Textdaten
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Autor: Ernst Deecke
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Titel: Bertram Morgenweg
Untertitel:
aus: Lübische Geschichten und Sagen, S. 36–39
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: Carl Boldemann
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Erscheinungsort: Lübeck
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Quelle: Google, Commons
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24. Bertram Morgenweg.

Im Jahre 1222 kor man etliche zu Rath, darunter auch Herrn Bertram Morgenweg. Dieser ist anfänglich ein armer Knabe gewesen, der von seinen Eltern nichts gewüßt. Sein Herr, dem er einige Jahre gedient, ließ ihn aber täglich eine Stunde in die Schule gehn, und pflegte ihn öfter zu fragen, wann er einmal weg wollte, um sich in der Welt zu versuchen. Immer war die Antwort: „Morgen will ich weg“; so daß der Herr endlich zu ihm sagte: „Du magst wohl ein rechter Morgenweg heißen.“ Nun war des Knaben Herr eine Rathsperson, die unzählige Güter aus Reußland erworben, und nur ein einziges Töchterlein von 3 oder 4 Jahren hatte. Seine Diener, Gesellen oder Lieger aber waren in Reußland und wurden, wenn sie sich mit ihren Waaren einstellten, ehrlich gehalten; besonders einer, der mit dem Herrn in Maskopei saß und mächtig reich geworden war. Dem gefiel Knabe Bertram recht wohl; und empfing von ihm Geld für den Schulmeister, daß er fleißig lernen, und dann mit erster Schiffsgelegenheit gen Riga kommen und ferneren Bescheid erwarten sollte. Das thut der Knabe, hält sich wohl, und da seine Zeit und Gelegenheit vorhanden, steht er des Morgens früh auf, schlägt im Hause die Tischdecke ein wenig zurück und schreibt mit Kreide auf den Tisch: „Morgenweg ist all weg“: [37] damit geht er hinaus nach dem Schiff und segelt davon. In Reußland angekommen, hält er sich etliche Jahr so ehrlich, treu und wohl bei seinem Herrn, daß der ihn zu sich in den Handel nimmt. Da beginnt er auch reich zu werden, bis endlich sein Herr, da er krank wird und sein letztes Stündlein vermerkt, auch bedenkt, daß er keine nahe Verwandte und Freunde hat, die sein Geld und Gut erben könnten, ein Testament macht und dem Morgenweg all sein wohlgewonnen Gut giebt; und damit von dieser Welt scheidet.

Da nun dieser Morgenweg nicht weit von 30 Jahren war, dachte er an seines alten Herrn Tochter, wie oftmals er dieselbe auf den Armen getragen; und beginnt sie heimlich in seinem Herzen zu lieben. Er giebt sich aber einen andern Namen und schicket seinem alten Herrn nach Lübeck viele und stattliche Güter, mit Begehren, daß er solche zu Gelde mache und ihm die und die Waaren wieder schicke. Der Herr zu Lübeck empfängt so großes Gut, daß er sich darüber verwundert; wie aber dieß Uebersenden und Wiederempfangen eine Weile fortgegangen, schicket der Morgenweg sein bestes und theuerstes Gut vorweg und folget selbst nach, legt eines geringen seefahrenden Mannes Kleider an und bringt dem Herrn die Briefe, die bei den Waaren gehörig, und bittet auf einen oder zwei Tage um Herberge, weil er fremd und unbekannt sei. Der Herr sagt ja, und nimmt ihn mit an seine [38] Tafel zu seinen andern Gästen, setzt ihn jedoch, weil er schlecht gekleidet, unten an. Da nun die Gäste, der Gewohnheit nach, einer um den andern Geld zu Wein legen, will dieser Morgenweg, obgleich Bootsmann, doch nicht der Geringste sein, und legt so viel auf, als alle andern zusammen; dessen sich der Herr, wegen seines ärmlichen Aeußeren, sehr verwundert. Weil nun dieses etlichemal geschieht, wird der Herr bewogen, wie auch die anderen Gäste, zu fragen, wer er sei, samt andern Umständen mehr. Da sagt Morgenweg: sie sollten sich zufrieden geben bis morgen zu Mittag. Inmittels bittet er den Hausknecht, daß er ihm seinen Tragkasten hinten auf die Kammer überm Pferdestall helfen möchte; und geht hernach zum Balbirer, giebt ihm gut Trinkgeld, daß er den andern Morgen um 8 Uhr zu ihm auf die Kammer kommen und ihn scheinbar machen wolle. Das geschieht; als aber der Balbirer weg ist, macht Morgenweg seinen Kasten auf, nimmt seine stattlichen Kleider heraus, staffiert sich auf’s herrlichste und kömmt, da der Herr schon mit den anderen Gästen zu Tische sitzt, und setzt sich, wie er die vorigen Tage gethan, unten an. Der Herr zwar steht sogleich auf und will ihn obenan setzen; aber Morgenweg wollte durchaus nicht. Da war keiner an der Tafel, der so viel Lust hatte zu essen, als zu vernehmen, wer er sei. Nach der Mahlzelt begehrt der Fremde, daß der Herr ihm alle Frachtbriefe wegen der großen im Hause liegenden Güter [39] bringen möchte; er wolle dagegen seine auch zeigen; dann würde man verstehen, wer er wäre, – nämlich der Bertram Morgenweg, der stillschweigend um die und die Zeit nach Reußland gegangen und dort zu großem Gut gelangt wäre.

Wie das der Herr hört, wird er der Freude so voll, daß er Mutter und Tochter zu sich in die Stube beruft, und ihnen vermeldet, daß dieser verlorene Sohn sein Bertram Morgenweg sei; auch befiehlt, daß sie den Gast hoch halten sollten, da sie, wenn es Gott gefällig, bald noch bessere Freunde werden könnten. Wie denn auch unlängst danach der Herr seine einzige Tochter mit großem Gut dem Bertram zur Frau gegeben hat.

Da nun Bertram auch zu Rath gekoren war, hat er das große Haus zum heiligen Geist gestiftet, wo an die hundert arme Leute gespeiset werden, außer dem Koch, Küchenjungen, Becker, Brauer, Mägden und andern, die den Armen auf den Dienst warten. Auch hat er stattliche Dörfer und Güter und Aecker vor der Stadt gekauft, damit von dem jährlichen Einkommen die Armen verpflegt würden, die Kranken aber täglich ein Plank Wein und je Zwei ein gebratenes Huhn bekämen. Endlich hat er der Sicherheit wegen 14000 Stück Goldes in allerlei alter Münze den beiden ältesten Bürgermeistern als Vorstehern übergeben, damit unversehener Schaden und Unheil davon und nicht von den andern Zinsen gebessert werden möchte.

Aber das Geld ist längst verbaut.

Bemerkungen

[389] Die Sage lehnt sich an die Familie der Mornewech, von denen Bertram, der seit 1271 als Senator vorkömmt und am 1. Nov. 1282 starb, sich um das Hospital zum Heil. Geist Verdienst erworben haben muß, wenn es gleich keinesweges von ihm gestiftet ist.