Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Vojaček, Caspar
Band: 51 (1885), ab Seite: 242. (Quelle)
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Vojaček, Ignaz (Tonsetzer, geb. in dem mährischen Städtchen Zlin an der Dřevnica am 4. December 1825). Ignazens Vater Caspar [siehe die Quelle S. 245] versah viele Jahre hindurch das Amt des Stadtlehrers und Capellmeisters in Zlin. 1830 übersiedelte derselbe nach Všetin an der Bečva, und dort war es, wo ein alter Generalbaßspieler Namens Daněky in dem talentbegabten Knaben die Liebe zur Musik weckte und ihm auch den ersten Unterricht in dieser Kunst ertheilte. Vom siebenten Jahre an fand Ignaz Verwendung als Discantist, später spielte er die Flöte, auch begann er schon um diese Zeit vornehmlich volksthümliche Weisen zu componiren, an denen besonders seine Mutter große Freude hatte. Dem Wunsche seines Vaters entsprechend, sollte er das Gymnasium besuchen und kam daher im Alter von dreizehn Jahren nach Brünn, wo er anfänglich bei einem Freunde seiner Eltern Unterkunft fand; als aber dieser in der Folge verunglückte, sah sich der Jüngling plötzlich der drückendsten Noth preisgegeben, aus welcher er durch Verwendung eines Unbekannten gerissen wurde, der ihn in dem Brünner Königinkloster unterbrachte. In demselben lebte Ignaz von 1838 bis 1845 größtentheils gemeinschaftlich mit Alois Hnilička [Bd. IX, S. 68], Louis Lukeš [Bd. XXI, S. 157 in den Quellen] und anderen Kunststrebenden. In diese Zeit fällt unseres Kunstjüngers wesentliche musicalische Ausbildung, bei welcher es freilich, was die Lebensumstände betrifft, nicht immer ganz glatt ablief. Da der musicalische Unterricht im Kloster nur spärlich bemessen war, lieh der vermögenslose Vater Geld aus, um des Sohnes Musiktalent mit entsprechenden Mitteln zu fördern. In den letzten zwei Jahren seines Aufenthaltes im Kloster wirkte Ignaz nicht blos als Leiter der Musikproben, sondern auch als Organist bei den barmherzigen Brüdern. Im Uebrigen waren die Verhältnisse bei den Geistlichen auch sonst nicht die erquicklichsten, die Kost war dürftig, die Aufsicht hart [243] und strenge und das Auswendiglernen der Religionslehre und des Griechischen ermüdend und abspannend. Das Studium der Musik, zu welchem er alle freie Zeit benützte, und in welchem ihn die reiche Musicaliensammlung des Klosters und der Umgang mit tüchtigen Musikkünstlern nicht wenig förderten, bot ihm für allen Mangel und alle Beschwerden einigermaßen Ersatz. Um diese Zeit versuchte er sich auch zuerst in Kirchenmusik, componirte neben weltlichen Liedern und Chören auch kleinere Messen und sonstige Kirchenstücke. Nachdem er das Gymnasium in Brünn beendet hatte, verließ er leichten Herzens diese Stadt, die ihm durch den Aufenthalt im Kloster nicht lieb geworden war, und begab sich nach Wien, um dort die philosophischen Studien zu hören. Nach einer in Gemeinschaft mit seinem Vater und seinem Freunde Lukeš unternommenen Reise in die Karpathen, auf welcher ihn die herrlichen Volksweisen der dortigen Gebirgsbewohner bezauberten, ging er nach Wien zurück, wo er an Peter Bilka, dem Besitzer eines in jenen Tagen vielgerühmten Erziehungsinstitutes, einen wohlwollenden Freund und Gönner fand. Damals entstand ein großer Theil seiner später so beliebt gewordenen Hosteiner-Lieder und seine „Stimme vom Blanik“. Ein Jahr lang lag er an der Wiener Universität den philosophischen Studien ob, dann nahm er einen Antrag der Gräfin Marie Bethlen an und begab sich als Musiklehrer zu ihrer Familie nach Siebenbürgen In diesem Lande befreundete er sich mit August Ružickas [Bd. XXVII, S. 321, Nr. 3], betrieb slavische Studien, namentlich das Polnische, und mit besonderem Eifer die gründliche Ausbildung seines vorwiegenden musicalischen Talents, namentlich in der Richtung des Volksliedes. Auf seinen Reisen durch Siebenbürgen, die er zeitweise unternahm, und auf denen er verschiedene Ansiedelungen der Bulgaren besuchte, dann bei einem längeren Aufenthalte unter Slovaken, zuletzt 1846 auf Wanderungen durch den Banat, widmete er dem Volksliede seine vorherrschende Aufmerksamkeit, suchte und sammelte, wo er etwas für seine diese Richtung verfolgenden Zwecke vorfand, und beschränkte dabei seine Forschungen im Volksliede nicht auf slavische Weisen, sondern zog allmälig magyarische, rumänische und die der Zigeuner und Siebenbürger Sachsen in seinen Bereich. In diesen Studien und der beschaulichen Ruhe seines Aufenthaltes in Siebenbürgen ward er plötzlich durch die Wirren des Jahres 1848 unterbrochen, welche dort Alles von oberst zu unterst kehrten. Doch wurden dieselben zu einem Wendepunkte in seinem Leben. Als er nämlich nach dem Einrücken der russischen Armee in Siebenbürgen Gelegenheit fand, die russischen „Pjesenniki“ mit Begleitung der nationalen Instrumente Zapievalo und Plesun kennen zu lernen, erwachte in ihm das Verlangen, das nordische Slavenreich aufzusuchen, welcher Wunsch freilich erst auf Umwegen erreicht werden sollte. Die Zustände in Siebenbürgen gestalteten sich immer dusterer, das Haus der Gräfin Bethlen wurde von feindlich Gesinnten überfallen und geplündert, Vojaček verlor sein Eigenthum und seine Musikcompositionen und mußte ärmer, als er ins Land gekommen, dasselbe verlassen. Ueber Bystric, Dorna, Czernowitz, Kołomea, Lemberg, Przemyśl, Krakau, Teschen gelangte er in sein Karpathenland nach Všetin, von da ging er nach Brünn, wo er bis 1851 verblieb, ausschließlich der Musik sich [244] widmend; da er aber nur slavische Weisen vertrug, womit er begreiflicher Weise die Deutschen nichts weniger denn befriedigte, sondern vielmehr gegen sich einnahm, gab er die Stelle eines Dirigenten des Brünner Männergesangvereines auf und beschloß, nach Rußland zu ziehen. Vorerst aber suchte er Wien wieder heim, um den Rath seines früheren Gönners und Freundes P. Bilka einzuholen. Als dann im Jahre 1853 der Director der kaiserlich russischen Sängercapelle Lvov in St. Petersburg einen Musiklehrer suchte, bewarb sich Vojaček um diesen Posten und trug den Sieg über viele Bewerber davon. Nun trat er die Reise an und erreichte nach längerem Aufenthalte in Warschau seinen Bestimmungsort Brzesc litewski am Bug. Da ihm aber die Verhältnisse daselbst auf die Dauer nicht zusagten, begab er sich nach Petersburg und übernahm die Stelle des Capellmeisters bei dem ersten Garde-Regimente. Die großartigen Verhältnisse in der Residenz wirkten mächtig auf Vojaček, der sich nun auch im rechten Fahrwasser befand, denn 1857 wurde er Mitglied der Capelle des kaiserlichen Theaters, 1862 zweiter Capellmeister der kaiserlichen italienischen Oper und zuletzt Professor der Instrumentation am kaiserlichen Conservatorium, in welcher Stellung er wohl noch zur Stunde thätig sein mag. Was nun seine Compositionen betrifft, so sind dieselben – ungeachtet nur ein sehr geringer Theil derselben im Druck erschienen ist – ziemlich zahlreich. Es finden sich darunter Lieder, Chöre, Quartette, komische Terzette, Ouverturen und an 40 Clavierstücke. Wir lassen unten eine Uebersicht derselben folgen, jene, von denen uns bekannt, daß sie im Druck erschienen sind, mit einem Sternchen (*) bezeichnend. Während seines ersten Aufenthaltes in Brünn beschäftigte er sich, durch seine Verhältnisse dazu genöthigt, viel mit Kirchencompositionen. In Wien, wo die slavischen Besedas Gelegenheit boten zur Aufführung von Chören, pflegte er mit besonderer Sorgfalt und nicht ohne Glück diese Gattung. Daneben aber componirte er auch Lieder, unter denen die schon erwähnten Hosteiner Lieder im Jahre 1847 in Wien, dann aber auf der großartigen Beseda zu Kremsier, welche Franz Friedrich Ševčik [Bd. XXXIV, S. 165] in Scene setzte, und bei welcher der seinerzeit in slavischen Kreisen vielgefeierte Bariton Fürchtgott Tovačovský mitwirkte, großen Beifall fanden. In Rußland endlich war er es, welcher in St. Petersburg der Erste Concerte mit durchaus slavischen Musikstücken einführte. Bei der vorherrschend nationalen Richtung in seinen Compositionen ist natürlich auch sein Talent ein ganz einseitiges, was eben bei einer Kunst, wie die Musik, die in ihren Tönen einen durchwegs kosmopolitischen Charakter besitzt, um so mehr zu bedauern, da dergleichen nicht aus dem wahren Wesen der Kunst, die jedem Gottbegnadeten, welcher Nation er auch angehöre, ihren Weihekuß gibt, sondern aus politischen Marotten entspringt, welche alles echte Kunstgefühl ersticken. Die Nationalhymnen der Römer und Griechen, wer kennt sie noch? Die Kirchenlieder der ältesten Zeiten sind ein Gemeingut aller Völker geworden und klingen noch in unseren heutigen Kirchenliedern wieder.

Uebersicht der Compositionen des Ignaz Vojaček. A. Kirchencompositionen. Fünf Messen mit Instrumentalbegleitung, eine Messe für Männerchöre, componirt in Brünn. Sechs Chöre für die Kirche Maria Schnee, neun Offertorien ein Requiem für Männerstimmen, ein Responsorium, [245] ein Pangue lingua. Seine Compositionen kirchlichen und weltlichen Charakters, welche zur Zeit seines Aufenthaltes in Siebenbürgen entstanden, verlor er bei der in der Biographie erwähnten Plünderung des Hauses der Gräfin Bethlen. – B. Weltliche Lieder. 1. Chöre. Die meisten derselben hat Vojaček vor dem Jahre 1848 besonders für die böhmischen Studirenden in Wien geschrieben. *„Ples Čechův“ (Der Tanz der Böhmen). – „Morava“ (Mähren). – „Je to večer!“ (Ist das ein Abend). – *„Sláva“ (Der Ruhm). – „Bezedno“ (Der Abgrund). – „Povzbuzující“ (Ermunterungslied). – „Pospolitá“ (Gesellschaftslied). – „Hlas z Blaníka“ (Die Summe vom Blanik). – *„Modlitba před bojem“ (Gebet vor dem Kampfe). – *„Vlastenka“ (Die Patriotin; abgedruckt im dritten Hefte der ersten Abtheilung des musicalischen Sammelwerkes „Zaboj“). – „Študentská“ (Studentenlied) – „Modlitba vojenská“ (Soldatengebet). – „O vy hrady“ (O ihr Burgen). – „Komu bratří zazpíváme?“ (Wem, ihr Brüder, sollen wir singen?). – „Modré hory“ (Blaue Berge). – „Plané růže“ (Wilde Rosen). – „Bud vůle tvá“ (Dein Wille geschehe). – „Lovecká“ (Jägerlied). – „Země česká“ (Das Böhmerland). – „Písně Hostýnské. I–III“ (Hosteiner Lieder, drei Hefte). – In Rußland componirte er: „Marnost sveta“ (Eitelkeit der Welt); – „Před nepřítelem“ (Vor dem Feinde); – „Důvěra nábožného“ (Des Frommen Zuversicht); – „Bitva“ (Die Schlacht); – „Píseň Moravanů“ (Der Mährer Lied); – „Sbor Velehradský“ (Velehrader Chor); – „Črnogorec“ (Der Montenegriner); – „Hura!“; – „Čtvero malých sborů“ (Vier kleinere Chöre); – „Společní“ (Geselliger Chor); – „Kytka“ (Das Sträußchen). – 2. Quartette. „Ludmila“. – „Cyrill a Method“. – „Píškovi“ (An Pischek). – „Radost a žalost“ (Freude und Trauer). – „Ples Čechův“ (Der Böhmen Jubel). – „Čechy krásné“ (Schönes Böhmen). – 3. Komische Terzette. *„Starý pán a Student“ (Der alte Herr und der Student; eines der populärsten Musikstücke in ganz Böhmen). – „Otec a syn“ (Vater und Sohn). – „Richtář a baby“ (Der Dorfrichter und die Weiber). – „Zvěřinec“ (Der Thiergarten). – *„Čechoslovanské prostonárodní písně jak se na Moravě zpívají, trojhlasné“, d i. Čechoslavische volksthümliche Lieder, wie sie in Mähren gesungen werden. Dreistimmig (Prag, Christoph und Kuhé). – 4. Sololieder. „Krásná noc“ (Die schöne Nacht). – „Loučení vojína“ (Kriegers Abschied). – „Domov pravé lásky“ (Der wahren Liebe Heimat). – „Naděje“ (Hoffnung). – „Hanácké“ (Hanakenlieder). – „Veselá jízda“ (Die frohe Fahrt). – „Loučení“ (Scheiden). – „Slze lásky“ (Thränen der Liebe). – „Na Moravu“ (An Mähren). – „Drahomira“. – „Chudý uhlíř“ (Der arme Köhler). – „Ranní“ (Morgenlied). – *„Modlitba“, im vierten Hefte des musicalischen Sammelwerkes „Hlahol“. – „Mine“ (An Minna). – „Vlast a dívka“ (Vaterland und Liebchen). – „Slova matky Slávy“ (Mutter Slava’s Worte). – „Vyšehrad“. – „Pluj, Korabe“ (Schwimme, Schifflein). – „Kde děva má“ (Wo ist mein Mädchen?). – „Vroucí jinoch“ (Der innige Bursche). – „Sonet“. – „Prostí“ (Verzeih!). – „Na tebje“ (An Dich). – „Kak v noč zvjezdy“ (Wie Sterne in der Nacht). – „Maša naša“ (Unsere Mascha). – „Na růži“ (Auf die Rose). – Die deutschen Lieder: „An Emma“ und „Der Wanderknabe“, von dem berühmten Tenoristen Ander vorgetragen; – endlich zehn deutsche Lieder, in Siebenbürgen componirt. – 5. Claviercompositionen. Von den vierzig, deren in der Lebensskizze gedacht ist, erschienen im Druck: „Krakowiak. Humoresque d’après un air national polonais pour le Piano“ (Prag 1861, Kuhé) – und „Všetínská polka pro fortepiano“ (Brno 1851, M. Perry).
Průvodce v oboru českých tištěných písní pro jeden neb více hlasů (od r. 1800–1862). Seslavili Em. Meliš a Jos. Bergmann, d. i. Führer auf dem Felde gedruckter böhmischer Lieder für eine oder mehrere Stimmen. (Vom Jahre 1800–1862). Zusammengestellt von Em. Meliš und Jos. Bergmann (Prag 1863, 12°.) S. 15, Nr. 60; S. 122, Nr. 484; S. 131, Nr. 519; S. 191, Nr. 762; S. 200, Nr. 783; S. 222.
Porträt. Unterschrift: „Hynek Vojaček“. Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen.