BLKÖ:Zerboni di Sposetti, Julius von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 59 (1890), ab Seite: 331. (Quelle)
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Zerboni di Sposetti, Julius von (Schriftsteller, geb. 15. August 1805, gest. 9. August 1884). Sein Vater Karl war Gutsbesitzer und Landstand in der preußischen Provinz Posen, wanderte aber um 1816 nach Oesterreich aus, wo er theils als Privatmann, theils als Gutspächter lebte und in Neudorf bei Theben starb. Seine Mutter Maria Josepha war eine geborene Grundmann. Julius erhielt seine Erziehung an den verschiedenen Schulen, welche er bei dem öfter wechselnden Aufenthalte seines Vaters besuchte. Nachdem er das Gymnasium beendet hatte, trat er als Accessist bei der k. k. Hofkriegsbuchhaltung in den Staatsdienst, vertauschte aber denselben bald mit der Landwirthschaft, indem er verschiedene Besitzungen in Mähren und Schlesien bewirthschaftete. Wann er nach Niederösterreich, und [332] zwar nach Wien übersiedelte, ist nicht bekannt, aber schon 1841 erscheint er als Mitglied der k. k. Landwirthschaftsgesellschaft daselbst. Auch kamen genannten Jahres in Druck heraus seine „Lyrischen Blätter“ (Wien, Strauß’ Witwe), eine Sammlung von Gedichten, von denen jedoch die Literaturgeschichte keine Notiz nahm. In den Vordergrund trat er erst im Bewegungsjahre 1848, in welchem er der überhandnehmenden Revolutionspartei muthig und entschieden, aber erfolglos entgegenwirkte. In der ersten Zeit zählte er noch gar nicht zu den später in Acht und Bann gelegten sogenannten „Schwarzgelben“. Erschien doch von ihm in der damals von Ferdinand Luib redigirten „Wiener allgemeinen Musik-Zeitung“ das Gedicht „Oesterreich hoch!“, Nationalhymne nach der Melodie des Volksliedes, und heißt es in der zweiten Strophe dieses Gedichtes: Oestreich hoch! zu Boden nieder | Alle, die das Land bedroh’n, | Schaart euch treu und muthig, Brüder, | Um des Kaisers heil’gen Thron! | Nieder die, die ihn im Leben | Hielten in der Knechtschaft Band!! u. s. w. Als die Erhebung aus ihrem normalen Geleise trat und Emissäre aus allen Herren Ländern die Aufregung nährten, die radicalen Blätter wie Pilze aus der Erde wuchsen, sich Parteien bildeten und diese zu Vereinen sich krystallisirten, da war es Julius von Zerboni, der im Mai einen vom 15. dieses Monats datirten „Zuruf an alle Völker des freien Oesterreichs“ im Namen eines Vereines wahrer Vaterlandsfreunde“ (4°., ohne Druckort und Jahr, 8 S.) mit der Losung „Das Vaterland ist in Gefahr“ erscheinen ließ und dann in Gemeinschaft mit dem Arzte Dr. Rudolf von Vivenot [Bd. LI, S. 91 u. f.] den constitutionellen monarchischen Verein bildete, dessen Mitglieder, im Gegensatze zu der Partei der Revolution oder der Radicalen, den Namen „Schwarz-gelbe“ in Anspielung auf die alten österreichischen Farben erhielten. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweisen wir auf den Artikel Vivenot in unserem Werke. Zugleich war Zerboni [] Nationalgarde der 2. Compagnie des Schottenviertels und hatte schon in einem Artikel vom 19. Mai in der „Allgemeinen Theater-Zeitung“ zu einer Adresse an Seine Majestät aufgefordert, welche die Bitte aussprach, daß die am 15. Mai festgesetzte Bestimmung „daß die Linientruppen nur auf Verlangen der Nationalgarde ausrücken dürfen“ aufgehoben werde. Auch stellte er am 2. August im Verwaltungsrath der Nationalgarde den Antrag der Widmung eines Ehrensäbels für den Marschall Radetzky als Repräsentanten der österreichischen Armee in Italien zum Wahrzeichen der Anerkennung ihrer bewiesenen Ausdauer und Tapferkeit und daß dieser Antrag bei sämmtlichen Compagnien der Garde in Anregung gebracht werde. Ueberhaupt entwickelte er als einer der Hauptrepräsentanten der Ordnungspartei, wie ich selbst Gelegenheit genug hatte, es wahrzunehmen, eine geradezu aufreibende Thätigkeit, die vielleicht nicht immer der entsprechenden Mittel sich bediente, im Uebereifer die Partei der Gutgesinnten oft in Verlegenheit setzte und ihm selbst genug Spott und Herabsetzung von Seite der Revolutionspartei in der radicalen Presse einbrachte. Auch über das Weichbild der schon in vollster Aufregung begriffenen Stadt Wien erstreckte er seine Wirksamkeit, wie es aus einem in Znaim erschienenen Aufrufe an die Mährer erhellt, in [333] welchem er sie auffordert, treu zu ihrem constitutionellen Kaiser zu halten und sich durch die in Wien erneut ausgebrochene Revolution nicht irre machen zu lassen. Nach Bewältigung der Wiener Erhebung finden wir ihn bei der von Zang ins Leben gerufenen „Presse“ thätig, und als dann dieses mit den Regierungsmaßnahmen nicht einverstandene Blatt zur Opposition überging, welche endlich einen solchen Charakter annahm, daß in den damaligen Tagen des Belagerungszustandes dasselbe unterdrückt wurde, folgte er, als es nach Brünn übersiedelte, dahin, und aus amtlichen Schreiben erfahren wir, daß er einen „mäßigenden und mildernden Einfluß“ auf das Blatt ausgeübt habe, der jedoch in Anbetracht des Charakters des Hauptredacteurs wohl mehr in Zerboni’s eigener Meinung als in Wirklichkeit bestanden haben mochte. In der Folge zog er sich von aller publicistischen und politischen Thätigkeit zurück und lebte nur noch als Privatmann. Julius von Zerboni, seiner äußeren Erscheinung nach eine Hünengestalt, gehörte zu den typischen Gestalten der Ordnungspartei im Jahre 1848. Ueberall im Vordergrunde verfehlte er durch sein impetuoses Auftreten umsomehr seine Zwecke, als bei der damals leider durch feiges Verhalten der Gutgesinnten in ungeheuerlicher Zunahme begriffenen Revolutionspartei alle Vortheile des Gelingens lagen und der einzelne „Himmelsstürmer“ mehr komisch erschien, als sich wirksam erweisen konnte. Leute dieser Art haben der Aufrechterhaltung der Ordnung, die ja ohnehin aus Rand und Band war, nicht geschadet, aber auch nichts weniger als genützt.

Helfert (Freiherr von). Die Wiener Journalistik im Jahre 1848 (Wien 1877, Manz, 8°.) S. 183 u. f. – Das Jahr 1848. Geschichte der Wiener Revolution. Von Reschauer begonnen, von Moriz Smets beendet. Illustrirt von V. Katzler, F. Kriehuber u. A. (Wien 1872, Waldheim, 4°.) Bd. II, S. 238 und 466. – Wiener Katzenmusik (Spottblatt von Willi Beck und Siegmund Engländer, 4°.) 6. Juli 1848, Nr. 16: „Neueste Rede des Herrn Julius Zerboni di Sposetti“, mit Zerboni’s Caricaturbildniß. – Helfert (Freiherr von). Der Wiener Parnaß im Jahre 1848 (Wien 1882, Manz, gr. 8°.) S. XXII, S. 62, Nr. 372; S. 65, Nr. 387.