Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Lucca, Dr.
Band: 16 (1867), ab Seite: 124. (Quelle)
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Lucca, Pauline (Sängerin, geb. zu Wien im Jahre 1841[BN 1]). In der Vorstadt Wieden geboren, besuchte sie die dortige Schule. Bei dem Schulmeister, der aber auch Singlehrer war und schwärmerisch die Musik liebte, erhielt sie auch den ersten Unterricht in derselben. Der reine Sopran des Mädchens wurde bald eine Quelle stillen Entzückens für den alten Musikus Walter – so hieß der Lehrer – dem es nun ein ganz besonderes Vergnügen machte, seinem Lieblinge die möglichste Ausbildung zu geben. An eine Ausübung des Gesanges zu künstlerischen Zwecken wurde damals – denn die Eltern waren wohlhabend – gar nicht gedacht. Pauline sang in Walter’s Stube als achtjähriges Mädchen lustig ihre österreichischen Lieder und erst das Unglück mußte kommen, um sie der Kunst zu gewinnen. Im Jahre 1848 verloren ihre Eltern, gleich vielen Anderen, Hab und Gut. Indessen kam [125] Pauline aus Walter’s Schule in die Singschule zu Meister Ruprecht auf die Wieden, in welcher sie mehrere Jahre im Gesang unterrichtet wurde. Dann brachte sie Ruprecht mit unter den Chor beim Hochamt und im Jahre 1854 sang Pauline bereits kleine Soli beim Gottesdienste. Im Jahre 1856 gelang es den Eltern Paulinens Aufnahme im Chor des Wiener Hofoperntheaters zu erwirken. Ihre anmuthige Erscheinung, ihr Eifer und ihre Anstelligkeit, verbunden mit der gesunden metallreichen Stimme, zogen bald die Aufmerksamkeit von Kennern und Freunden auf die junge Choristin. Der ehemalige Tenorist Otto Uffmann und der Professor Richard Löwy nahmen sich nun des siebzehnjährigen Mädchens an und übernahmen dessen Ausbildung im eigentlich dramatischen Gesange. Jetzt erst schien Pauline selbst zum Bewußtsein des Schatzes gekommen zu sein, den sie in ihrer Kehle barg. Den Tag über übte sie ihre herrliche Stimme in kunstvollen Liedern, während sie Abends im Chor mitleierte. Damals geschah es, daß an einem Sonntag-Nachmittag die unbeachtete Choristin statt eine projectirte Landpartie zu machen, in demselben Theater, in welchem sie Abends im Chor sang, vor ihren Eltern, ihrem Lehrer, dem Regisseur Just, dem Baritonisten Robinson und Tenoristen Dr. Gunz die Lucretia Borgia Probe sang und ihrem kleinen Zuhörerkreise die Ahnung aufstieg, daß sie, die jetzt in untergeordneter Stellung sich befand, bald als Stern ersten Ranges aufleuchten würde. In Bälde sollte sie diese Bühne, deren Leiter den Edelstein den sie besaßen, nicht erkannt, verlassen. Ein Gastspiel in Olmütz war das erste Ereigniß im Leben der jungen Künstlerin. Sie sang die Elvira in „Ernani“ und gefiel so sehr, daß sie engagirt wurde. Nun gab sie sich rastlosem Studium hin und hatte im Zeitraum von fünf Monaten eilf Opern-Partien erlernt, deren jede ein Triumph für sie wurde. Anträge kamen bald von allen Seiten und für den von Prag entschied sie sich, denn vor einem musikalisch gebildeten Publicum zu singen, und als solches galt immer jenes von Prag, war von jeher ihr höchster Wunsch. In Prag trat sie thatsächlich in den Kreis der ersten ihres Faches und die schwierigsten Partien: die Valentine, Norma, Jüdin, Lucia, Leonore im „Troubadur“, Bertha im „Propheten“, von Meyerbeer selbst als die beste gerühmt, bewältigte sie mit Leichtigkeit. Sie sang sie, wie ein Kritiker treffend sagt: mit ihrer mächtigen Stimme von fleckenloser Reinheit und geadelt durch die innigste Empfindung dessen, was sie in Tönen gibt. Von Prag ging Pauline, die erst vor drei Jahren Choristin der Wiener Hofoper gewesen, nach Berlin, als Primadonna der königlichen Oper. Da sie ihr Prager Engagement, welches erst im April 1861 ablief, zu kündigen hatte und sie in Folge des früher abgeschlossenen Berliner Contractes neue Verbindlichkeiten übernommen, ehe sie die alten gelöst hatte, so gewann die Prager Bühne dadurch die Vortheile eines Compromisses, welchem zufolge sie nach dem am 1. April 1861 eintretenden Berliner Engagement, im Sommer desselben Jahres und im Anfang 1862 einen dreimonatlichen Urlaub erhielt, um in Prag zu singen, bei welcher Gelegenheit sie auch als Gast im Wiener Hofoperntheater auftrat. Im Jahre 1863 sang sie als Gast im Conventgarten-Theater in London und errang ihre Erfolge neben der Patti, welche sie auch als dramatische [126] Sängerin überragt. Als sie im folgenden Jahre, in welchem der deutsch-dänische Conflict ausgebrochen war und die Engländer sich nicht entblödet hatten, in ihren Journalen schamlose Angriffe auf Deutschland vorzubringen, eben wieder auf Gastrollen in London sich befand, war sie plötzlich, nachdem sie erst dreimal gesungen. aus London verschwunden und am 5. Juni wieder in Berlin eingetroffen. „Ich bin eine Oesterreicherin und Zeitlebens vom Könige von Preußen angestellt, da kann ich’s nicht länger mit ansehen, wie der Kaiser und der König sammt allen Deutschen von dieser langweiligen Nation verhöhnt werden; ich sing’ auch keinen Ton mehr“; sprach’s und hatte London verlassen. Die wackere Sängerin büßte durch diesen ehrenvollen Vertragsbruch eine bedeutende Summe ein. Eine im Juni von der Berliner Montagszeitung gebrachte Nachricht, daß Pauline Lucca in Reichenhall gestorben sei, hat sich zum Glücke als falsch erwiesen. Im Jahre 1865 führte sie kleinere Gastspiele in Hannover und Hamburg aus. Daß sie in Berlin bald der erklärte Liebling des Publicums wurde, begreift sich leicht, auch die Industrie beutete ihren Namen aus und im Sommer 1865 prangten in den Schaufenstern der Berliner Handlungen Luccahüte, Luccaroben und Mantillen, Luccanetze u. dgl. m. Am 25. November 1865 vermälte sie sich mit dem preußischen Lieutenant von Rhaden, bei welcher Gelegenheit ihr von Seite des königlichen Hofes manche Beweise der Huld gegeben wurden. Die Künstlerin verläßt jedoch die Bühne nicht. Wie bedeutend als Künstlerin, ist sie munter und liebenswürdig im Leben. Die Natürlichkeit der Oesterreicherin verhilft ihr zu manchem Siege und führt sie rascher zum Ziele. Treffend ist ihr Witz, als man ihr photographirtes Bildniß, welches sie neben Bismarck sitzend darstellt, in Berlin confiscirte. Schiller, rief sie aus, singt doch: „Es soll der Sänger mit dem König gehen, warum kann denn nicht die Sängerin mit seinem Minister sitzen“? Im Frieden haben wir durch Sorglosigkeit einen großen Schatz vom Nachbar uns entführen lassen, vielleicht bringt uns der neueste „deutsche Krieg“ – wenn wir das echtpatriotische Gemüth der Künstlerin in Betracht ziehen – denselben wieder zurück.

Die Illustrirte Zeit (Berliner Mode- und Musterblatt, kl. Fol.) 1862, Nr. 4, S. 28; „Pauline Lucca“ [mit Porträt im Holzschnitt (nach einer Photographie von Lehmann u. Comp.)]. – Der Bazar (Berliner Mode- und Musterblatt, kl. Fol.) VIII. Jahrgang (1862), S. 357: „Pauline Lucca“ [mit Porträt im Holzschnitt]. – Fremden-Blatt von Gustav Heine (Wien, 4°.) Jahrg. 1863, Nr. 201; 1864, Nr. 17, 136, 138, 171, 283, 353; 1865, Nr. 35, 130, 249, 288, 316, 331, unter den Theater- und Kunstnotizen. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1861, Nr. 121; 1865, Nr. 40. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 200: „Eduard Hanslick über Fräulein Lucca“; – dieselbe 1865, Nr. 334 [im Feuilleton]. – Bohemia (Prager Blatt) 1864, Nr. 16, S. 178. – Neue Zeit (Olmützer Blatt) 1864, Nr. 262: „Wie Pauline Lucca im Wiener Hof-Operntheater die „Lucretia Borgia“ sang. Eine Erinnerung von der vierten Gallerie“. – Deutsche Schaubühne. Herausgegeben von Martin Perels und Fedor Wehl, Jahrg. 1861, 7. Heft, S. 42. – Iris (Gratzer Modeblatt) 1863, IV. Bd. 7. Lieferung, S. 171. – Porträt. Außer den obenerwähnten Holzschnitten im „Bazar“ und in der „Illustrirten Zeit“ ist ihr Bild, von Prokoph lith. 1860, Druck von F. Liebisch in Prag, mit dem Facsimile ihres Namenszuges als Unterschrift (Halb-Fol.) erschienen.

Berichtigungen und Nachträge

  1. E Lucca, Pauline [Bd. XVI, S. 124] (geb. zu Wien von israelitischen Eltern am 23. April 1841).
    Allgemeine Familien-Zeitung (Stuttgart, Hermann Schönlein, Fol.) IV. Jahrg. (1872), Bd. IV, Nr. 31, S. 602 [auf S. 589 ihr Holzschnittbildniß, nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb]. – Daheim. Herausg. von Dr. Robert König (Leipzig, Velhagen und Klasing in Bielefeld, gr. 4°.) VIII. Jahrg. (1872), Nr. 36, S. 568: „Pauline Lucca. Ein musikalisches Charakterbild“, von Otto Gumprecht. [Band 28, S. 365]