BLKÖ:Stojadinovics, Miliza

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 39 (1879), ab Seite: 370. (Quelle)
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Nachtrag.
[Zu Seite 135.]

Stojadinovics, Miliza (serbische Dichterin, geb. zu Verdnik (Wojwodschaft, serbischer Ruinaer Kreis) am 13. April 1830). Von drei Brüdern und zwei Schwestern die Viertgeborene, war Miliza als Kind sehr ernst, spielte sie je einmal, dann nur mit Säbel und Stock, auf letzterem nach Art der Knaben reitend. Bis zu ihrem zwölften Jahre sprach sie nur serbisch, Lesen und Schreiben machte sie sich selbst zu Eigen. Im Alter zwischen fünf und sechs Jahren lebte sie bei der Großmutter in Banovce an der Donau. Das Kloster Rawaniza regte ihre Phantasie lebhaft an, noch mehr aber, was der Vater, welcher Pope in Verdnik war, ihr aus der Geschichte des Vaterlandes erzählte; die serbischen Heldenlieder begeisterten sie. Im Elternhause herrschte die größte Frömmigkeit. Ein Bruder Miliza’s ertrank in der Donau, dies war des Mädchens erster großer Schmerz. Auch entwand sie sich nur schwer der gedrückten Stimmung, welche der durch einen Proceß verursachte Verlust des ohnehin geringen Vermögens in der Familie hervorgebracht. Mächtig erregte der Ausbruch der serbischen Revolution im Jahre 1842 das zwölfjährige Mädchen. Das Schicksal des Fürsten Obrenovic, die trübe Lage des Landes versenkten sie in Trauer, welche sie in mehreren, vor ihren Lieben verborgen gehaltenen Liedern ergoß. Da, als eines Tages in der Familie Gedichte vorgelesen wurden, rief sie plötzlich aus: „Jetzt sollt Ihr auch ein Gedicht von mir hören!“ Die Eltern glaubten aber nicht, daß Miliza die Strophen, welche sie denselben sogleich vortrug, auch selbst verfaßt habe. Sie ließ sich daher von ihnen ein Thema geben, aus dem sie im anstoßenden Zimmer rasch ein Lied schuf. Zu dieser Zeit (1842) kam sie nach Peterwardein, um [371] die deutsche Sprache zu erlernen. In der Schule, wo eine Katharina Kluschak ihre Lehrerin war, hatte sie wegen ihrer Nationalität manche Kränkung zu erfahren, denn man nannte sie wegwerfend die „Ruzin“ (Raizin). Aber das anmuthige ernste und begeisterte Mädchen nahm bald ihre Lehrerin für sich ein, so daß diese selbst für die Helden der serbischen Gesänge zu schwärmen begann. Gedruckt sah sich Miliza zum ersten Mal im Jahre 1847, in dem zu Pesth erschienenen „Narodny List“, mit ihrem Gedicht „Mladi Serbin“, welches nur mit den Anfangsbuchstaben ihres Namens: M. S. unter Beifügung des Wortes „Serbkine“ gezeichnet ist. Mit derselben Unterschrift veröffentlichte sie 1848 das Gebet „Wecerna Molitva Srbkinje u vči Nowog Ljeta 1848“. In einer Strophe gibt sie darin dem Zorn darüber Ausdruck, daß die Ungarn verlangen, die Serben sollen in der Schule ungarisch lernen. Als die Censur diese Strophe strich, gerieth die Dichterin außer sich. So waren ihre Kinder- und Mädchenjahre dahingegangen, als sie 1852 zu Besuch in das Haus des serbischen Gelehrten Wuk Stephanovitsch Karadschitsch [Band X, S. 464] in Wien kam, mit dessen geistvoller Tochter Wilhelmine [ebenda, S. 467 im Text], sie bereits in freundschaftlichem Briefwechsel stand. Hier lernte sie auch den Dichter Ludwig August Frankl [Bd. IV, S. 334 und Bd. XI, S. 409] kennen, der eben serbische Helden- und Frauenlieder unter dem Titel „Gusle“ herausgegeben hatte. Die für die Gesänge ihrer Heimat entflammte Patriotin faßte zu dem Dolmetsch derselben ein lebhaftes Vertrauen, und er vermittelte ihr die Lectüre der deutschen Dichterheroen Goethe und Schiller, welch Letzterer sie vor allem durch seine Dramen begeisterte. Auch Lenau wurde bald ihr Liebling. Aus 'Wolf’s „Hausschatz“ lernte sie wenigstens in Fragmenten die deutsche poetische Literatur kennen. Gleichfalls durch Frankl, mit dem sie später literarischen Briefwechsel pflog, wurde sie noch mit manchen anderen bedeutenden deutschen Poeten vertraut. Nun eignete sich Miliza, die bis dahin die Gesetze der metrischen Form nicht kannte, diese an, was entschieden nicht ohne Einfluß auf ihre eigenen nur in serbischer Sprache gedichteten Lieder blieb. In ihre Heimat zurückgekehrt, erlernte sie auch die italienische Sprache und wurde mit Tasso, dann in Uebersetzungen mit Byron, Bulwer, und Eugen Sue bekannt. Gleichzeitig nahm sie den ganzen poetischen Literaturschatz der Serben in sich auf. Bei so erweitertem Gesichtskreise folgte sie auch ihren eigenen Eingebungen, welche sie in Liedern, die von schwärmerischer Vaterlandsliebe erfüllt sind, in edler Form wiedergab. Schon während der Revolution des Jahres 1848, an dem Tage, da die Serben mit roth-weiß-blauer Fahne unbewaffnet nach Vukovar zogen und von anreitenden Huszaren auseinander gesprengt wurden, schrieb sie ein entflammtes Gedicht: „An die Nationalfarben“ und ein anderes: „An die Slovenska Lipa“, welche beide 1849 in einem Kalender erschienen. Diesen Dichtungen folgten: „Auf den Tod des Wojwoden“, – „An Knicanin“, – „An Suplikac“, – als fliegendes Blatt „Der Serbe auf dem Schlachtfelde“, – „An den Ban“, ein Gedicht, das sie später wegen der Haltung des Generals zerriß, und noch mehrere andere Lieder, die gesammelt [372] im Jahre 1849 in dem Taschenbuch „Godecezak“ herauskamen. Zu dieser Zeit kleidete sich Miliza in der schönen Nationaltracht, lernte schießen und war, wie sie sich äußerte, „für die Freiheit ihres Volkes zu sterben bereit“. Ihr lebhafter Wunsch, ihre Poesien gesammelt im Druck erscheinen zu lassen, ging bei den buchhändlerischen Verhältnissen in ihrer Heimat nicht so bald in Erfüllung, und sie selbst, wie sie in einem Briefe bedauert, war „zu arm, um die Gedichte auf eigene Kosten herausgeben zu können“. „Ich habe sie geschrieben für mein Volk. Ich that meine Schuldigkeit und bin nicht schuld daran“, fügte sie selbstbewußt hinzu, „wenn mein Volk die Herausgabe nicht übernimmt“. Später sollte ihr Wunsch doch in Erfüllung gehen, indem die edle Fürstin von Serbien, Julie Obrenovic, geborene Gräfin Hunyady, für die Herausgabe zweier Bändchen Lieder sorgte und der Dichterin zugleich ein kostbares Andenken verehrte. Auch ein Tagebuch Milizas erschien durch die Huld der kunstsinnigen Fürstin im Druck; ferner „Der serbische Kranz. Ein Gedicht dem deutschen Dichter Ludwig August Frankl von der Serbin Miliza Stojadinovics gewidmet“. In der Folge kam sie noch ein Mal nach Wien, wo die großstädtische Bewegung und Pracht ihr empfängliches Gemüth lebhaft erregten. Aber bald riß in ihrem Familienleben die Trauer ein: ihre Mutter, an der sie mit der zärtlichsten Liebe hing, starb, nicht lange danach ihr Vater, den sie bis zu seiner letzten Stunde pflegte. Eine jüngere Schwester heiratete. Die Brüder, einer von ihnen Professor, waren in der Ferne, und so vereinsamte Miliza, die für das Leben mit den besten geistigen und körperlichen Gaben begnadete, und versank, gleichzeitig von Nahrungssorgen gedrückt, in tiefe Verstimmung. Ihre wärmste Freundin, die bereits genannte Wilhelmine Karadschitsch, gegenwärtig verwitwete Wukoranowitsch, sah sie vor drei Jahren in Belgrad wieder: die einst schöne Gestalt abgezehrt, die Wangen eingefallen, der Glanz ihres Auges erloschen. In ein dunkles Gewand gehüllt, blickte sie sprachlos die Freundin an, als ob sie nie sie gekannt hätte. Ihre Freunde in Wien, darunter L. A. Frankl, der eine Reihe höchst interessanter charakteristischer Briefe von ihr besitzt, wissen nicht, ob sie noch lebt.