Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 9 (1863), ab Seite: III. (Quelle)
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Vorwort.

Indem ich den neunten Band meines Lexikons der Oeffentlichkeit übergebe, kann ich nicht umhin, die alte Klage über zwei Uebelstände, die mich gleich empfindlich treffen, anzustimmen. Der eine derselben ist die unbefugte und rücksichtslose Benützung meines Werkes. Diese findet oft Wort für Wort, ja manchmal bis auf die Druckfehler, und immer ohne Angabe der Quelle Statt. Die Artikel Grillparzer und Haydn erfreuten sich – wie früher einmal der Artikel Eßterházy – des besonderen Wohlwollens einiger mir unbekannten Liebhaber von Biographien. Bei meinem Artikel Haydn ergab sich der nachstehende interessante Fall, der einen komischen Beitrag zur Geschichte des Feuilletons bietet. In einer deutschen Zeitung erschien vor einiger Zeit ein ganzes Feuilleton über Haydn, das mich beim ersten Anblicke durch die Menge interessanter Einzelheiten fesselte. Als ich aber den Aufsatz aufmerksam las, war mir nicht nur Alles schon bekannt, sondern ich fand, daß der Inhalt des Feuilletons ganz mein geistiges Eigenthum sei. Ich ließ mich die Mühe nicht verdrießen, die einzelnen Zeilen des Feuilleton-Artikels in meiner Monographie über Haydn aufzusuchen und in beiden mit gleichen Zahlen zu bezeichnen. Es stellte sich sofort heraus, daß das ganze Feuilleton, einige Unterscheidungszeichen ausgenommen, aus meinem Artikel zusammengesetzt und von dem Plagiator jenes biographische Detail benutzt worden war, das eben wenig oder gar nicht bekannt, oder aber schon vergessen war. Würde nur an Einer Stelle des umfangreichen Plagiates nebenbei der benutzten Quelle gedacht worden sein, die sich solchen Beifalls erfreute, ich würde kein Wort [IV] darüber verlieren, so aber verdient dieser Diebstahl eines literarischen Buschkleppers rücksichtslose Ahndung. Ich habe nie gegen die Benützung meines Werkes geeifert, es ist ja dazu da, und wenn Anfragen an mich gestellt wurden, ob diese oder jene Reihe von Biographien über Personen einer Kategorie ganz oder im Auszuge nachgedruckt werden dürfe, habe ich stets meine Zustimmung gegeben, aber gegen eine Freibeuterei, wie die oberwähnte, lege ich entschieden Verwahrung ein. Der zweite Uebelstand ist, daß meine, in zweifelhaften Fällen gestellten, stets frankirten, brieflichen Anfragen, wenn es sich z. B. um Berichtigung eines Geburts- oder Sterbedatums oder sonst um eine Mittheilung handelt, die für mein Werk, aber auch für Jenen, den sie betrifft, nicht unwichtig ist, entweder so unzulänglich oder doch so spät beantwortet werden, daß ich die mir gemachten Mittheilungen nicht mehr benutzen kann. Ich werde durch einen solchen Vorgang unnöthiger Weise in meiner Arbeit aufgehalten und muß manche, wenn auch kleine Lücke stehen lassen, die zu ergänzen eben mein Streben war. Ueberhaupt, wollte ich jedem Bande einen getreuen Rechenschaftsbericht über das während der Arbeit desselben und im Hinblicke auf dieselbe Erlebte beifügen, es würde eine wahre Leidensgeschichte zu Tage kommen. Von den anderen Schwierigkeiten meiner Arbeit, insbesondere bei Benützung von Werken und handschriftlichen Materialien, mag ich gar nicht reden. Lessing sagt irgendwo: Den Geist aus guten Büchern zu liefern, sei weder schwierig noch sehr nützlich, aber aus mittelmäßigen und schlechten Büchern, aus der vielen Spreu die Körner zu sichten, sei ein verdienstliches Geschäft. Und in der That, diesem Geschäfte unterziehe ich mich bei meiner Arbeit täglich, ja stündlich, und bin dabei zur Ueberzeugung gelangt, daß es wirklich kein so schlechtes Buch gebe, wo sich nicht eben eine Notiz oder ein Gedanke befände, der es werth ist, der Vergessenheit entrissen zu werden. Ein gleiches, nur noch mühevolleres Suchen ist mit der Benützung handschriftlicher Materialien verbunden, und aus ganzen Actenconvoluten beträgt die Ernte oft nur wenige Zeilen.

Die freundliche, ja warme Theilnahme, welche die Kritik – aber, ein paar österreichische Blätter ausgenommen, auch wieder [V] nur die auswärtige – meinem Werke zuwendet, der ermunternde Zuruf von Männern der Wissenschaft, welche die Schwierigkeiten meiner Arbeit ernstlich würdigen, läßt mich vergessen, daß der materielle Gewinn – und jede Arbeit ist doch ihres Lohnes werth – so gering ist, daß ich nur durch die Munificenz der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften noch im Stande bin, sie fortzusetzen; denn die regelmäßigen Auslagen für Unterhaltung einer umfangreichen Correspondenz, für Copirungsarbeiten, für Uebersetzungen aus den vielen Sprachen der Monarchie, für welche die Uebersetzer oft sehr schwer zu finden sind, ferner für Correcturen und Bücherankauf, absorbiren den größten Theil meiner Einnahme. Indem ich also der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften meinen Dank ausspreche für die mir gewährte Unterstützung, welche mich in den Stand setzt, meine Arbeit fortzusetzen, fühle ich mich noch gedrungen, jenen Wenigen öffentlich meinen Dank zu sagen, die mir entweder ununterbrochen oder zeitweilig Mittheilungen wichtiger Einzelheiten oder interessanter Materialien gemacht haben. Des Einen von diesen kann ich nur mit tiefster Betrübniß gedenken, er kann diese Worte aufrichtigen Dankes nicht mehr lesen, denn vor wenigen Wochen erst ist er hingegangen, wo alle Arbeit ein Ende hat. Es ist der gelehrte Forscher Joseph Feil (gest. zu Wien 29. October 1862), an den ich nie vergeblich eine Frage gestellt und von dem ich manche interessante Nachweisung erhalten habe. Feil verfolgte mein Werk mit so sichtlichem Interesse, daß jede Begegnung mit ihm eine wahre Aussaat der lehrreichsten und nützlichsten Bemerkungen für mich wurde.

Ferner sage ich meinen freundlichsten Dank den Herren Dr. L. A. Frankl und Heinrich Grave, welche beide seit Jahren meine Sammlungen durch Spenden geschriebener und gedruckter Materialien, Letzterer noch überdieß durch die Bildnisse denkwürdiger Menschen, bereichern, wodurch ich in den Besitz mancher werthvollen Mittheilungen gelangte, die ich entweder bereits benützt habe oder seiner Zeit benützen werde; ferner den Herren in den drei Kronländern Oberösterreich, Krain und Croatien, nämlich dem hochwürdigen, durch seine geschätzten culturhistorischen Arbeiten in Kreisen der Wissenschaft bekannten P. Amand Baumgarten, Capitular des Benedictinerstiftes Kremsmünster, dem [VI] Herrn Zoll-Oberamtsdirector Heinrich Costa in Laibach und dem gelehrten Archäologen und langjährigen Freunde Ambros Grabowski, welche sämmtlich mir schon früher manche schätzenswerthe Mittheilungen gemacht haben, und die ich im Interesse der Sache nur bitten muß, darin auch ferner fortzufahren.

Und nun noch ein Wort der Abwehr. Eben als ich die Vorrede schließe, wird mir Nr. 42 des Jahres 1856 der von Dr. L. Philippson redigirten „Allgemeinen Zeitung des Judenthums“ zugesendet, worin die Notiz steht, „daß mein Werk auch den jüdischen Celebritäten volle Gerechtigkeit widerfahren lasse und sich bei der Abfassung dieser Artikel auch der Herr Religionslehrer Wolf betheilige“. Die erste Hälfte dieser Mittheilung ist wahr, die zweite unwahr. An der Abfassung auch nicht eines Artikels in meinem Lexikon betheiligt sich außer mir irgend Jemand. Wenn Herr Wolf mir gelegentlich vereinzelte Mittheilungen, wie z. B. über Peter Beer, Michael Benedict, M. Lazar Biedermann machte und ich sie neben meinen eigenen reichen Sammlungen und Aufzeichnungen benützte, so kann ich ihm wohl für diesen freundlichen Act der Theilnahme, wie ähnlichem Entgegenkommen anderer Herren, meinen herzlichen Dank sagen; aber von einer „Betheiligung bei Abfassung dieser Artikel“, also einer förmlichen Mitarbeiterschaft, darf nicht die Rede sein; es wären ja dann auch die von mir bezahlten Uebersetzer, die Abschreiber, ja die Antiquare, deren Bücher ich kaufe, die Setzer, welche mein Werk setzen, Mitarbeiter desselben. So viel zur Berichtigung der obenerwähnten Notiz.

Wien, im Jänner 1863.
Dr. Constant von Wurzbach.