BLKÖ:Ziehrer, Karl Michael

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Zierer, Franz
Band: 60 (1891), ab Seite: 63. (Quelle)
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Ziehrer, Karl Michael (Tanzcompositeur, geb. in Wien 1843). Seine Eltern sind Wiener Bürger, die ein ansehnliches Hutmachergeschäft in der Vorstadt Mariahilf besitzen. Von früher Jugend zeigte er Neigung und Talent zur Musik, und besonders war es die Tanzmusik, welche er mit Vorliebe [64] pflegte. Aber der junge Mann brauchte lange, um durchzudringen, und hatte wahrhaftig einen Kampf ums Dasein zu bestehen, trotz aller Hilfe und Unterstützung, welche ihm der Verleger Karl Haslinger in aufopferndster Weise zutheil werden ließ. Derselbe war lange Zeit der Verleger der Wiener Walzerkönige Vater und Söhne Strauß[WS 1]. Als aber Letztere mit ihren wachsenden Erfolgen – Anfangs der Sechziger-Jahre – höhere Honoraransprüche stellten, glaubte er dieselben ablehnen zu müssen. Sofort knüpften Gebrüder Strauß ihre frühere Verbindung mit der Musicalienhandlung C. A. Spina an, und nun ging Haslinger auf Suche nach einem Concurrenten. Er griff nach einem Schüler des Professors Em. Hasel, einem jungen Manne, der recht fertig Clavier spielte und auch einige Compositionen zu Papier gebracht hatte. Dieser junge Mann war K. M. Ziehrer. Haslinger nahm sich seines Schützlings in geradezu aufopfernder Weise an, ließ es von dessen erstem Auftreten im Dianasaale angefangen an Reclamen und was sonst denselben fördern konnte, nicht fehlen, ohne jedoch sein vorgestecktes Ziel zu erreichen. Im Jahre 1863 erschien bei Haslinger Ziehrer’s erste Tanzcomposition mit dem Titel: „Wiener Tanzweisen“, und er veröffentlichte deren nahezu bis zum zweiten Hundert; aber nach Haslinger’s Tode mußte die Verlagshandlung doch die Herausgabe weiterer Ziehrer’schen Compositionen aus commerciellen Gründen einstellen. Indessen fuhr der Componist fort, durch öffentliche Concerte sich ein Publicum zu gewinnen. Aber er konnte sich immer nur kurze Zeit in öffentlichen Belustigungsorten behaupten, die Gebrüder Strauß hatten den Vorzug des ererbten Namens und der Gewohnheitsliebe des Publicums. Nach großen pecuniären Opfern, die er seiner Capelle gebracht, trat er zunächst als Capellmeister in das Regiment Gondrecourt Nr. 55, bildete aber wieder, als dasselbe Wien verließ, eine Civilcapelle. Doch auch mit dieser hatte es keinen Bestand, und er nahm neuerdings als Capellmeister im Regimente Knebel Nr. 76 Dienste, bis im Frühling 1878 die Capelle Strauß vacant wurde, indem sich dieser ein anderes beweglicheres Orchester zusammenstellte, worauf sich das leitende Comité der aufgelassenen Capelle Ziehrer als Dirigenten erwählte. Nun trat er mit derselben Concertreisen an und spielte in Pesth, Bukarest, Odessa, Constantinopel und anderen Orten. In Bukarest, wo er 1879 vor dem Hofe concertirte, wurde er zum rumänischen Hofcapellmeister ernannt. Seit 1885 ist er auch Capellmeister des Regimentes Hoch- und Deutschmeister Nr. 4, das seinen Stab- und Hauptwerbbezirk in Wien hat. Die Zahl seiner Compositionen hat schon eine ansehnliche Höhe erreicht, sie übersteigt die Nummer 400 und besteht aus Walzern, Quadrillen, Polkas, Märschen, Ouverturen u. s. w. Von den Walzern sind einige, aber doch verhältnißmäßig sehr wenige populär geworden, wir nennen: „Die Jägerin“, „Die Rudolfsheimerin“, „Mamsel Uebermuth“, „Hat ihm schon“ Op. 100, „Der Walzer der Kaiserin“ (Nr. 177), „Der Himmel voller Geigen“, „Wienerisch“. Auch in der Operette hat er sich versucht und deren einige geschrieben: „Cleopatra“, in Gemeinschaft mit Richard Genée, welche in der ehemaligen komischen Oper zur Aufführung gelangte, ohne jedoch sich auf dem Repertoire zu erhalten; besser glückte es ihm mit „König Jerome“, und dann schrieb [65] er noch die Operetten. „Wiener Kinder“ und „Ein Deutschmeister“. Außer auf musicalischem Gebiete trat er auch auf journalistischem Felde auf und begründete am 1. Jänner 1874 das Musikblatt: „Die deutsche Musikzeitung“, welche aber schon nach einigen Jahren in fremde Hände überging und nur den Namen Ziehrer ’s als Gründers beibehielt. Unser Componist besitzt die österreichische goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft.

Das geistige Wien. Künstler- und Schriftsteller-Lexikon. Herausgegeben von Ludwig Eisenberg und Richard Groner (Wien, Brockhausen, gr. 12°.) Jahrg. 1890. S. 319.
Porträts. 1) Unterschrift: „C. M. Ziehrer“. Nach einer Photographie von J. Löwy. Ig. Eigner (gez.), Angerer und G.ch, gr. 4°. im I. Jahrg. der von Ziehrer begründeten „Deutschen Musik-Zeitung“. – 2) Lithographie auf dem Titelblatt seiner Polkacomposition „Hat ihm schon“ Op. 100.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Johann, Joseph und Eduard Strauß.