BLKÖ:Tauschinsky, Hippolyt

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Tausenau, Karl
Band: 43 (1881), ab Seite: 142. (Quelle)
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Tauschinsky, Hippolyt (Schriftsteller und Agitator, geb. zu Wien im Jahre 1839). Der in Rede Stehende dürfte wohl Soldatenkind, vielleicht ein Bruder des Victor Tauschinsky (geb. zu Görz 6. April 1844) sein, der im Jahre 1850 aus dem Cadeteninstitute zu Eisenstadt in die Wiener-Neustädter Militärakademie kam, aus welcher er 1863 als Lieutenant m. G. bei Erzherzog Ferdinand d’Este-Infanterie Nr. 32 eingetheilt wurde. Dieser Victor machte den Feldzug gegen die Preußen im Jahre 1866 mit, quittirte aber im April 1868 seine Charge ohne Beibehalt des Militärcharakters und erhielt bei einem Telegraphenamte eine Anstellung.– Hippolyt, der gelehrten Laufbahn sich widmend, erlangte nach Beendigung der philosophischen Studien daraus die Doctorwürde und auch provisorisch eine Anstellung als Bibliotheks-Assistent und als Docent der allgemeinen Welt- und Culturgeschichte bei der k. k. Akademie der bildenden Künste. Seine provisorische Anstellung in letzterer Eigenschaft erreichte mit dem Schlusse des Schuljahres 1867 ihr Ende, denn der akademische Rath ging auf die von Dr. Tauschinsky gewünschte Belassung auf dem Lehrstuhle nicht ein, weil er das Provisorium dieser Docentur wohl fernerhin noch aufrecht erhalten, aber dieselbe von Schülern des historischen Seminars versehen lassen wollte. Diese Aufklärung über Tauschinsky’s Enthebung wurde damals gegeben, da man dessen politische Gesinnung als Motiv der unterbliebenen Erneuerung, des von ihm erbetenen Provisoriums hingestellt hatte. Die „Neue Freie Presse“ wenigstens sagte in ihrer kleinen Chronik [1868, Nr. 1496] ausdrücklich, daß Tauschinsky, nachdem man ihm schon [143] früher mehrmals seine Entlassung in Aussicht gestellt habe, weil er seiner agitatorischen Thätigkeit auf social-politischem Gebiete nicht entsagen wolle, nunmehr deshalb seiner Stelle als Docent enthoben worden sei. Und das ist auch das Wahrscheinliche. Dagegen verblieb er damals noch in seiner Anstellung als Bibliothek-Assistent an der k. k. Akademie der bildenden Künste. Ursprünglich hatte sich Dr. Tauschinsky ganz ernstlich auf das strengwissenschaftliche und zunächst auf das historische Gebiet geworfen. So erschien bereits im Jahre 1861 aus seiner Feder in den „Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Classe“, „Faviana und Wien“, wovon auch ein Separatabdruck (Wien 1862) herauskam, und etwas später, 1863, gab er gemeinschaftlich mit Matthias Pangerl im fünften Bande der ersten Abtheilung der von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften edirten „Codex rerum Austriacarum“ den „Codex Strahoviensis“ heraus, welcher den Bericht des sogenannten Ansbert über den Kreuzzug des Kaisers Friedrich I. und die Chroniken des Domherrn Vincentius von Prag und des Abtes Gerhard von Mühlhausen enthält. Mit einem Male verließ er das historische Gebiet und begab sich auf das philosophische – er veröffentlichte nämlich die Broschüre: „Der Begriff. Eine philosophische Untersuchung“ (Wien 1863, Beck’sche Universitäts-Buchhandlung, gr. 8°.) – bis er endlich auch dieses mit dem religiösen vertauschte und auf dem letzteren ebenso als Publicist wie als werkthätiger Agitator auftrat. Zunächst erschien seine Schrift: „Die Botschaft der Wahrheit, der Freiheit und der Liebe“ (Wien 1869, Dirnböck, gr. 8°.). Zu gleicher Zeit aber begann er auch seine agitatorische Thätigkeit, und zwar bei den Arbeiterclassen, da er unter diesen rohen und von Fanatikern leicht lenkbaren Massen zunächst wirken konnte. Mit einem Arbeiterführer jener Tage, Namens Metall, hielt er religiös-philosophische Vorträge, in denen er wie sein Genosse darauf hinwies, daß das Volk sich des bisherigen Glaubenszwanges entledigen und sein Denken und Handeln nur nach der eigenen freien Ueberzeugung einrichten müsse. Diese Ueberzeugung aber muß sich gründen auf die reine rückhaltslose unverfälschte Wahrheit, auf die volle politische Freiheit und die Liebe im Sinne der socialen Verbesserung. Sein Vorgehen wie seine aufreizenden Vorträge wurden wohl wiederholt behördlich geahndet und er bald zu geringen Geld- und kurzen Arreststrafen verurtheilt. Aber das hinderte ihn nicht, sein Agitationswerk um so nachdrücklicher zu fördern, und im April 1871 erstattete der damals in Gratz domicilirende Dr. Tauschinsky der k. k. niederösterreichischen Statthalterei die Anzeige, daß er eine neue Religionssecte gegründet, daß die Freunde und Bekenner seiner Lehre: „Die Botschaft der Wahrheit, der Freiheit, der Liebe“ in Wien und Umgebung sich zu einer vorläufig „gesetzlich nicht anerkannten“ Religionsgesellschaft vereinigt und zu ihrem Vorsteher den in Fünfhaus wohnenden Weber Cajetan Schädle bestellt hätten. In Kürze theilen wir hier, um Tauschinsky’s Standpunkt klar zu legen, die Lehren seiner „Botschaft“ nach ihren sechs Hauptpunkten mit. Diese sind: 1. Wir erkennen die Welt als eine in Raum und Zeit unendliche Einheit, deren schöpferische Energie wir mit dem Namen Weltgeist bezeichnen. 2. Wir erkennen, daß die Menschheit [144] eine der unzähligen Formen ist, in denen der Weltgeist in der Reihe seiner Entwicklung sich darlegt. Wir erkennen, daß das Menschengeschlecht allseitig fortschreitet, und erklären es für die Aufgabe eines jeden Menschen, an dieser Verbesserung nach allen seinen Kräften mitzuarbeiten. 3. Wir erkennen die Unzerstörbarkeit des Wesens in allen Erscheinungen des Weltgeistes und folglich auch im Menschen und halten demnach den Tod nur für den Uebergang in eine neue Form zeitlicher Existenz. 4. Wir erkennen, daß für alle Handlungen eine Vergeltung eintreten muß, die jedoch stets nur zeitlicher Natur ist. 5. Wir erkennen, daß jene Handlungen gut sind, welche dem Princip des Wesens: Gleichheit aller Menschen entsprechen und den Fortschritt der Menschheit befördern. Alle dem widerstreitenden Handlungen sind verwerflich. 6. Wir erkennen den Begriff „Gott“ als die Idee der absoluten Vollendung für eine Forderung der menschlichen Vernunft. Das Sittengesetz der „Botschaft“ lautet: Die Gebote der Freiheit sind: Sei mäßig, sei gelassen, sei wahrhaft, sei reinlich, sei fleißig, sei sparsam. Die Gebote der Gerechtigkeit: Beleidige nicht, mißhandle nicht, tödte nicht, betrüge nicht, stiehl nicht, raube nicht. Die Gebote der Liebe: Sei freundlich mit Allen, sei mitleidig mit den Unglücklichen, sei fröhlich mit den Glücklichen, unterstütze die Armen, pflege die Kranken, beschütze die Schwachen. Und Dr. Tauschinsky bittet: die k. k. Statthalterei möge diese Anzeige von der Existenz der genannten Religionsgenossenschaft zur Kenntniß nehmen. Obwohl nun Dr. Tauschinsky mit dieser Sectenstiftung wenig Glück hatte und wiederholt zu Geldbußen verurtheilt wurde, ließ er doch in seinem Eifer nicht nach, bis er endlich bei dem k. k. Landesgerichte in Gratz im Jahre 1874 wegen Religionsstörung mit fünf Monaten, durch einen Fasttag im Monate verschärften Kerkers sich verurtheilt sah. Kaum aber hatte Tauschinsky diese Strafe abgebüßt, als gegen ihn und sechs Mitschuldige, und zwar neuerdings vom Gratzer Landesgerichte ein Hochverrathsproceß eingeleitet wurde. Es hatte nämlich der im April 1874 abgehaltene Congreß von Delegirten der socialistischen Arbeiterpartei zu Neudörfel ein förmliches Actionsprogramm angenommen, welches mit dem seinerzeit als staatsgefährlich erkannten Eisenacher Programm ziemlich identisch war. Dabei wurde die Bildung eines Centralcomités für die ganze Monarchie mit dem Sitze in Gratz und von Subcomités für die einzelnen Provinzen beschlossen und die Durchführung der derart festgestellten Organisation dem Dr. Tauschinsky übertragen. In der That bildeten sich nun kurz darauf das Centralcomité und einzelne Subcomités, welche jedoch von der Regierung als geheime Verbindungen erkannt und behördlich aufgelöst wurden. Ungeachtet dessen verblieben doch diese Verbindungen in ununterbrochener Action, mit dem Bestreben, in die Arbeiterbewegung eine revolutionäre Tendenz zu verpflanzen, und insbesondere war Tauschinsky, den man am 10. Juli 1874 verhaftete, in dieser Richtung ungemein thätig und agitirte selbst während seiner Haft, die er wegen Religionsstörung verbüßte, auf das eifrigste. Wirksamer Vorschub sollte diesen Absichten durch eine neue geheime Delegirtenconferenz geleistet werden, welche auch, nachdem Tauschinsky am 24. Februar 1876 seiner Haft entlassen worden, [145] im Mai d. J. zu Marchegg zusammentrat. Aber diese Versammlung von einunddreißig Delegirten aus den verschiedenen Kronländern der Monarchie wurde behördlich aufgelöst und die Theilnehmer an derselben mit Zwangspässen in ihre Heimatsorte befördert. Die behördlichen Organe hatten sämmtliche Schriftstücke zerrissen aufgefunden, und der Inhalt der zusammengefügten Fragmente war belastend genug, um gegen Tauschinsky und sechs Haupttheilnehmer den Hochverrathsproceß einzuleiten. Unter diesen Schriftstücken befand sich auch ein von Tauschinsky verfaßter, durch einen Dritten, Namens Stradner, an den Grafen Hohenwart gerichteter Brief, in welchem demselben das Anerbieten gemacht wurde, die Arbeiterpartei ins föderalistische Lager zu führen, um die Zwecke des Grafen in Oesterreichs politischen Fragen zu fördern. Dr. Tauschinsky gedachte nun, seine Aufreizung gegen Gesetz und Staat zu einem politischen Coup zu machen, indem er durch jenen Brief den Grafen Hohenwart in den Vordergrund zu schieben versuchte. Aber dieser, wenngleich Föderalist, so doch Cavalier von reinstem Wasser, der es verschmäht, anderen Vorbildern zu folgen und rothe Elemente für blaublütige Extravaganzen zu benützen, und überhaupt ungesetzliche Factoren für gesetzliche Maßregeln auszubeuten, und der in der Politik, wenn nicht Allen zu Gefallen, doch stets mit reinen Händen arbeitet, beachtete den Antrag des Agitators nicht weiter, sondern erklärte in der Folge in einem aus Wien vom 5. December 1875 an das k. k. Landesgerichts-Präsidium in Gratz gerichteten Schreiben, daß er mit der Arbeiterpartei nie etwas zu schaffen gehabt, auf den Brief gar nicht geantwortet, keinen der Leute, weder Tauschinsky, noch dessen bei der Sache verwendeten Mithelfer persönlich kenne und erst durch die Untersuchung erfahren habe, wie man seinen Namen mißbrauchte. Dr. Tauschinsky, dessen Namen mittlerweile der durch den Gang der Verhandlungen aufgeklärte Volkswitz in sinnig-humoristischer Weise in Dr. Plauschinsky umgewandelt hatte, wurde durch Erkenntniß vom 8. December 1875 wegen Vergehens der Aufwiegelung zu drei Monaten Arrest verurtheilt und, über Erkenntniß vom 1. Februar 1876 von Gratz für immer verwiesen, nach seiner im März überstandenen Haft mit gebundener Marschroute nach Wien, wohin er eigentlich zuständig war, abgeschafft. Seit dieser Zeit verschwand der Agitator, der, nebenbei erwähnt, in den gerichtlich festgestellten Personalien als confessionslos bezeichnet ist, spurlos vom öffentlichen Schauplatze. Noch sei zum Schlusse bemerkt, daß Dr. Tauschinsky in früheren Tagen sich auch auf schöngeistigem Gebiete bewegte. Wachenhusen’s „Hausfreund“ enthält in seinem XVIII. Jahrgange (etwa 1871) von ihm eine Novelle, betitelt: „Die Templerin“, in welcher die Ideen einer „neuen Religion“, mit welcher der Autor später im wirklichen Leben debutirte, novellistisch verarbeitet sind.

Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1876,18. März: „Abschaffung Tauschinsky’s“ [Aufzählung aller seiner Strafen]. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1871, Nr. 2444, im Feuilleton: „Sonderbare Meinungen eines Staatsanwalts und einer Kindsfrau“. – Dieselbe, Nr. 2494, im Feuilleton: „Die Kunst der Gesetzgebung“. – Dieselbe, Nr. 2498, ebenfalls im Feuilleton: „Die Kunst, Recht zu sprechen“. [Alle drei Artikel, welche ebenso Einblick in den Tauschinsky’schen Proceß gestatten, als die öffentliche Rechtspflege in [146] dieser Angelegenheit beleuchten, sind von dem Publicisten Rudolph Valdeck verfaßt.] – Dieselbe, 1871, Nr. 2945: „Aus dem Gerichtssaale. Gratz, 27. September“. – Kärnthner Blatt (Klagenfurt, 4°.) 1869, Nr. 50, im Feuilleton: „Vier Doctoren und ein Baron“ [stellt den ziemlich durchsichtigen Tauschinsky’schen Schwindel in offener und freimüthiger Weise dar]. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1875, Nr. 337, S. 5252: „Hochverrathsproceß gegen Dr. Tauschinsky und sechs Genossen“. – Dieselbe, Nr. 341, S. 3508 [Tauschinsky’s perfider Versuch, den Grafen Hohenwart in die Affaire hineinzuziehen]. – Dieselbe, Nr. 344, Beilage S. 5361 [enthält auch den Wortlaut des Tauschinsky’schen Schreibens an den Grafen Hohenwart]. – Dieselbe, Nr. 345. – Dieselbe, Nr. 348 [bringt Hohenwart’s Brief über diese Angelegenheit, der in der Eröffnung gipfelt, daß er jenen Brief Tauschinsky’s unbeantwortet in den Papierkorb geworfen habe]. – Der Sammler. Belletristische Beilage zur Augsburger Abendzeitung (4°.) XLIV. Jahrg. (1875), Nr. 142 und 143: „Ein Hochverrathsproceß in Gratz“.
Chargen. 1) In der „Bombe“ (Wiener Witz- und Caricaturenblatt, Fol.) 12. December 1875, Nr. 49. Ganze Figur. Ueberschrift: „Hippolyt Tauschinsky“. In der Linken den Hut, in der Rechten ein Buch, auf dessen aufgeschlagenen Blättern: „Die Botschaft der Wahrheit §. 58, der Freiheit und Liebe §. 122“ zu lesen. Die Charge, in leichtem Farbendruck, ist von Sandor gezeichnet. – 2) Im „Floh“ (Wiener Witz- und Caricaturenblatt, Fol.) 12. December 1875, Nr. 50, steht Tauschinsky, die Jacobinermütze auf dem Kopfe und im Schlafrock, eine Petroleumflasche in der oberen Seitentasche, vor mehreren Fabrikanten, Ueber dem Bilde: „In Gratz“. Unter dem Bilde: Einige Fabrikanten: „Weither Herr Tauschinsky, Sie sagten in Ihrem Processe, daß Sie den Arbeitern nichts Anderes als Brot geben wollten. Geben Sie auch uns Brot und wir schaaren uns gleich um Ihre Fahne“. Die Charge ist von Theodor Z. gezeichnet.