Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 50 (1884), ab Seite: 4. (Quelle)
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Vasváry, Paul (ungarischer Demagog, Geburtsjahr unbekannt, gest. in Siebenbürgen 1849). Von deutscher Abstammung, hieß er eigentlich Weiß (auf Ungarisch Fehér) und ist der Sohn eines protestantischen Geistlichen. Ueber seinen Bildungsgang und seine Jugend wissen wir nichts. Im Vormärz schon betrat er das publicistische Gebiet, ohne sich durch seine Stylproben über das Maß des Gewöhnlichen zu erheben, „schwamm aber“, wie Levitschnigg bemerkt, „mit der Leichtigkeit des Korkes in der Fluth der Märzrevolte obenauf“. Und in der That verstand es Vasváry, die Gelegenheit auszunützen, wie kaum ein Zweiter, wozu ihm eine nicht gewöhnliche Rednergabe sehr zu Statten kam, so daß er bald der beliebteste Volksredner wurde. Als solcher drängte er sich bei dem geringsten Anlasse vor und sprach in jener schwülstigen Weise, mit welcher die Masse am leichtesten gewonnen wird, weil sie den Nonsens ja nicht versteht. Als am 9. April 1848 in der Volksversammlung beim Pesther Museum der Abgeordnete von Nyiregyház Nicolaus Benczur gegen die Verwendung ungarischer Soldaten zur Bewältigung der Italiener, die sich eben auch erhoben hatten, Einsprache erhob und die Rückberufung der ungarischen Regimenter verlangte, fiel ihm Vasváry mit der Bemerkung in die Rede, daß die Verwendung der ungarischen Truppen zur Bekämpfung der Italiener ihm erscheine, als ob ein Vater seine Kinder zu wechselseitigem Brudermorde anreize, und dann richtete er an die aufhorchende Masse die außer jedem Zusammenhange stehende Frage: „Und hat man zwischen Bruder- und Vatermord zu wählen, wer wird nachweisen können, daß ersterer ein geringeres Verbrechen sei?“ – Als die Minister vom Preßburger Landtage nach Pesth zurückkehrten, trat er, sich selbst bevollmächtigend, als Sprecher beim Empfange derselben vor, und Levitschnigg zeichnete ihn zutreffend und sieht im Geiste den „todblassen Jungen vor sich, wie derselbe am Pesther Quai mit seiner rothen Mütze und goldenen Troddel mit ziemlichem Selbstgefühl herumschritt und die wohladjustirten Worte seiner bevorstehenden Anrede im Geiste die Revue passiren ließ“. Zu jener Zeit trug sich Vasváry mit der Hoffnung, eine außerordentliche Professur der Weltgeschichte an der Pesther Universität zu erlangen. Eigenthümlich erscheint die Art, wie er seine Eignung für diesen Posten den maßgebenden Personen zum Bewußtsein zu bringen suchte. Zuerst wollte er seinen Muth beweisen und reizte die Menge gegen das k. k. Militär auf, und am 10. Mai trieb er im Vereine mit Czernyus und Oroszhegyi [Bd. XXI, S. 108] das verwegene Spiel so weit, daß er beim Ofener Brückenkopfe, von zwei anderen Fanatikern auf die Schultern gehoben, die[5] Menge haranguirte und auf die Entfernung des Feldzeugmeisters Baron Lederer drang, der, ein achtzigjähriger Greis, als commandirender General in Pesth stand. „Wer ist dieser Lederer?“ schrie Vasváry in die Menge hinein. „Ein Feind der Nation, ein Wortbrüchiger, den wir als fremden nicht zu uns gehörigen Soldatenbefehlshaber hassen, daher entfernt wissen wollen, und dem wir so gut wie jedem Anderen unsere Meinung kund thun wollen. Vorwärts, Brüder, wir haben keine Furcht vor Bajonneten?“ Und vorwärts drängte er den Haufen vor das Graf Teleki’sche Haus, in welchem General Lederer wohnte. Kaum war die Rotte daselbst angelangt, als die Katzenmusik ihren Anfang nahm, aber aus dem nahen Zeughause und dem Stallgebäude drang auch schon eine Schaar Soldaten hervor und bearbeitete mit der flachen Klinge und dem Gewehrkolben die Charivarimacher, welche unter Wehegeheul und Geschrei auseinanderstoben. Vasváry, obwohl er erst wenige Minuten zuvor gerufen: „Wir haben keine Furcht vor Bajonneten“, war einer der Ersten unter den Flüchtigen und verlor dabei sein Wehrgehänge mit dem Säbel, welche von einem Tischlergesellen dann aufgehoben wurden. Noch einmal begegnen wir ihm als fanatischer Redner, und zwar am 20. Mai, wo er an Stelle des Bürgermeisters Rottenbiller die im Museumshofe versammelte Volksmenge von der Gefahr benachrichtigte, in welcher das Vaterland schwebe, auf dessen Altar, wie er sagte, jeder Ungar bereit sein müsse, sein Opfer niederzulegen. „Das Vaterland“, rief er, „verlangt nur ein Anlehen, da es des Geschenkes nicht bedarf; sollte es dessen aber bedürfen, so wird es nicht betteln, denn dies ziemt sich nicht für das Vaterland, es hat das Recht, zu fordern! Der Altar des Vaterlandes ist das Heiligste, es liegt somit nichts Entheiligendes darin, wenn selbst Kirchengut und Kirchenschmuck ihm zum Opfer gebracht wird!“ Und in diesem Tone ging es fort. Ueber Vasváry’s spätere Wirksamkeit wissen wir nur, was uns Levitschnigg berichtet, daß er nämlich vom Ministerium öfter als Courier und Galopin verwendet worden sei; daß er am verhängnißvollen 28. September die Depeschen aus dem Stuhlweißenburger Hauptquartier überbracht und am 20. December bei Gelegenheit des Requiems, welches im Repräsentantenhause für die in Wien gefallenen Revolutionäre abgehalten wurde, sich und die Zuhörerschaft mit dem verfälschten Bulletin über den angeblichen Sieg bei Wieselburg dupirt habe. Vasváry zählte auch zu den Koryphäen des Gleichheitsclubs und trat später in die ungarische Artillerie. Als dann die Russen in Siebenbürgen einmarschirten, machten die in die Gebirge zurückgedrängten Motzen neue Ausfälle in die Niederungen und schlugen die wider sie ausgesendeten ungarischen Streitkräfte in zwei Gefechten. In der zweiten Action fiel Vasváry mit den Waffen in der Hand. Nun, darüber kann man, wenn man nicht annehmen will, daß es gleichzeitig noch einen zweiten Paul Vasváry gegeben habe, nicht ganz ins Klare kommen; denn noch im Jahre 1851 tritt ein Paul Vasváry als Schriftsteller auf, und zwar in Vahot’s „Losonczi Album“, Bd. I, 1851, wo auf S. 165 sein Aufsatz: „Hunyadi Mátyás királylyá választásakor és az 1458-diki hongyülés“ abgedruckt ist. Früher erschien von ihm in „Honleányok könyve“, 1847, Bd. I, S. 17: „Bazini Szentgyörgyi Cecília“. Möglich aber auch, [6] daß jener in „Losonczy Album“ erschienene Artikel aus dem Nachlasse unseres Demagogen entnommen wurde. Bezüglich seiner Beredtsamkeit wird seine Stärke als Volksredner in die historischen Citate gelegt, die er meist aus der biblischen Geschichte wählte.

Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) Bd. X, 13. Mai 1848, Nr. 254, S. 314, im Artikel: „Die Erhebung von Pesth“ [nach dieser wäre Vasváry der Sohn eines griechischen Geistlichen]. – Janotyckh von Adlerstein (Joh.). Die letzten zwei Jahre Ungarns. Chronologisches Tagebuch der magyarischen Revolution (Wien 1850 u. f., J. P. Sollinger’s Witwe. 8°) Bd. II, S. 146, 148, 160, 277, 342. – Levitschnigg (Heinrich Ritter von). Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pesth 1850, Heckenast, 8°.) Bd. II, S. 209. – Kisfaludy Társaság Évlapjai (Pesth) Uj folyam, Bd. VII, 1871/72, S. 255 : „Vasváry“, von Jókai.
Porträt. Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen mit der Unterschrift: „Vasváry-Fehér“, zugleich mit Petőfi Sándor, in der „Illustrirten Zeitung“ (Leipzig, J. J. Weber) 13. Mai 1848, Nr. 254, S 311.