Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 44 (1882), ab Seite: 256. (Quelle)
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Thomé, Franz (Theaterdirector, geb. in Wien um den Anfang des laufenden Jahrhunderts, gest. in Prag am 23. Mai 1872). Als nach dem Tode des Vaters, eines Beamten in der Kanzlei des Fürsten Rasumoffsky [Bd. XXV, S. 6] der von 1793 bis 1799 den Posten des russischen Botschafters am kaiserlichen Hofe in Wien bekleidete, die Mutter nach Dresden übersiedelte, besuchte der Sohn daselbst zunächst die katholische Schule, dann das Gymnasium. Nach der zweiten Verheiratung der Mutter folgte er derselben nach Wien, wo er im Alter von siebzehn Jahren zum Theater ging, für welches er immer eine große Neigung gehegt hatte. Er spielte in der Residenzstadt jugendliche Liebhaber, ebenso in anderen Orten, in denen er auch als Regisseur wirkte. In Mainz gastirte er unter Director Schumann, und als dieser mit einer großen deutschen Operngesellschaft nach Paris ging, schloß er sich an. Um dort einen Haltpunkt zu finden, übernahm er Sprechrollen in der Oper und half im Souffliren aus. Nach dem Scheitern des Schumann’schen Unternehmens wurde er in das Comité gewählt, welches sich gebildet hatte, um den Mitgliedern die Heimreise nach Deutschland zu ermöglichen, was auch gelang. Durch Familienverhältnisse zur Rückkehr nach Oesterreich genöthigt, blieb er daselbst. 1837 spielte er in Pesth und nahm mit Joseph Wagner und Franz Treumann an einer tragikomischen Episode Theil, welche die in unseren Quellen angeführten „Coulissengeheimnisse“ ausführlich erzählen. Darauf trat er ein Engagement in Nürnberg an, wo er aber nur kurze Zeit verweilte, da er inzwischen die Direction des Theaters in Laibach, mit welcher jene der Triester Bühne verbunden war, erhalten hatte. In trefflicher [257] Weise bewährte er sich in seiner Stellung, und gab sie erst auf, als er von dem Grafen Skarbek [Band XXXV, S. 48], diesem aristokratischen Sonderling, der eigens nach Laibach gekommen war, um sich von Thomé’s Bühnenleitung durch den Augenschein zu überzeugen, zum artistischen Director des von demselben in Lemberg erbauten Theaters ausersehen wurde. Dies geschah 1847. Thomé nahm an. Als aber die Ereignisse des Jahres 1848 wie überall so auch in Lemberg die Theaterverhältnisse unsicher machten, löste er seinen Contract mit dem Grafen und folgte einem Rufe der Stände von Krain und Kärnthen zur Uebernahme der Bühnen in Laibach, Klagenfurt und Triest. Bis 1850 dirigirte er daselbst mit gewohntem Erfolge, da aber um diese Zeit das Gratzer Theater zu vergeben war, bewarb er sich um dasselbe und wurde aus einer bedeutenden Zahl von Bewerbern einstimmig gewählt. Er stellte ein gutes Schauspiel und in der Oper ein treffliches Ensemble mit so schöner Ausstattung her, daß man bei jeder Oper, die in der Murstadt zur Aufführung kam, zu sagen pflegte: „Man muß den „Propheten“ in Wien hören und in Gratz sehen“. Noch ein anderes Verdienst gebührt ihm in Hinsicht auf das Gratzer Theater. Durch die zügellosen Zustände, welche dem Erhebungsjahre 1848 folgten, erstarb allmälig der Sinn für Edleres in einem großen Theile des Publicums, vor dem nur niedrige Possen und haltlose Stücke, welche die politischen Schlagwörter des Tages behandelten, noch Gnade fanden. Da unternahm es Thomé, den Sinn für das wahrhaft Schöne von neuem zu beleben, was ihm denn auch durch ein trefflich zusammengestelltes Repertoire und sorgfältige Darstellungen vollkommen gelang. Am 22. März 1853 trat er die Direction des Rigaer Theaters an, welche er bis 1858 behielt. Im folgenden Jahre wurde ihm nach Hofmann die Leitung des deutschen Theaters in Prag übertragen, und er führte sie, eine Zeit lang gemeinschaftlich mit Stöger, bis zum 18. März 1864. Die Czartoryski’sche Monatschrift berichtet ausführlich über die Hoffnungen, welche sich an Thomé knüpften, und die er auch erfüllte. Er hielt die älteren guten Kräfte, unter denen vornehmlich die Herren Sauer, Eichenwald und Hassel, die Damen Frey und Allram-Lechner zu nennen sind, zusammen, verstand es, gute neue zu gewinnen, darunter die Damen Burggraff, Rudloff, Remosani, Gebhardt, Schultzendorff, Raabe, die Herren Hallenstein und Oberländer, dann in der Oper die Damen Lucca, Kainz-Prause, Lichtmay, Mick, die Herren Rokitansky, Nachbaur, Bachmann u. s. w. Namen, von denen mehrere in der Folge als Sterne ersten Ranges am Theaterhimmel glänzten. Als die deutsche Bühne 1864 an Wirsing überging, und das čechische Interimstheater, welches er gleichfalls geleitet hatte, an Liegert überlassen wurde, privatisirte er einige Zeit, wurde aber im Jahre 1865 nach des Letzteren Rücktritt auf Dr. Rieger’s besondere Veranlassung abermals mit der Direction des čechischen Theaters betraut, welche er bis zur preußischen Invasion 1866 führte, wo dasselbe geschlossen blieb. Eine dauernde Schöpfung Thomé’s war das Neustädter Theater, das er auf eigene Rechnung erbaute und in dessen Besitze er verblieben ist. 1868 übernahm er noch die Direction des Theaters in Linz, welche er in Folge eines Schlaganfalles im zweiten Jahre niederlegte, [258] daselbst ins Privatleben sich zurückziehend. Von Linz begab er sich wieder nach Prag, wo er bis zu seinem, durch einen zweiten Schlaganfall herbeigeführten Tode verweilte. Um das Theaterwesen in Oesterreich, namentlich in Prag, besitzt Thomé bleibende Verdienste. Für die čechische Bühne war sein Interesse vornehmlich durch den Schulrath Klicpera [Bd. XII, S. 88] geweckt und geleitet worden, mit dem ihn bis zu dessen Hinscheiden innige freundschaftliche Bande verknüpften. Thomé hatte sich zweimal verheiratet, zuerst um das Jahr 1837 in Pesth, mit der früheren Choristin, späteren Localsängerin, Fräulein Baumgärtner, dann in Prag während seiner Leitung des Theaters daselbst mit einem Fräulein Günther, welches einige Male in der böhmischen Oper und in Concerten mitwirkte. Aus letzterer Ehe hinterließ er eine Tochter.

(Leipziger) Allgemeine Theater-Chronik, 1853, Nr. 67. – Zellner’s Blätter für Theater, Musik u. s. w. (Wien, kl. Fol.) 1872, S. 172. – Monatschrift für Theater und Musik. Herausgegeben von Jos. Klemm (richtiger von den beiden Fürsten Alex. und Constantin Czartorysky) (Wien, 4°.) III. Jahrg. (1857), S. 548 u. f.: „Prag“. – Coulissengeheimnisse aus der Künstlerwelt. Vom Verfasser der „Dunklen Geschichten aus Oesterreich“ und der „Hof- und Adelsgeschichten“ (Wien 1859, v. Waldheim, Lex.-8°.) S. 137: „Die drei Schauspieler (Jos. Wagner, Franz Thomé und Franz Treumann) und die Kindesmörderin“.