BLKÖ:Sternberg, auch Sternberg-Manderscheid, Franz Joseph Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 38 (1879), ab Seite: 286. (Quelle)
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Sternberg, auch Sternberg-Manderscheid, Franz Joseph Graf (Kunstfreund, geb. 4. September 1763, gest. 5. April 1830). Der älteste Sohn des Grafen Philipp Christian aus dessen Ehe mit Auguste Gräfin Manderscheid, mit welcher im Jahre 1811 das uralte Geschlecht der Manderscheid erlosch, worauf diese Linie der Sternberg den Namen Manderscheid ihrem Namen beifügte und sich Sternberg-Manderscheid schrieb. Graf Franz Joseph verlebte seine Jugend am Rhein, wohin seine Mutter als Erbin der Manderscheid’schen am Rhein gelegenen Besitzungen übersiedelte. In Köln war der berühmte Canonicus Wallraf sein Lehrer, der ihn in das Studium der alten und neuen Kunst einführte und so in ihm jenen Sammeleifer und jene Freude an den Gebilden der Kunst weckte, welche später so schöne Früchte tragen sollte. Auch für die Erscheinungen der Natur hatte der junge Graf ein aufmerksames Auge und das böhmische Museum bewahrt in seinen Sammlungen viele Versteinerungen und vulcanische Gebilde aus der Eifel, welche er in seinen damaligen Jahren gesammelt. Aelter geworden, unternahm er die übliche Cavaliertour, auf welcher er Frankreich und die Niederlande kennen gelernt hatte und von der er im Jahre 1787 zurückgekehrt war. Nach seiner, noch im nämlichen Jahre erfolgten Vermälung nahm er seinen bleibenden Wohnsitz in Prag, wo sich eben damals ein regeres wissenschaftliches Leben zu entwickeln begann. Dobner [Bd. III, S. 331], Dobrowsky [Band III, S. 334], Pelzel [Bd. XXI, S. 444], hatten auf geschichtlichem, Born [Bd. I, S. 71] und Dr. Joh. Mayer [Band XVIII, S. 127, Nr. 59] auf naturwissenschaftlichem Gebiete eine anregende Thätigkeit entfaltet und diesem Kreise schloß sich auch Graf Franz Joseph alsbald und nicht als müßiger [287] Theilnehmer, sondern als thätiger Arbeiter und Förderer an. Weise sich einschränkend, da bei einer auf alle Richtungen sich erstreckenden Thätigkeit nur Zersplitterung oder Oberflächlichkeit die Folge seien, wählte er die Kunst und ihre Geschichte zu seinem eigentlichen Studium und an der eigenen Kupferstichsammlung, welche er in chronologische Uebersicht brachte, entwickelte er diese Studien, wozu sich später, nachdem er eine Sammlung böhmischer Münzen anzulegen begonnen, noch das Studium der Münzkunde gesellte. So geschah es denn zunächst auf seine Anregung, daß sich aus der Mitte des böhmischen Adels im Jahre 1796 eine Privatgesellschaft patriotischer Kunstfreunde bildete, welche vor allem aus eigenen Mitteln eine Bildergallerie zum Besten der Kunstzöglinge und im Jahre 1800 eine Akademie der bildenden Künste stiftete. Im Anbeginn war er selbst im Lande umhergereist, um die hie und da verborgenen und vernachlässigten Kunstschätze für die Gallerie zu gewinnen. Anfänglich wirkte er als Referent dieses Vereins, welchem die Pflege der Kunst im Böhmerlande oblag; im J. 1802 wurde er aber Präsident desselben, und ließ sich die Förderung der Gallerie und der Akademie in gleicher Weise angelegen sein. Die böhmische Gesellschaft der Wissenschaften, welcher er als trefflicher Münzkenner bereits seit 1796 als Ehrenmitglied angehörte, zählte ihn zu ihren eifrigsten Mitgliedern, indem er die Sitzungen der historischen Classe regelmäßig besuchte und überdies die Casse der Gesellschaft führte. Nicht mindere Theilnahme wendete er dem im Jahre 1810 gestifteten vaterländischen Museum zu, an dessen Bereicherung aus seinen Sammlungen er wesentlichen Antheil hatte, bis er endlich das Kostbarste, das er selbst besaß, demselben zum Geschenke machte. Von öffentlichen Geschäften hielt er sich bei seiner vorherrschenden Neigung zu wissenschaftlichen Studien so viel als thunlich fern und ließ nur ausnahmsweise sich zu besonderen Sendungen gebrauchen. Im J. 1790 war er wohl auch Mitglied des von Leopold II. berufenen ständischen Landtages, dem man den Vorwurf macht, daß die tonangebenden Stände: Geistlichkeit und Adel, obgleich ihnen die Ereignisse, welche im Westen Europas sich abspielten, ein Fingerzeig sein sollten, nur auf ihren besonderen Vortheil, auf die Herstellung des Feudalsystems mit altem Drucke bedacht waren; allein bald wendete er sich von diesen ihm wenig sympathischen Angelegenheiten vollends ab und ausschließlich jenen Gegenständen zu, deren stille thätige Pflege einen Mann von Geist, Geschmack und Vermögen ganz in Anspruch zu nehmen und ebenso angenehm als nützlich zu beschäftigen vermochte. Im Jahre 1824 wurde er zum Oberstlandkämmerer des Königreichs Böhmen ernannt. Bei seiner geregelten Lebensweise und kräftigen äußeren Erscheinung durfte man wohl ein höheres Alter erwarten, als er erreicht hatte, aber ein vernachlässigter Katarrh, der sich immer wieder einstellte, raffte ihn im Alter von 67 Jahren dahin. Sein künstlerischer Nachlaß war sehr bedeutend; seine Sammlung von Kupferstichen betrug an 72.000 Nummern, in chronologischer Zusammenstellung von den ersten Versuchen der Holzschnitte bis auf unsere Zeiten herab; auf der Rückseite der Blätter waren jene Werke angeführt, die des Blattes Erwähnung thun oder dessen Beschreibung enthalten. Seine Bibliothek, welche die wichtigsten numismatischen [288] und archäologischen Werke des Auslandes enthielt, zählte über 10.000 Bände, außerdem mehrere seltene Handschriften und Incunabeln. Seine Münzensammlung, welche aus drei Abtheilungen, der griechischen, römischen und böhmischen bestand, bildete einen Schatz seltenster Art. Die ersten zwei Abtheilungen hatte Eckhel selbst für sein classisches Werk benützt; die letzte Abtheilung aber, die an Reichthum und Vollständigkeit nicht ihres Gleichen hatte und Hunderte von kostbaren Münzen aufwies, welche sonst gar nicht gekannt und in anderen Sammlungen auch nicht vertreten waren, hatte er im J. 1830, kurz vor seinem noch in demselben Jahre erfolgten Tode, anläßlich der Feier seines 50jährigen Sammler-Jubiläums dem böhmischen National-Museum geschenkt. Außerdem besaß er die antike Statue des Sokrates mit dem Giftbecher in der Hand, ehmals in der Villa Giustiniani, die Originalskizze der in der Münchener Gallerie befindlichen heiligen Familie von Raphael, und mehrere andere Gemälde von hohem Werthe, welche jetzt in der Prager Gallerie sich befinden. Obwohl es ihm weder an Fähigkeit noch an Muße zu schriftstellerischer Thätigkeit fehlte, so stellte er doch an das schriftstellerische Auftreten eine zu hohe Forderung, um aus seiner Bescheidenheit herauszutreten. So sind denn von ihm nur in Druck erschienen: die jährlichen Reden an die Zöglinge der Akademie von 1804–1811, und 1813 bis 1828; dann zwei Aufsätze in den „Verhandlungen der kön. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften“: „Aeußerung über zwei alte Münzen“ [Bd. II, S. 3 und 7], und „Ueber den gegenwärtigen Stand der vaterländischen Münzkunde in Böhmen“ [Bd. IV, S. 1], und ein numismatischer Aufsatz in der „Monatschrift der Gesellschaft des vaterländischen Museums“ [1828]. Hingegen ist sein handschriftlicher Nachlaß von nicht gewöhnlicher Bedeutung und enthält eine Fülle historischer und kritischer Bemerkungen über die gesammte Geschichte des Münzwesens und der schönen Künste in Böhmen. Er hat denselben dem vaterländischen Museum geschenkt und dadurch den Werth der Schenkung der böhmischen Münzsammlung nur noch erhöht. Die Jahrbücher des vaterländischen (böhmischen) Museums brachten bald nach seinem Tode eine Auswahl von Aphorismen über Kunst und Künstlerberuf aus des Grafen oberwähnten jährlichen Vorträgen, welche in ihm den tüchtigen Pfleger und Kenner der Kunst erkennen lassen. Sein Biograph schildert ihn als einen Cavalier, dem alle egoistischen Zwecke und materiellen Triebfedern fremd waren; ebenso jeder Ehrgeiz, jedes Haschen nach Ruhm, Macht oder Einfluß in der Gesellschaft. Dabei war er ununterbrochen thätig, der Drang nach Veredlung seiner selbst und seiner Nebenmenschen durch Weckung des Geistes, durch Verbreitung von Wissenschaft, Kunst, Industrie, Sitte und Religion, ließ ihn niemals ermüden. Er war ein Patriot im höchsten Sinne des Wortes. Die herrliche Kupferstichsammlung, welche am 4. Mai 1840 zu Dresden versteigert wurde, hat J. G. A. Frenzel, Vorsteher der königlichen Kupferstichsammlung zu Dresden beschrieben und ist diese Beschreibung in drei Bänden unter dem Titel: „Sammlung der Kupferstiche und Handzeichnungen des verstorbenen Grafen Franz von Sternberg-Manderscheid zu Prag“ im Druck erschienen. Der Graf [289] Franz war seit 1787 mit Franziska Gräfin Schönborn vermält. Die Gattin war ihrem Gemal um mehrere Jahre im Tode vorangegangen, denn sie war bereits am 20. October 1825 gestorben. Aus dieser Ehe stammte nur eine Tochter Leopoldine, später vermälte Franz Graf Sylva-Taroucca. Mit ihr erlosch die Linie Sternberg-Manderscheid.

Abhandlungen der königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften (Prag), fünfte Folge, Band II (1843): „Biographie des Grafen Franz Sternberg“. Von Franz Palacky. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Ilmenau 1832, B. F. Voigt), VIII. Jahrgang (1830), Band I, Seile 296, Nr. 130). – Leipziger Literatur-Zeitung, 1831, Nr. 38. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. V, S. 167. – Světozor (Prager čechisches illustrirtes Blatt), 1867, Nr. 9, S. 81. – Artistisches Notizenblatt (Beilage der Theod. Hell’schen Abend-Zeitung), herausgegeben von C. A. Böttiger (Dresden, schm. 4°.), 1831, Nr. 14: „Ueber Prag und die gräflich Franz Sternberg’sche Kupferstichsammlung“. Von Frenzel.
Porträte. 1) Bergler fec. (Radirung, 8°.). – 2) Unterschrift: „Hrabě František ze Šternberka“. Von K. Maixner (Holzschnitt im obenerwähnten „Světozor“).