BLKÖ:Trauttmannsdorff-Weinsberg, Ferdinand Fürst

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 47 (1883), ab Seite: 57. (Quelle)
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Trauttmannsdorff-Weinsberg, Ferdinand Fürst (Staatsmann, Ritter des goldenen Vließes, geb. zu Wien 12. Jänner 1749, gest. daselbst 27. August 1827). Ein Sohn des Grafen [58] und Ritters des goldenen Vließes Franz Norbert aus dessen zweiter Ehe mit Maria Anna Gräfin Herberstein. Nach sorgfältiger häuslicher Erziehung kam er mit Erlaubniß der Kaiserin Maria Theresia unter der unmittelbaren Aufsicht seines Erziehers in die kaiserliche Ingenieurakademie, in welcher er von 1763–1765 an dem allgemeinen Unterrichte Theil nahm. Neben ästhetischen Studien, die vornehmlich seinen Kunstsinn läuterten, fesselten zumeist Mechanik und Baukunst den talentvollen, wißbegierigen Jüngling. Als zweiter Sohn seines Hauses für den Staatsdienst bestimmt, hörte er 1766–1768 an der Wiener Hochschule die Rechtswissenschaften und ging 1769 nach Wezlar, um sich bei dem Reichskammergerichte daselbst in Ausarbeitung wichtiger Rechtsfälle praktisch zu üben. Aber schon im nächsten Jahre folgte er einem Rufe an den kaiserlichen Hof, da er als Kämmerer der Erzherzogin Maria Antoinette ausersehen war, dieselbe als Braut des Dauphin in ihrem Gefolge nach Straßburg zu geleiten. Nachdem er diese Mission vollbracht hatte, unternahm er eine Studienreise durch Lothringen und die Niederlande nach Holland und von da aus durch einen großen Theil von Deutschland, Ueber Frankreich nach Wien zurückgekehrt, wirkte er zunächst als Beisitzer der Landrechte, dann als niederösterreichischer Regierungsrath im Staatsdienste. Das mittlerweile erfolgte Hinscheiden seines älteren Bruders, durch welches ihm nach dem Tode des Vaters der Besitz des Majorates zufiel, brachte ihn nicht von dem Staatsdienste ab, sondern bestärkte ihn vielmehr in dem Entschlusse, in die diplomatische Laufbahn überzutreten, da es ihm die reichen Mittel bot, wichtige Gesandtschaftsposten bekleiden zu können. Um sich für diese wichtige Bestimmung entsprechend vorzubereiten, studirte er eifrig die verwickelten Verhältnisse des deutschen Reiches und arbeitete von 1774 an mit unermüdlichem Fleiße in der Reichskanzlei, so betrat er denn im Jahre 1780, zum geheimen Rathe ernannt, die diplomatische Laufbahn, und zwar zunächst als kurböhmischer Gesandter beim Reichstage zu Regensburg, der zu jener Zeit als lehrreiche Pflanzschule tüchtiger Staatsmänner galt. 1783 erhielt er auch die Leitung der Gesandtschaftsgeschäfte beim fränkischen Kreise und fand bei dem Streite, der über die freie Schifffahrt auf der Schelde ins offene Meer sich erhoben hatte, die günstige Gelegenheit, durch persönliches Verhandeln mit mehreren Fürsten des Kreises den Durchzug der kaiserlichen Truppen nach den Niederlanden wesentlich zu erleichtern. Seine diplomatische Gewandtheit fiel um so mehr in die Augen, je weniger in den anderen Reichskreisen die Beseitigung aller Schwierigkeiten gelang, und so wurde denn der Graf 1785 zum Gesandten am kurmainzischen Hofe ernannt und ihm nebst der Leitung der Geschäfte beim fränkischen Kreise auch noch jene beim oberrheinischen übertragen. An wichtigen Verhandlungen fehlte es auch hier nicht; Preußen bot Alles auf, die Ernennung des zweiten Sohnes des Königs zum Coadjutor des Kurfürsten durchzusetzen, aber der Graf vereitelte durch seine gewandten Verhandlungen dieses preußische Project und brachte, ganz im Sinne der vorherrschenden Absichten des Kaisers, die Wahl des Freiherrn von Dalberg zum Coadjutor des Erzstiftes durch. Indessen verwickelten sich die Verhältnisse in den Niederlanden täglich mehr. Nach Abberufung des Grafen Belgiojoso [59] war in den Niederlanden ein Mann nöthig, der mit voller Ergebenheit für seinen Kaiser tiefen politischen Blick, Seelenstärke und einen versöhnlichen Geist besaß. Des Kaisers Wahl fiel auf den Grafen, den er am 11. October 1787 mit ausgedehnter Vollmacht zu seinem bevollmächtigten Minister in den Niederlanden bei den königlichen Hoheiten Generalgouverneur Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen und dessen Gemalin Erzherzogin Maria Christine, sowie zum Präsidenten des niederländischen Guberniums ernannte. Diese Stellung des Grafen, an sich eine schwierige, ward es in erhöhtem Maße noch dadurch, weil die Streitigkeiten über kirchliche Einrichtungen bald den Kampf gegen die Landesverfassung herbeiführten. Dazu gesellte sich noch die seit 1787 in Holland eingetretene Gährung, welche sich auch auf die benachbarten Niederlande äußerte und von augenscheinlich üblem Einflusse war. Der Graf wirkte in versöhnlichster Weise, gewann auch den gemäßigten Theil des Volkes und hatte alle Aussicht, das ganze Land, wenn nicht unvorgesehene Verhältnisse eintraten, durch eine allgemeine Versöhnung zu beruhigen. Der Kaiser wurde durch die glücklichen Maßnahmen des Grafen mit so großer Befriedigung erfüllt, daß er demselben das goldene Vließ in Brillanten, mit drei seltenen Aquamarinsteinen geschmückt, übersandte, und zwar in Begleitung eines eigenhändigen Schreibens ddo. 10. Februar 1789, worin eine Stelle lautete: „Er übersende ihm das goldene Vließ, nicht weil der Graf irgend eine Belohnung bedürfe, um das Gute zu thun, da derselbe schon in seinem Bewußtsein den schönsten Lohn finde, sondern weit er es für eine Pflicht hatte, ausgezeichnete Staatsdienste laut anzuerkennen und dankbar zu belohnen“. Aber die drohenden Ereignisse in Frankreich übten auch ihren verderblichen Einfluß auf das stammverwandte Nachbarland. Die Brabanter Bewegung begann; die Bewaffnung der aufgeregten Bewohner erfolgte; nur die Gewalt eines Dictators war noch im Stande, dem Aufstande zu steuern. Da entzweite sich der Commandant der Kriegsmacht mit dem Grafen über die zu ergreifenden Maßregeln und handelte nach eigener Willkür. Der erste Versuch, eine Insurgentenschaar mit Gewalt der Waffen zu zerstreuen, mißlang und wurde die Losung zur allgemeinen Erhebung. Die verderblichen Kunstgriffe, die man in Paris versucht hatte, um die Mannszucht und Treue der Truppen zu untergraben, wurden nun auch zu Gent und Brüssel mit demselben Erfolge angewandt, und die Landesregierung sah sich gezwungen, hinter den Wällen des treuen Luxemburg einstweilen Zuflucht zu suchen. Nach einiger Zeit legte der Graf seinen Posten nieder und begab sich zunächst nach Wien, im Sommer 1790 aber auf seine Güter in Böhmen, wo er die ihm gegönnte Muße benützte, um zwei Denkschriften abzufassen, in welchen er die während seiner Verwaltung in den Niederlanden eingetretenen Ereignisse schilderte. Die Titel dieser Denkschriften sind: „Notes que M. le comte de Trauttmannsdorff a remis es au cabinet de Vienne pour sa justification“ (s. l., 1791, 4°.) und „Fragments pour servir à l’histoire des événements qui se sont passés aux Pays-bas, depuis la fin de 1787 jusqu’en 1789“ (Amsterdam 1792, 8°.). Als die zu Beginn des Jahres 1793 eingetretenen Verhältnisse erwarten ließen, man werde die Niederlande den Franzosen wieder [60] entreißen, wurde am 28. Februar der Graf zum niederländischen Hofkanzler ernannt. Er that nun als solcher Alles, um dieses schöne Land für die österreichische Krone zu erhalten, den Geist der Bewohner für den neuen Herrscher zu gewinnen und die Armee mit den nothwendigen Lebensmitteln zu versehen. In einem 1794 unter dem Vorsitze des Kaisers abgehaltenen Staatsrathe unterstützte er gemeinschaftlich mit dem Grafen Metternich den Wechselvorschlag des Generals Mack: entweder das ganze kaiserliche Heer bis auf 400.000 Streiter zu vermehren, oder aber, wenn die Finanzen des Staates dies nicht erlaubten, lieber sogleich, da noch das Waffenglück Oesterreich sich zuneige, mit Frankreich die Friedensunterhandlungen anzuknüpfen. Aber da entschied die Schlacht bei Fleurus (26. Juni 1794), in welcher die Franzosen unter Jourdan siegten, über das Schicksal der Niederlande. Sowie damals die Dinge in Oesterreich standen, war keine Aussicht, wenigstens nicht für die nächste Zeit, vorhanden, das Land den französischen Waffen wieder entreißen zu können, und so wurde denn, sobald das kaiserliche Heer über den Rhein zurückgegangen war, die niederländische Hofkanzlei aufgehoben und Graf Ferdinand einstweilen in den Ruhestand versetzt. Aus demselben trat er neuerdings in Activität, als im Jahre 1801 Freiherr von Thugut [Bd. XLV, S. 1] sich aus dem Staatsdienste zurückzog. Während Graf Ludwig Cobenzl in Frankreich weilte, wurde Trauttmannsdorff mit der Führung der auswärtigen Angelegenheiten betraut und behielt dieselbe bis zum September, in welchem Ersterer wieder in Wien eintraf und nun die Leitung selbst übernahm. Aber zuvor noch, nach Errichtung der Conferenz, war Trauttmannsdorff als Chef des Departements der auswärtigen Angelegenheiten zum Staats- und Conferenzminister ernannt worden. In Anbetracht seiner treuen und vielfältigen Dienste ward er vom Kaiser mit Diplom vom 12. Jänner 1805 in den Fürstenstand erhoben, mit der Anordnung, daß diese Würde stets in gerader Linie auf den ältesten seines Stammes übergehe. Nach dem Tode des Fürsten Starhemberg mittels kaiserlichen Handbillets ddo. Laxenburg 18. August 1807 zum Obersthofmeister ernannt, sah er sich in dieser Würde mit der Auszeichnung geehrt, um die Hand der Erzherzogin Maria Ludovica, jüngsten Tochter des Erzherzogs Ferdinand Este, für den Kaiser Franz I. zu werben, welcher ihn dafür mit dem Großkreuze des St. Stephansordens schmückte. Nahezu zwanzig Jahre versah er das Obersthofmeisteramt, welches namentlich in den Tagen des Wiener Congresses die Thätigkeit des Fürsten ganz in Anspruch nahm. Obgleich die letzten zwei Jahre körperlich leidend, stand er doch immer noch seinen Diensten vor. Wenige Wochen vor seinem Tode begab er sich, schon sehr krank, auf seinen Landsitz Ober-Waltersdorf, wo er sich noch der Ehre des kaiserlichen Besuches erfreute; aber zwei Tage vor seinem Hinscheiden ließ er sich in einer Sänfte nach Wien bringen, wo er auch am 27. August im Alter von 78 Jahren an Entkräftung starb. Die Leiche wurde in feierlicher Weise in der Schottenkirche beigesetzt, dann aber nach Teinitz in Böhmen überführt, wo die in der Capucinerkirche errichtete Familiengruft sie zur ewigen Ruhe aufnahm. Der Graf hatte sich im Alter von 23 Jahren am 18. Mai 1772 mit Carolina Prinzessin Colloredo vermält. Außer drei Töchtern [61] schenkte ihm die Gattin, welche ihn um fünf Jahre überlebte und als 80jährige Greisin das Zeitliche segnete, drei Sohne, von denen der jüngste, Karl, frühzeitig starb, die beiden anderen aber, Johanns Nepomuk Norbert und Joseph die böhmische oder Adam Matthias’sche (fürstliche) Linie in zwei Zweigen fortpflanzten, welche zur Stunde noch blühen.

Neuer Nekrolog der Deutschen (Ilmenau 1829, Bernh. Fr. Voigt, kl. 8°.) V. Jahrg., 1827, 2. Theil, S. 789 u. f. – Wiener Zeitung, 1828, Nr. 88. – Vehse. Oesterreichischer Hof und Adel (Hamburg, Hoffmann und Campe, kl. 8°.) Bd. IX, S. 120. – Thürheim (Andreas Graf). Feldmarschall Karl Joseph Fürst de Ligne, die „letzte Blume der Wallonen“ (Wien 1877, Wilh. Braumüller, 8°.) S. 192. – Megerle von Mühlfeld (J. G.). Memorabilien des österreichischen Kaiserstaates u. s. w. (Wien 1828, JJ. P. Sollinger, kl. 8°.) S. 169 und 253. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. V, S. 403. – Biographie nouvelle des Contemporains ec. ec. Par M. M. A. V. Arnault, A. Jay, E. Jouy, J. Norvins et autres hommes de lettres ec. (Paris 1825, à la librairie historique, 8°.) tome XXme, p. 56.
Porträte. 1) Unterschrift: „Ferdinand Fürst zu Trauttmannsdorff. | Ritter des goldenen Vließes, Großkreuz des ungarischen St. Stephansordens, | Großadler der französischen Ehrenlegion, Sr. k. k. Majestät Staats- und | Conferenzminister, Erster Obersthofmeister und Oberster sämmtl. k. k. Leibgarden“. Unter der ovalen Einfassung: „Gestochen in Wien in der Kunsthandlung Artaria und Comp. von Dav. Weiß“. Farbiger Kupferstich in Folio. – 2) Isabey p. C. Pfeiffer sc. (Fol.). – 3) Stieler p. C. Pfeiffer sc. (gr. Fol.).