in den Nachmittagskirchen ein Jahr über die Evangelien und das andere über die Episteln, und in den 4 Wochenkirchen bald nach dem Landeskatechismus, bald nach dem Seilerischen Lehrgebäude, bald nach Dietrichs oder Langens Anweisung zur Glückseeligkeit katechisirt; bisweilen werden ihnen auch die biblischen Geschichten in Verbindung mit Feddersens Beyspielen der Weisheit und Frömmigkeit erzählt, durch Fragen wiederhohlt und dann zur Erbauung angewendet. Das Vorsingen und Orgelspielen besorgen 2 Seminaristen.

 5) Von 2 bis 3 Uhr oder auch von 8 bis 9 Uhr Vormittag bekommen die Seminaristen seit nunmehr 21/2 Jahren täglich durch einen Canzellisten Anweisung im Schreiben und Rechnen.

 6) Von 7 bis 8 Uhr Abends geschehen die musikalischen Übungen durch einen Hofmusikus, der die Seminaristen auch bisweilen in der Waisenkirche Singstücke aufführen läßt.

 Dieses Frühjahr und diesen Sommer sollen sie auch die Pflanzung und Behandlung der Obstbäume zu erlernen anfangen.

| Mit dem Seminario ist eine Normal- und Experimentalschule verbunden, woran 4 bis 5 Seminaristen Stunden geben. Sie besteht jetzt, wie schon gesagt worden ist, aus Kindern der Herzogl. Hofbedienten von verschiedenem Geschlecht, Alter, von verschiedenen Fähigkeiten, Kenntnissen und Temperamenten. Ein Seminarist lehrt die Religion, ein anderer treibt die Leseübungen, ein anderer das Schreiben und das Rechnen, noch ein anderer die Geographie, Naturhistorie u. s. w. Da werden aber alle Quartale, die Schreibstunde ausgenommen, Veränderungen gemacht. Der Lehrer des Seminarii hat über diese Schule die Aufsicht. – Die 2 jährlich angeordneten Examina werden im Jenner und Julius gehalten.

 Die Normalschule sowohl, als die Schule der Seminaristen, steht unter einer besondern Schulcommission. Die Beförderungen geschehen durch das Consistorium, dem bey jeder Schulvacanz drey Seminaristen von der Commission namhaft gemacht werden.

 Zur Seminarienbibliothek legte der für Meiningen überhaupt und insonderheit auch für die Kirchen und Schulen zu früh verstorbene Herzog Carl den Grund durch ein Geschenk von mehreren gemeinnützigen| und vorzüglich pädagogischen Schriften. Sie wird von Zeit zu Zeit vermehrt durch einen Beytrag an Geld, den jeder neuankommende Zögling und diejenigen Seminaristen geben müssen, welche Schulstellen erhalten. Auch werden die Gelder, welche an vier Sonntagen jährlich im Klingelbeutel in der Herzogl. Schloßkirche eingesammelt werden, dazu angewendet. Überhaupt wird jährlich nicht nur am Michaelisfest an einem jeden Orte eine Erziehungspredigt gehalten, sondern es werden auch jährlich viermahl die im Klingelbeutel eingegangenen Gelder zum Besten der Schule eines jeden Orts nach der Verordnung der Schulcommission gebraucht. Zeither ist der Rochowische Kinderfreund dafür angekauft und als das ordentliche tägliche Lesebuch eingeführt worden. Möchte doch auch bald ein anderer Katechismus als Volks-Religionsbuch den bisher gewöhnlichen verdrängen!
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 Die im Seminario unterrichteten Schullehrer müssen zwar nach einer vom Adjunctus und Waisenpfarrer Walch schon im Jahre 1777 entworfenen Instruction unterrichten, die sich auf ihren erhaltenen bessern Unterricht gründet; aber Schade ists, daß diese jungen Männer von mehreren ihrer| Ephoren, welche die Instruction nicht verstehen und nicht verstehen wollen, und zum Theil wider die Schulverbesserungen eingenommen sind, so behandelt werden, daß der gehoffte Nutzen bisher nicht an allen Orten erfolgt ist. Wenn die neu angestellten Lehrer mehr von einem Landschulinspector von Zeit zu Zeit in ihren Schulen besucht werden, so steht leider zu besorgen, daß viele nach dem alten Schlendrian fortarbeiten und fortarbeiten müssen.

 Als Anhang fügt man noch zu dieser Nachricht und Beschreibung das Personale, sowohl der Herzoglichen Schulcommission, als des Seminarii, hinzu.

 Zur Herzoglichen Schulcommission gehören:
1) Der Herr Geheimde Rath, Freyherr Eckbrecht von Dürkheim, als Director derselben.
2) Der Hr. Oberhofprediger und Consistorialrath Volkhart.
3) Der Hr. Geheimde Regierungsrath und Amts-Hauptmann von Uttenhoven,
4) Der Herr Hof- und Consistorialrath Heim.

Die Geschäffte des Secretarii besorgt der Herzogl. Gothaische Rath Walch.
|  Beym Seminario sind als Lehrer angestellt:

1) Der Herr Adjunctus und Waisenpfarrer Walch.
2) Der Herr Canzellist Lange als Schreibmeister, und
3) Der Herr Hofmusikus Raßmann als Lehrer der Musik – beyde seit 1789.