Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Thewrewk, Nicolaus
Nächster>>>
Theyer, Leopold
Band: 44 (1882), ab Seite: 214. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Franz Theyer in Wikidata
GND-Eintrag: 117303232, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Theyer, Franz|44|214|}}

Theyer, Franz (Industrieller, geb. zu Wien im Jahre 1809, gest. ebenda am 17. August 1871). Am St. Georgstage des Jahres 1763 wurde in Wien die Nürnberger Waarenhandlung Scharrer, welche das Schild „Zum Rauchfaß“ führte, von Jacob Michael Theyer, dem Sohne eines Schullehrers auf der Landstraße in Wien, nach einundzwanzigjähriger Servirzeit übernommen, Ueber die eigenthümliche Reliquie – eine Mistgabel – und den mit derselben verbundenen Vorgang bei Uebergabe des fundus instructus an Theyer, sowie über das, was noch weiter an diese sich knüpft, vergleiche die Quellen: „Der Talisman der Firma Theyer, vormals Scharrer“. Der neue Inhaber des Geschäftes begann dasselbe mit schweren Sorgen, denn die Wocheneinnahme belief sich in der ersten Zeit im besten Falle auf fünf Gulden. Aber ein frommer Mann, verzagte er nicht, erbaute einen Hausaltar, vor dem er in seinen Nöthen die Andacht verrichtete, und von den trefflichen Rathschlägen seines Bruders, eines [215] Augustiner-Chorherrn im Stifte auf der Landstraße, geleitet, schwang er sich durch Ausdauer, Muth und Gewerbsfleiß empor. Bald waren die seltensten neuen Erfindungen des Auslandes im Gebiete der Kunst und Industrie nur bei der „Stadt Nürnberg“ zu finden, und Jacob Theyer hinterließ seine edlen Bürgertugenden: Vaterlandsliebe, Redlichkeit, Muth, Fleiß und Treue, als kostbares Erbe seinem Sohne Martin (geb. in Wien 20. April 1773, gest. ebenda 25. October 1854), welcher das 1798 übernommene Geschäft nach 48jähriger umsichtiger Leitung ungeschmälert seinem Sohne Franz übergab, der zu den trefflichen Eigenschaften seines Vaters und Großvaters noch die eines besonders sinnreichen, künstlerisch angelegten, erfinderischen Kopfes gesellte. Franzens Witwe Marie schreibt in einem Briefe an den Herausgeber dieses Lexikons: „Mein Mann war von seiner ersten Jugend an der unermüdliche Industrielle, man kann mit vollem Rechte sagen, daß er es verstand, die Industrie mit der Kunst zu vereinigen, und wenn es vor der neuen kunstgewerblichen Aera in Oesterreich eigentlich kein Kunstgewerbe gab, so war er doch lange vor der in dieser Richtung mitunter künstlich bewerkstelligten Agitation ein würdiger Repräsentant und Matador kunstgewerblicher Thätigkeit, nur hatte er mit der Reclame, die heutzutage oft ihr zweifelhaftes Wunder wirkt, nichts zu schaffen.“ Von seiner Jugend bis zum Jahre 1854 arbeitete Theyer in allen wissenschaftlichen Gebieten, und ganz besonders von den Erfindungen Daguerre’s und Jacoby’s gefesselt, entfaltete er in der Daguerreotypie und Galvanoplastik eine ebenso rühmliche als erfolgreiche Thätigkeit. Schon im Jahre 1843 meldeten die Wiener Blätter von seinen glänzenden Versuchen auf dem Felde der Galvanographie, und in den Vierziger-Jahren konnten Kunstfreunde seine trefflichen galvanoplastischen und galvanographischen Leistungen, die er im Vereine mit Dr. Waidele zu Tage gefördert hatte, in seiner Wohnung [Kärnthnerstraße, Ecke der Weihburggasse Nr. 903 alt] besichtigen. Von seinen Arbeiten in dieser Richtung sind, wie Nagler berichtet, die Uebertragungen der Kupferstiche des von S. von Perger veranstalteten Werkes der k. k. Belvedere-Galerie am meisten bekannt geworden. Diese galvanographischen Nachbildungen umfaßten 240 Blätter in vier Banden (Wien 1846, in Roy.-4°.). Der Albrecht Dürer-Verein in Nürnberg ließ dann in Theyer’s Anstalt die „Madonna mit dem Kinde“ von Leonardo da Vinci, welche in der Galerie von Pomersfelden sich befindet, nach dem Stiche von A. Reindel galvanographiren und gab diese Nachbildung als Vereinsblatt (gr. Fol.) für 1844/45 seinen Mitgliedern. Nun aber wendete Theyer seine Aufmerksamkeit dem eigentlichen kunstgewerblichen Gebiete zu, auf welchem er in der Folge Treffliches leistete. Nach einer rastlosen Thätigkeit von mehreren Jahren brachte er 1854 auf die Ausstellung in München seine mit eingelegten Blumen von gemaltem Porzellan geschmückte Tischplatte aus Rosen- und Palisanderholz, welche die allgemeine Bewunderung in solchem Grade erregte, daß Neid und Mißgunst ihm die Priorität der Erfindung streitig machten, indem man behauptete, daß seine Tischplatte eigentlich französischen Ursprungs sei. Durch diese Vorgänge erbittert, unterließ er es, die Pariser Ausstellung 1855 mit seinen Kunstwerken zu beschicken, was auch im Ausstellungsberichte offen bedauert [216] wurde. Auf der Londoner Ausstellung 1862 aber erschien er mit seinen Holzgalanterie-Erzeugnissen, mit seinen Bronce-, Ledergalanteriewaren und Holzarbeiten mit eingelegter Malerei, welche denn auch daselbst die gebührende Anerkennung fanden. Es ist nicht unsere Aufgabe, in das Detail der von Theyer allmälig vollendeten Werke, die einzig in ihrer Art dastehen, einzugehen. Der Ruf seiner Leistungen wuchs, und es fehlte ihm auch nicht an Ehren mannigfacher Art. Schon im Jahre 1840 hatte er vom niederösterreichischen Gewerbevereine für seine galvanoplastischen Arbeiten die große goldene Medaille empfangen; und für ebendieselben ehrte ihn die Naturforscher-Gesellschaft durch Verleihung der silbernen Medaille. Von König Friedrich Wilhelm IV. wurde er mit der goldenen Medaille für Kunst und Industrie, von der Stadt Wien mit der goldenen Salvatormedaille ausgezeichnet; auf der österreichischen Industrie-Ausstellung des Jahres 1845 erhielt er die goldene Medaille, auf der Industrie-Ausstellung in München die große Medaille; vom österreichischen Kunstverein 1861 die große silberne Medaille; im nämlichen Jahre von Papst Pius IX. für christliches Wirken die silberne Medaille; auf der Londoner Ausstellung 1863 die Medaille und im nämlichen Jahre von Sr. Majestät dem Kaiser das goldene Verdienstkreuz mit der Krone und bald danach – im October d. J. – das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens. Als Franz 1871 starb, übernahm sein Sohn, dessen Taufname uns unbekannt, das Geschäft. Dieser trat später in Verbindung mit Hardtmuth, und die Firma Theyer und Hardtmuth zählt noch heute zu den hervorragendsten industriellen Etablissements der Monarchie. In neuester Zeit pflegt sie mit besonderem Eifer und großem Erfolge die Briefpapierindustrie. Ihre Erfindungen auf diesem Gebiete sind ebenso mannigfaltig als geschmackvoll und originell. Von der einfachen Schwalbe bis zu den verwickelten Chargengruppen sind alle möglichen Objecte der Thier- und Pflanzenwelt vertreten. In jüngster Zeit brachte sie die originellen Correspondenzbillets, welche auf den Außenseiten Titel und Text der beliebtesten Journale mit Lettern, die nur durch das Vergrößerungsglas lesbar sind, darstellen, dann wieder andere, welche auf der Außenseite Titelblatt und eine Seite Notentextes beliebter Musikstücke in phototypischer Verkleinerung zeigen, und ganz zuletzt Briefbogen und Couverts, welche mit Dessins bunter Leinenstickerei ausgestattet sind. In ihrer großartigen Anstalt in Wien werden alle diese mannigfaltigen Luxuspapiere gezeichnet, adjustirt und cartonnirt. 125 Mädchen, größtentheils den besseren Ständen angehörend, deren jedes je nach Art seiner Beschäftigung und Geschicklichkeit sich fünf bis zehn Gulden wöchentlich verdient, führen als Prägerinen, Zeichnerinen oder Malerinen die von der Firma erfundenen Entwürfe in kunstmäßiger Weise aus, und da die Firma Theyer und Hardtmuth Niederlagen in Paris und London besitzt, findet das schöne und originelle österreichische Fabrikat auch reichen Absatz im Auslande.

Sonntagsblätter. Von Ludwig August Frankl (Wien, 8°.) II. Jahrgang (1843), S. 479, 600, 604 und 1119: „Die Galvanographie in ihrem Verhältnisse zur Kunst“. Von Melly. – Dieselben, 1844, S. 44. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen. Bibliographisches Institut, gr. 8°.) Zweite Abtheilung, Bd. XI, S. 767. – Nagler (G. K. Dr.). Neues allgemeines Künstler-Lexikon (München 1839, E. A. Fleischmann. [217] 8°.) Bd. XVIII, S. 329. – Bericht über die allgemeine Agricultur- und Industrie-Ausstellung zu Paris im Jahre 1852. Herausgegeben von Dr. Eberhard A. Jonák (Wien 1857/58, gr. 8°.) Bd. III, 24. Classe, S. 33, 25. Classe, S. 123. – Arenstein (Jos. Dr.). Oesterreichischer Bericht über die internationale Ausstellung in London 1862 (Wien 1863, schm. 4°.) S. L, 183 und 679. – Katholische Blätter. Herausgegeben vom katholischen Centralverein in Linz. XV. Jahrgang, 31. October 1863, Nr. 86: „Die alten Firmen unseres Platzes. Studien aus dem Archive der Wiener Kaufmannschaft“. – Wiener Zeitung,. 1861, Nr. 136, S. 2164. – Fremdenblatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1863, Nr. 296. – Wiener Allgemeine Zeitung, 4. Juni 1881, Nr. 454: „Briefpapier-Industrie“.