BLKÖ:Toscana, Franz II. Stephan Großherzog

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 46 (1882), ab Seite: 181. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Franz I. Stephan (HRR) in der Wikipedia
Franz I. Stephan in Wikidata
GND-Eintrag: 118692925, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Toscana, Franz II. Stephan Großherzog|46|181|}}

Toscana, Franz II. Stephan Großherzog von Toscana (als Herzog von Lothringen und Bar Franz III.; als deutscher Kaiser Franz I., geb. am 8. December 1708, gest. zu Innsbruck am 18. August 1765). Ein Sohn des Herzogs Leopold Joseph Karl, Herzogs von Lothringen und Bar, aus dessen Ehe mit Elisabeth Charlotte Herzogin von Orleans, und ein Enkel des berühmten Helden Herzog Karl Leopold von Lothringen, dessen dieses Lexikon im VI. Bande, S. 390, Nr. 145 ausführlicher gedenkt. Als mit dem am 9. Juli 1737 erfolgten Tode des siebenten Großherzogs von Toscana Giangastone (Johann Gaston) I. die mediceische Dynastie ausstarb, trat jene Bestimmung des Wiener Tractates vom 19. November 1735 in Wirksamkeit, durch welche für den Fall des Erlöschens dieses Fürstenhauses der großherzogliche Thron von Toscana dem Herzoge von Lothringen Franz III. zugesprochen war als Ersatz für die erblichen Besitzungen desselben, die dem abgedankten polnischen Könige Stanislaus Leszczynski abgetreten und nach dessen Tode Frankreich einverleibt werden sollten. Drei Tage nach dem Tode des Großherzogs Giangastone nahm der Fürst von Craon (Marcus von Beauveau) förmlich Besitz von dem Staate im Namen Franz’ III., Herzogs von Lothringen und von Bar, Großherzogs von Toscana, Königs von Jerusalem, und empfing nach Publicirung des von Kaiser Karl VI. am 12. Jänner 1737 erlassenen Investiturdiploms von dem Florentiner Senate für den neuen Souverän die Huldigung und den Eid der Treue und des Gehorsams. Um die Toscaner über die Erhaltung ihrer Autonomie zu beruhigen, hatten die Bevollmächtigten Oesterreichs und Lothringens bereits anläßlich der am 12. Februar 1736 erfolgten Heirat des Herzogs Franz III. mit der Erzherzogin Maria Theresia, Tochter und präsumtiven Erbin Kaiser Karls VI., erklärt: „daß, indem Toscana in der pragmatischen Sanction nicht einbegriffen war, und indem dasselbe in Folge des Londoner Vertrages vom Jahre 1718 in die österreichischen Erbstaaten nicht einverleibt werden konnte, sobald die österreichische Thronfolge im Erstgeborenen gesichert sei, das Großherzogthum auf den Zweitgeborenen und in Ermanglung eines solchen auf den Bruder, Prinzen Karl von Lothringen und dessen Nachkommen übertragen werden würde, welche, um dem allgemeinen Wunsche zu entsprechen, in Toscana zu residiren hätten. Vorderhand konnte der Großherzog diese Absicht, welche mit dem Verlangen seines Volkes übereinstimmte, nicht verwirklichen, denn er hatte eben vom Kaiser ein wichtiges Commando in der österreichischen Armee (wider die Türken) erhalten, und nachdem die Schwester des letzten Großherzogs, Kurfürstin-Witwe Maria Anna die ihr angebotene Regentschaft abgelehnt, sah er [182] sich gezwungen, die Regierung des Großherzogthums provisorisch dem Fürsten von Craon anzuvertrauen. Ungeachtet dieser Ablehnung von Seite der Prinzessin wünschte Franz II., daß dieselbe im Palaste Pitti, der Residenz ihrer Väter, bleibe, und befahl, ihr den ganzen Hofdienst, die Trabantengarde, die Juwelen, die Kunstgegenstände, den Genuß der Allodialgüter zu belassen. Kraft einer in Wien am 31. October 1737 abgeschlossenen Convention übertrug dann die Kurfürstin, als Erbin der mediceischen Allodialgüter, die diesbezüglichen Rechte auf den Großherzog, welchen sie nachher zum Universalerben einsetzte. Die gezwungene Abwesenheit hinderte den Großherzog nicht, sich mit den Angelegenheiten seines neuen Staates ernstlich zu befassen und die Besserung der überaus traurigen Zustände des Landes mit allen Kräften anzustreben. Erschöpft waren die Finanzen; schwer lastete die öffentliche Schuld; Einheit herrschte weder in den Gesetzen noch in der Verwaltung. Der Florentiner oder „neue Staat“ war von dem Sieneser oder dem „alten Staate“ dem Namen und der Sache nach geschieden; die untere Sieneser Provinz so wie Livorno hatten ihre eigene, grundverschiedene Regierung. Florenz besaß ein eigenes Statut, ebenso Siena; jede Provinz, die meisten Gemeinden, die Kunst- und gewerblichen Genossenschaften besondere Gesetze. Die Justizverwaltung fand sich durch die Lehen, durch die von verschiedenen Bevölkerungsclassen genossenen Freiheiten, endlich durch die den Verbrechern gewährten Asyle beirrt. Die. Steuern, in Folge privilegirter Befreiungen, lasteten ganz auf einem Theile der Bevölkerung. Der Waarenverkehr war durch die vielen Zwischen-Zollämter und die schweren Zölle bedrückt; der ganze früher so blühende Handel gelähmt und fast vernichtet. Mit einem Worte, das Land harrte seiner Wiedergeburt, und Franz unterzog sich muthig der großen Aufgabe; das von seinen Nachfolgern später vollendete Regenerationswerk wurde von ihm begonnen, und mit Recht schrieb der berühmte Geschichtsforscher Botta, daß die Thronbesteigung der österreichischen Prinzen in Toscana „eine in der Geschichte der Völker ebenso merkwürdige als trostreiche Epoche bezeichne“. Der erste Regierungsact, welchen Franz II. vollzog, war auch das erste Beispiel einer auf alle Volksclassen gleichmäßig vertheilten Steuer. Um eine von dem letzten Großherzog zur Erhaltung der spanischen Truppen – die gemäß des 1729 zu Sevilla geschlossenen Vertrages sechs Jahre (1731–1737) die Städte Livorno, Pisa und Portoferrajo besetzt hielten – contrahirte Schuld zu tilgen, wurde eine allgemeine Steuer auf die Güter und Einkünfte der Unterthanen von beinahe drei Percent ausgeschrieben und ohne Rücksichtnahme auf alle einseitigen Steuerfreiheiten vertheilt. Die Geistlichen mußten einen Beitrag von 32.500 Scudi (ein Scudo gleich 7 Francs) leisten, im Verhältniß zu den jährlichen Gesammteinkünften des Kirchenvermögens in der Höhe von 1,120.827 Scudi, ungerechnet die Pfarrpfründen, die Commenden des Malteser-Ordens und die Cardinalsbeneficien. Anfangs sträubte sich der Clerus dagegen: die Regierung blieb unbeweglich, und er zahlte, und man erhielt dazu auch die päpstliche Zustimmung (Beneplacitum). Als der Großherzog in Erfahrung brachte, daß aus Mangel an behördlicher Aufsicht in den Wohlthätigkeitsanstalten viele Mißstände platzgegriffen hatten, ernannte [183] er eine Deputation, welche dieselben richtig stellen und die entsprechenden Abhilfsmittel in Vorschlag bringen sollte. Die Nachforschungen dieser Deputation ergaben die klägliche Lage des berühmten Florentiner Spitals „Santa Maria nuova“. Dem wurde unverzüglich und energisch abgeholfen und die Leitung der Krankenpflege und des theoretisch-praktischen Lehrcurses über Medicin und Chirurgie den beiden berühmten Aerzten Cocchi und Bertini anvertraut. Die Zahl der Ferial- und Festtage war übermäßig groß, so daß der Großherzog die ersteren abschaffte und vom Papste die Beschränkung der letzteren erwirkte. Durch ein strenges Verbot gegen das unbefugte Waffentragen wurden jene Privilegien aufgehoben, welche sich weltliche und geistliche Körperschaften seit uralter Zeit angeeignet hatten, nämlich nicht nur selbst Waffen zu tragen, sondern auch Andere dazu zu ermächtigen. Der Florentiner Inquisitor reclamirte das dem Santo Ufficio zustehende Recht, seine Diener zu bewaffnen; aber auch dieses Privilegium ward als ungiltig erklärt. Anfangs des Jahres 1739 war es dem Großherzog endlich vergönnt, seine neuen Unterthanen zu besuchen. Am 19. Jänner hielt er, begleitet von seiner erlauchten Gemalin Maria Theresia und seinem Bruder, dem Prinzen Karl, seinen feierlichen Einzug in Florenz. Das Volk, wegen der bereits erlangten Reformen mit den besten Hoffnungen erfüllt, empfing ihn mit aufrichtiger Begeisterung sowohl in der Hauptstadt, als auch in den übrigen Ortschaften, durch welche er kam. Der leider zu kurze Aufenthalt, den der Monarch in seinem Staate nehmen konnte, denn auf dringende Berufung des Kaisers mußte er am 28. April 1740 Florenz wieder verlassen, wurde von ihm ganz der Erforschung der Bedürfnisse des Landes gewidmet, wobei er erfahrene und durch ihr Wissen berühmte Männer zu Rathe zog, darunter den damals noch jungen, aber im Rufe eines gründlichen Oekonomisten stehenden Pompeo Neri, welcher später bei den Reformen Leopolds in Toscana und Maria Theresias in der Lombardie so wichtige Dienste leistete. So erhielt Toscana von seinem Souverän während dessen Besuches vorzügliche Einrichtungen. Aus eigenem Antriebe erließ er wohldurchdachte Bestimmungen, um die Tuchindustrie (arte della lana) wiederzubeleben. Ein anderes wohlthätiges Edict bewilligte durch zwölf Jahre die freie Ausfuhr von zwei Dritteln der in der Maremma erzielten Getreideernte und führte damit den ersten Schlag gegen veraltete Vorurtheile, welche jenes Land an dem Getreidehandel mit dem Auslande verhinderten, obwohl das Jahreserzeugniß den eigenen Bedarf stets überstieg. Und dies war der erste Schritt in der dann von seinem Nachfolger Großherzog Leopold vollendeten volkswirthschaftlichen Reform. Noch dachte Franz durch ein neues Gesetz die Truppen einer guten Disciplin zu unterwerfen, allein die zu tief eingerissene Demoralisation derselben vereitelte diesen Versuch. Bevor er Toscana verließ, setzte er eine Regentschaft ein, welche aus einem Oberregierungsrath und zwei Subalternräthen bestand. An die Spitze des ersteren stellte er den Fürsten Craon; zum Leiter des Finanzrathes erhob er den Grafen von Riche-Court, zu jenem des Kriegsrathes den Marquis Rinuccini. Er selbst behielt sich die Leitung der auswärtigen Beziehungen vor. Um die Steuerträger vor den Mißbräuchen der Staatspächter zu schützen, errichtete er [184] eine „großherzogliche Kammer“, welche in den zwischen diesen beiden, dann zwischen den Pächtern und der Regierung, endlich zwischen den Regierungsdepartements und Privaten entstehenden Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden hatte. Er führte eine jährliche Ueberprüfung der Rechnungen der öffentlichen Verwaltung ein, ordnete eine genaue Statistik der Bevölkerung Toscanas an, betraute Pompeo Neri mit der Verfassung eines bürgerlichen Gesetzbuches. Er beschränkte auf die Adeligen die Befugniß, Fideicommisse zu errichten, und deren Dauer auf vier Generationen, unter der Bedingung, daß nach dem Tode des letzten Fideicommiß-Inhabers der Grund und Boden in den freien Besitz seines rechtmäßigen und natürlichen Erben übergehe. Ein Gesetz über die Lehen schützte die Vasallen vor Unterdrückungen und gab dem Souverän das Vollmaß seiner Rechte zurück. Ein Gesetz oder Pragmatik schloß vom Adel alle Diejenigen aus, welche sich irgend einer unschicklichen Handlung schuldig machten oder durch ihre Lebensweise Anstoß erregten. Durch eine Bestimmung wurde der überflüssige Luxus bei den Leichenbegängnissen gemäßigt, durch eine andere der Lebensmittelhandel im Innern erleichtert. Die sogenannte Constitution der „todten Hand“ verbot die Uebergabe unbeweglicher Güter an die moralischen Körperschaften, sowohl weltlichen als geistlichen. Auch erfolgte die Gleichstellung des Jahresanfangs für das ganze Großherzogthum und auf Kosten der Regierung die Vergrößerung Livornos. Um den Handel zu begünstigen, wurden mit der Hohen Pforte und den Barbareskenstaaten Verträge abgeschlossen; ebenso mit Oesterreich eine Convention über die gegenseitige Einfuhr von Lebensmitteln und Manufacturwaaren; und dadurch hob sich der toscanische Seidenhandel in hohem Maße. Auch schritt man zum Bau neuer sehr wichtiger Straßen und restaurirte die Pisaner Thermen oder „Bäder von San Giuliano“. Es lag Franz II. ganz besonders am Herzen, die ausgedehnten sumpfigen Gründe dem Ackerbau wiederzugeben, und der großherzige Gedanke ging im Val di Nievole glücklich in Erfüllung. Nicht so konnte der Versuch, die Sieneser Maremma zu colonisiren, verwirklicht werden.. Den Akatholiken ertheilte Franz die Befugniß, ihre im Großherzogthume verstorbenen Verwandten zu beerben, und entzog die Erzeugnisse der Buchdruckerkunst der willkürlichen Censur der Inquisition. Er gab das erste Beispiel von Schutz des literarischen Eigenthums, indem er ihn dem Dichter Goldoni angedeihen ließ. Er nahm auch die Erziehungsanstalten sowohl für Knaben als Mädchen in seine Obhut und förderte das Studium der Naturwissenschaften. Und als Toscana von einer Hungersnoth heimgesucht wurde, ordnete er auf seine eigenen Kosten den Ankauf ausländischen Getreides an. Im August des Jahres 1765 begab sich Franz II. mit seiner Gemalin und anderen Mitgliedern der kaiserlichen Familie nach Innsbruck, um der Hochzeit seines zweitgeborenen Sohnes, des Erzherzogs Leopold, mit der Infantin Maria Ludovica, Tochter König Karls III. von Spanien, beizuwohnen. Diese Heirat ihrer Kinder war dreizehn Jahre früher zwischen dem Könige Karl III. und dem Kaiser-Großherzog Franz II. beschlossen worden, nachdem Letzterer zuvor an seinen obengenannten Zweitgeborenen und dessen Nachfolger das Großherzogthum Toscana abgetreten hatte, welches unabhängig und als von den österreichischen Staaten [185] getrennt erklärt werden sollte. Am 5. August wurde die Hochzeit gefeiert. Es waren Tage voll glänzender Feste, welche der plötzliche Tod des vom Schlage gerührten Kaiser-Großherzogs unterbrach. Franz starb im Alter von 57 Jahren, von denen er 28 in Toscana regiert hatte. Wer sämmtliche Regierungsacte Franz’ II. betrachtet – in vorstehender Skizze wurde derselbe natürlich nur als Regent von Toscana geschildert, und wir verweisen hinsichtlich seiner übrigen Beziehungen als deutscher Kaiser und als Gemal Maria Theresias auf den Artikel Habsburg-Lothringen, Franz I. Stephan [Bd. VI, S. 205, Nr. 94], wo auch der ganze Familienstand des Kaisers angegeben ist – wird dem Verfasser der „Storia Civile della Toscana“, A. Zobi, welcher Alles eher, als den Habsburg-Lothringern wohlgesinnt ist, gewiß beipflichten, daß „Franz II. den Grund zu dem von dem edlen Leopold aufgeführten Gebäude bürgerlicher Weisheit legte“.

Porträte. 1) G. Retwin p. G. Bodenehr sc. (Fol., Kniestück, Schwarzkunst). – 2) L. Highmore p. J. Faber sc. (Fol., Schwarzkunst, selten). – 3) Gaillard sc. (8°.). – 4) J. J. Haid sc. (Hüftbild, Fol., Schwarzkunst). – 5) Mansfeld sc. (4°., dasselbe Blatt vor den Versen und mit besonderer Schriftplatte). – 6) Mansfeld sc. (Fol.). – 7) E. Petit sc. (8°.). – 8) J. E. Nilson sc. (4°.). – 9) Liotard p. Petit sc. (Halbfigur, Fol.). – 10) J. E. Liotard p. F. C. Reisperger sc. 1744 (gr. Fol.). – 11) J. E. Ridinger p. (Fol., zu Pferde mit Gefolge, Rad.). – 12) A. und J. Schmutzer sc. (Fol.). – 13) J. E. Liotard del. 1762. J. Schmutzer sc. 1769 (Fol., schönes und nicht häufiges Blatt). – 14) Ex officina J. T. de Trattnern (gr. 4°.). – 15) J. A. Friedrich fec. Aug. Vindel. d. (8°.). – 16) Stör f. (8°.). – 17) G. P. Nußbiegl sculp. (8°.). – 18) A Paris chez Petit rue S. Jacques à la Couronne d’épines près les Mathurins (4°.).