BLKÖ:Vorwort (Band 55)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 55 (1887), ab Seite: III. (Quelle)
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Vorwort.

Wenn ich diesem Bande ein kurzes Vorwort vorsetze, so geschieht es wohl zunächst darum, um einem theuercn Verblichenen, der nicht nur an meinem Werke den regsten Antheil nahm, sondern mich mit seinem umfangreichen Wissen in liebenswürdigster Weise seit mehr denn zwölf Jahren förderte, ein Wort der Erinnerung zu widmen. Ich meine den Bibliothekar an der Münchener königlichen Staatsbibliothek Dr. Anton Gutenäcker (gest. in München 16. März 1887), durch den mir in liberalster Weise die Schätze derselben eröffnet wurden, und der, da er unausgesetzt die Ereignisse des Tages verfolgte und die bezüglichen Vormerkungen machte, mir nicht selten die gesuchten Aufschlüsse ertheilte. Aber nicht allein, daß er ein lebendiges Conversationslexikon war, daß er auf jede Frage, die man an ihn richtete, einen erschöpfenden Bescheid gab, daß er jede Neuigkeit des Büchermarktes kannte und mich auf sie hinwies, wenn sie etwas meine Arbeit Förderndes enthalten mochte, nein, nicht nur diese kostbaren Eigenschaften des Büchermannes besaß er, sondern die Art und Weise, wie er dem Forscher auf die rechte Fährte half, die Liebenswürdigkeit, mit welcher er Jedem, der sich an ihn wandte, diente, die unerschöpfliche Bereitwilligkeit, mit der er Quartanten und Folianten nicht selten in eigener Person brachte, nie auch nur einen Zug des Unwillens, Verdrusses oder der Ermüdung zeigend, nur stets mit fröhlicher, ja fast mit Siegermiene ausrufend: „da finden wir sicher etwas“, diese an einem Bibliothekar besonders schätzbaren, [IV] aber auch nicht zu häufigen Eigenschaften zeichneten ihn aus und machten mir den zu früh Verblichenen, der unter seinem vorletzten Vorsteher nicht auf Rosen gebettet gewesen, schwere Unbill im Amte erlitten und wohl auch die ersten Keime des Leidens davontrug, das ihn vor der Zeit dahinraffte, ganz besonders werth. Have anima pia! Gutenäcker war ein Bibliothekar, wie er sein soll! Er betrieb kein Lieblingsfach, welches ihn seine amtliche Stellung als Nebendienst betrachten ließ, er war der vollendete Büchermann, allseitig, die Bibliographie als Wissenschaft betreibend, der bücher- und quellenkundige Encyklopädist, der bereitwilligste kenntnißreiche Custode, der nicht auf seinen Schätzen saß, dem Hunde im polnischen Sprichworte gleich, der auf dem Heu sitzt, es selbst nicht frißt, aber auch keinem Anderen gönnt, eine Eigenschaft, die wir bei diesen Hütern der Schätze Minervas leider nur zu oft angetroffen. Ein Beispiel für mehrere: Ich arbeitete für mein Lexikon gerade den Artikel Kriehuber, und es galt, eine Uebersicht wenigstens jener Bildnisse dieses Künstlers, der mit einer nur ihm eigenen Genialität die größte Aehnlichkeit mit vollendeter Idealisirung zu verbinden wußte, zu bringen, welche als historische Persönlichkeiten einen mehr als ephemeren Werth besitzen. Nun wußte ich, daß ein Institut der Kaiserstadt eine reiche zur öffentlichen Benützung bestimmte Bildersammlung und in dieser die vollständige Collection der Werke dieses vortrefflichen Bildnißmalers besaß. Die Einsicht in die wohlgeordneten Mappen hätte mir die Arbeit wesentlich erleichtert, aber der Custode der Bildersammlung, ein Cerberus im wahren Sinne des Wortes, mit dem man sich am liebsten nicht zu schaffen machte, fuhr mich auf meinen Wunsch, die Mappen mit Kriehuber’s Bildnissen einzusehen, derart an, daß ich darauf verzichtete und mich lieber an den Künstler selbst wandte. Dieser nun ging mit solcher Liberalität vor, daß er mir sämmtliche Mappen zur Verfügung stellte, welche ich denn auch buchstabenweise durch einen Dienstmann in meine ferne Wohnung schaffen ließ, wo ich das in meinem Lexikon befindliche Verzeichniß der Bildnisse [Bd. XIII, S. 222–229] [V] anfertigte. Aber der ganze Vorgang war ein sehr kostspieliger, weil der Dienstmann, der die schweren Foliomappen in meine in einer fernen Vorstadt gelegene Wohnung trug, bezahlt werden mußte. Auch könnte ich noch mit mancher anderen Ergötzlichkeit dienen, die mir bei Benützung öffentlicher Bibliotheken während der dreißig und mehr Jahre, welche ich an meinem Lexikon arbeite, widerfuhr, aber heute will ich nur dem Andenken meines zu früh verblichenen mir unvergeßlichen Gutenäcker das Dankesopfer bringen. Daß er aber ausschließlich Bibliograph und somit ein Bibliothekar in des Wortes eigentlichem Sinne war, Zeugniß dafür gibt sein überraschend reicher handschriftlicher Nachlaß, der aus 90 Cartons mit mehr als hunderttausend Blättern besteht, deren bibliographische Aufzeichnungen, nach zehn Kategorien (Bibliotheken, Künstler, Typographie, Xylographie, Wappen, Briefmarken, Literatur, Biographie, Culturgeschichte und die Stadt München) geschieden, eine nach Hunderttausenden zählende Menge von literarischen Nachweisen enthalten, und dessen Erwerbung eine öffentliche Bibliothek, die davon zunächst den entsprechenden Gebrauch zu machen verstünde, sich nicht entgehen lassen sollte.

Daß ich bei einer Arbeit, wie es mein Lexikon ist, auf die Unterstützung öffentlicher Bibliotheken angewiesen bin, ist selbstverständlich, und so erstatte ich denn bei dieser Gelegenheit, als ich des verstorbenen Freundes und Bibliographen mit Wehmuth und Trauer gedachte, auch einigen Lebenden meinen wärmsten Dank für die Art und Weise, wie sie mich in meiner Arbeit fördern, und so wollen denselben denn die Herren Dr. F. Grassauer, Director der Universitätsbibliothek in Wien, Dr. Alois Müller, Director der Universitätsbibliothek in Gratz, Dr. Ludwig v. Hörmann, Director der Universitätsbibliothek in Innsbruck, A. J. Hammerle, Vorstand der Collegienbibliothek in Salzburg, Dr. Gottfried Muys, Vorstand der k. k. Studienbibliothek in Laibach, Dr. Fischnaler, Custos des Ferdinandeums in Innsbruck und Adalbert Valenta, Scriptor an der Bibliothek der deutschen technischen [VI] Hochschule in Prag für die Bereitwilligkeit entgegennehmen, mit der sie mich in meinen bio- und bibliographischen Anliegen unterstützen. Zum Schlusse sage ich meinen verbindlichsten Dank den Herren Hofrath Ritter d’Elvert, Paul Hunfalvy, Gustav Heinrich und Dr. Ludwig Schlesinger, welche mir durch Zusendung der von ihnen redigirten Vereinsschriften, als: „Notizenblatt der historischen Section der mährisch-schlesischen Gesellschaft für Ackerbau“, der „Ungarischen Revue“ und der „Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen“, Materialien zur Verfügung stellen, die einen wahren Schatz bilden für mein Werk, und welche ich von Seite anderer Kronländer leider entbehren muß.

Berchtesgaden, 13. Juni 1887.
Dr. Constant von Wurzbach.