BLKÖ:Thun-Hohenstein, Leopold Leonhard Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 45 (1882), ab Seite: 62. (Quelle)
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Thun-Hohenstein, Leopold Leonhard Graf (Fürstbischof von Passau, geb. auf dem Schlosse Tetschen in Böhmen am 17. April 1748, gest. zu Zibulka nächst Prag am 22. October 1826), ein Sohn des Grafen Johann Joseph Anton von der böhmischen Linie aus dessen erster Ehe mit Maria Christiana geborenen Gräfin Hohenzollern-Hechingen. Die erste Erziehung erhielt er im Elternhause unter der Leitung eines Grafen Sevigné, eines Abbé Rabiné und eines Deutschböhmen Hilbert. Schon als Kind – in seinen freien Stunden verrichtete er kirchliche Ceremonien, wie er sie in der Kirche sah – zeigte er große Neigung für den geistlichen Stand, die vielleicht durch seine schwächliche Constitution genährt wurde, und so widmete er sich, sobald er die Jünglingsjahre erreicht hatte, mit allem Ernste dem Studium der Philosophie und Theologie, worin mehrere gelehrte und ausgezeichnete Männer des Augustiner-Ordens seine Lehrer wurden. Im Jahre 1768 bekam er durch besondere Gnade Kaiser Josephs II. die primae preces für das Capitel an der Passauer Kirche, eine Auszeichnung, welche nur Jünglinge von wissenschaftlicher Bildung und sonst ausgezeichnetem Rufe erlangten. 1769 begab er sich nach Passau, wo er ein Jahr für seine künftige Bestimmung sich vorbereitete, dann kehrte er heim, erhielt in Prag von dem Erzbischofe Manderscheid Subdiaconat und Diaconat, und 1772 von dem Bischofe von Leitmeritz, Grafen Wallenstein, das Presbyteriat. Nun ging er zu seiner Kirche in Passau zurück, wo er bald zum Propst und 1794 durch seinen Vetter, den eben erwählten Bischof Thomas Johann Grafen Thun, zum Weihbischofe erhoben wurde. Nachdem aber im folgenden Jahre dieser Kirchenfürst das Zeitliche gesegnet hatte, wurde Leopold Leonhard, so sehr er sich gegen den ihm gestellten Antrag sträubte, am 13. December 1796 einstimmig vom Capitel zum Nachfolger auf dem Bischofssitze erwählt und war nun der Vierte aus dem Grafenhause Thun, welcher diese hohe Würde als souveräner Fürst des heiligen römischen Reiches bekleidete. Nur acht Jahre regierte er als solcher sein Bisthum. Seine erste Verordnung gebot die Abschaffung der Todesstrafe. Für Belebung des Handels und der Schifffahrt, zur Förderung der Betriebsamkeit unbemittelter, aber fleißiger Gewerbsleute that er das Mögliche. Er erschien im geistlichen Rathe, um dessen Anordnungen zu prüfen, in der Schule, um diese zu heben, in den Gefängnissen, um Mißbräuche in denselben zu beseitigen. Er sorgte für einen Nachwuchs tüchtiger Priester und verbot die Aufnahme von Novizen in die reichen Klöster, bis nicht seine Pflanzschule für junge Priester hinlänglich [63] versehen war. Er unterstützte junge Theologen mit Geld und guten Büchern, förderte Cultur, Kunst und Wissenschaft und umgab sich mit strebsamen Männern, welche später eine Zierde des Staates und der Kirche wurden, wir nennen den k. k. Hofrath von länglich Rademacher, den Grafen Leopold Max von Firmian [Bd. IV, S. 234], nachmaligen Fürsterzbischof von Wien, den Grafen Karl Cajetan Gaisruck, späteren Cardinal-Erzbischof von Mailand. Seinen humanistischen Bestrebungen aber machten die Wirren einer stark bewegten Zeit bald ein Ende. Die kriegerischen Ereignisse, die auch sein Land berührten, nöthigten ihn wiederholt zur Flucht. Der Luneviller Friede vom 9. Februar 1801 legte dann den Grund zu den großen Veränderungen, welche mit dem Reichsdeputationsrecesse vom 23. Februar 1803 beendet wurden, welchem gemäß nicht nur die Territorien der meisten weltlichen Reichsstände einen anderen Umfang erhielten, sondern auch die sämmtlichen geistlichen Reichsstände, mit Ausnahme dreier, mit ihrem Gebiete ihre Unmittelbarkeit verloren. Auch der Fürstbischof von Passau theilte dieses Geschick und bekam für sein abgetretenes Land die Sustentation von 50.000 fl. R. Wg., mit der Gestattung, zu leben, wo es ihm beliebe. So lange sein Capitel am Bischofssitze blieb, hielt auch er sich an sein geliebtes Passau, als aber jenes ihn verließ, begab er sich zurück in seine Heimat und verrichtete dort die ihm zukommenden kirchlichen Handlungen. Als im Jahre 1817 zwischen dem Papste und Bayern das Concordat zu Stande kam, scheiterte seine Hoffnung, dem bischöflichen Amte wieder vorstehen zu können, an der Gebrechlichkeit seines von Natur schwachen Körpers – Leopold Leonhard war damals nahezu 70 Jahre alt – und er zog sich nun auf sein Gut Zibulka nächst Prag zurück, wo er den Rest seiner Jahre unter Wohlthun verlebte. Daselbst unterstützte er reichlich die armen Anstalten der Barmherzigen Brüder und der Elisabethinerinen, beschäftigte Handwerker und Künstler, nur um ihnen Brod und Verdienst zu geben. Am 9. Juni 1824 wurde er von Kaiser Franz, dessen Gemalin Carolina Augusta und dem Kronprinzen mit einem Besuche beehrt. Nach nur viertägigem Krankenlager starb er, 79 Jahre alt. Als die Bürgerschaft der Hauptstadt die Kunde von seinem Hinscheiden vernahm, bewies sie ihre tiefe Theilnahme, indem sie die Erlaubniß sich erbat, den verblichenen Fürsten auf ihren Schultern zu Grabe tragen zu dürfen. Nach seinen letztwilligen Anordnungen wollte er auf dem allgemeinen Gottesacker der Kleinseite Prags mitten unter seinen Mitchristen bestattet werden, was auch am 24. October Abends bei Fackelschein unter Begleitung des bürgerlichen Schützencorps geschah. Sein Biograph Dr. Jos. Helfert schreibt: „Mit dem hohen Verblichenen verlor das ehemalige heilige römische Reich seinen letzten Fürsten, die Kirche zu Passau ihren letzten exemten Bischof, das Vaterland eine Zierde, die Armen einen Vater“.

Schrödl (Karl Dr.). Passavia sacra. Geschichte des Bisthums Passau bis zur Säcularisation des Fürstenthums Passau (Passau 1879, Waldbauer, gr. 8°.) S. 387. – Buchinger (Joh. Nep.). Geschichte des Fürstenthums Passau nach archival. Quellen (München 1818, Franz Jos. Storno, 8°.) Bd. II, S. 477. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Ilmenau 1828, Bernd. Fr. Voigt, 8°.) IV. Jahrgang (1826). Zweiter Theil, S. 631 u. f.
Porträte. 1) Unterschrift: „Leopold Leonard | exemter Bischof und des heil. röm. | Reichs [64] Fürst zu Passau, aus dem | hochreichsgräflichen Hause von Thun“. Gegraben von Carl zu Passau (8°.). – 2) J. A. Kapeller pxt. F. Wrenck sc. Hüftbild (Fol., Schwarzkunst).