BLKÖ:Spatzenegger, Leopold

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Spatzier, Johann
Band: 36 (1878), ab Seite: 67. (Quelle)
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Spatzenegger, Leopold (Arzt und Geschichtsforscher, geb. zu Salzburg 24. Mai 1815, gest. ebd. 10. Februar 1877). Sein Vater, vormals Handelsmann in Mattsee, hatte sich, nachdem er sein Geschäft aufgegeben, nach Salzburg ins Privatleben zurückgezogen. Seine Mutter Josepha war eine geborene Bock aus Laßberg im Mühlviertel Oberösterreichs. Zwei Brüder des Vaters waren Priester, und zwar einer von ihnen, Cölestin, Prior des Stiftes St. Peter in Salzburg, und der zweite. Petrus, demselben Stifte angehörig, Pfarrer in Abtenau. Die Fürsprache beider war entscheidend, daß Leopold die gelehrte Laufbahn einschlug und 1828 auf das Gymnasium in Salzburg geschickt wurde, wo Karl Aberle, Doctor Zillner, Friedrich Seefeldner seine Collegen waren. Nachdem er das Gymnasium beendet, bezog S., um die Medicin zu studiren, die Universität Pavia. Nach dreijährigem Aufenthalte daselbst ging er nach Wien, setzte dort drei Jahre seine Studien fort und erlangte am 28. December 1841 die medicinische Doctorwürde. Während der Jahre 1842 bis Mitte 1849 war S. im Wiener Allgemeinen Krankenhause als Präparant, Secundar-Arzt und zeitweiliger Assistent des Professors Joseph Škoda (Band XXXV, S. 66) praktisch thätig. Auch arbeitete er in der Zwischenzeit vom März 1843 bis November 1845 als Concepts-Praktikant im Sanitäts-Departement der niederösterreichischen Regierung. Im J. 1849 dem Militär-Filial-Spitale auf dem Michelbeuern’schen Grunde zugetheilt, lag er daselbst ein halbes Jahr dem aufreibenden Dienste mit solcher Opferwilligkeit ob, daß ihm mit kaiserlicher Entschließung vom 14. Mai 1850 die ah. Zufriedenheit ausgesprochen wurde. Am 18. November 1849 wurde er zum Supplenten für das Lehramt der theoretischen Medicin für die Militärschule des niederen medicinischen Lehrcurses in Wien ernannt, welche Stelle er aber schon nach Jahresfrist mit dem Lehramte der theoretischen Medicin am Lyceum zu Salzburg vertauschte. Vom October 1850 war er zehn Jahre im besagten Lehramte thätig, als am 8. November 1860 seine Ernennung zum Professor der praktischen Medicin ebenda und zum Primar-Arzt am St. Johannes-Spitale erfolgte. Am 5. Juni 1863 wurde er ordentliches Mitglied der ständigen Medicinal-Commission, am 27. October 1870 ordentliches Mitglied des Sanitätsrathes. In den Kriegsjahren 1859 und 1866, von deren Folgen auch die Stadt Salzburg nicht verschont geblieben, leistete er mit aller Opferwilligkeit die durch die Umstände hervorgerufenen außerordentlichen Dienste. Als im Jahre 1868 Erzherzog Ferdinand, Großherzog von Toscana, [68] bleibenden Aufenthalt in Salzburg nahm, wurde S. Hausarzt des Erzherzogs. Neben seinem anstrengenden Lehramts-Berufe und den übrigen dienstlichen, nichts weniger als leicht besorgten Obliegenheiten lag S. noch einer ausgedehnten Privatpraxis ob. Trotz alledem aber blieb ihm noch Muße, oder wußte er sich bei seiner rastlosen Thätigkeit solche zu erobern, zu wissenschaftlicher Thätigkeit nach verschiedener, vornehmlich aber der historischen Richtung. In früheren Jahren beschäftigte ihn vorerst die Botanik, später die Anatomie der Vögel, von denen er eine Sammlung Skelette selbst präparirt hatte, welche nach seinem Tode als Geschenk der Witwe in den Besitz des Museums Carolino Augusteum gelangte. In der Folge aber warf er sich mit einem wahren Feuereifer auf die Durchforschung der Geschichte seines engeren Vaterlandes und zählt zu jenen Forschern, welche, den Quellen derselben nachgehend, einen großen Theil derselben für künftige Bearbeiter der heimatlichen Geschichte erschlossen haben. Seine Lieblingsaufgabe war es, die Geschichte seiner Vaterstadt, der ältesten salzburgischen Häuser und Geschlechter quellenmäßig zu erforschen und auf diesem Gebiete galt er unbestritten als Autorität. Der größte Theil seiner Arbeiten ist in den Mittheilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde (Bd. II–XVI), Einiges in der Salzburger Landes-Zeitung veröffentlicht und Einzelnes selbständig in Monographien erschienen. Die Titel seiner selbständig ausgegebenen Arbeiten sind: „De opio. Dissert. inauguralis“ (Vindobonae 1841, 8°.); – „Zur Wasserfrage in Salzburg“ (Salzburg 1869, 12°.); – „Die neue Bade-Anstalt in Salzburg“ (ebd. 1869, 12°.); – „Zur Geschichte der Medicin in Salzburg“ (ebd. 1870, 12°.); – „Die Salzburger Universität“ (ebd. 1872,12°.); – „Zur Geschichte des Rathhauses“ (ebd. 1872, 12°.); – „Der Marktbrunnen in Salzburg“ (ebd. 1873, 12°.). Alle anderen Arbeiten S.’s sind, außer einem Beitrag im Salzburger Volkskalender für 1876: „Bilder aus der Geschichte Salzburgs. I. Eine alte Klage“ (S. 37 u. f.), deren Fortsetzung durch sein kurz darauf erfolgtes Ableben unterbrochen wurde, in den Mittheilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde enthalten, u. z. in deren Archiv und in den Miscellen, welche besondere Unterabtheilungen bilden, leider aber sehr inconsequent, zuweilen fortlaufend, dann aber wieder jede für sich besonders paginirt sind. Es sind folgende in der Abtheilung Selbständige Mittheilungen: „Correspondenz zwischen den rebellirenden Bauern vom Pinzgau und der Bürgerschaft von Radstadt, nebst einem Tagebuche aus dem J. 1526 von L. Dürrnbacher“ (Mitth.. Bd. II, S. 134 bis 181); – „Privilegienbuch der Stadt Salzburg, verschiedene Rechte und Freiheiten der Stadt betreffend 1327–1506“ (ebenda, Bd. V, S. 146–238); – „Reiserechnung des Erzbischofs Leonhard Keutschach nach Hall in Tirol. Eine culturhistorische Skizze“ (ebd., Bd. VII, S. 79–121); – „Beiträge zur Geschichte der Pfarr- und Franziskaner-Kirche in Salzburg“ (ebd., Bd. IX, S. 3–67); – in den Abtheilungen Archiv und Miscellen: „Verzeichniß aus dem Oblai-Urbarium des salzburgischen Domcapitels vom Jahre 1452“ (Bd. VI, S. 312–314); – „Testament Johann III. Peckenschlager, Erzbischofs von Salzburg, 1481–1489“ (Bd. VII, S. 353–357);[69] – „Vermerkht, was und wieviel weiland Erzbischoue Leonhart zu Salzburg seinen Vettern Sloss. Herschafften, Landtgericht und Zehent verschrieben hat dem Stifft Salzburg zuegehörig, die Zeit seiner Regierung“ (Bd. VII, S. 358 bis 360); – „Trinkstuben-Ordnung“ (Bd. VII, S. 361–364); – „Teucht-Ordnung“ (Bd. VIII, Misc., S. 3–24); – „Hof-Ceremoniell auf das ganze Jahr vor den Camerfourier“ (Bd. VIII, Misc., S. 25–48); – „Eine Regel der Tisch-Dyennerin“ (Bd. X, Misc., S. 13); – „Befreiung vom Stadtthor- Sperrgeld. Pap. Ms. von 1746“ (Bd. X, Misc., S. 14–16); – „Inventarium über alle in Gemainer Stadt Salzburg heroberen kleinen Archivio dermals findtige.. anno 1680sten Jahr von neuen registrirten Raths-Sachen und Acta“ (Bd. X, Misc., S. 17–24); – „Liber in quo continentur iura mutarum Ecclesiae Salzburgensis“ (Bd. X, Misc., S. 25– 66); – „Newe Mautt-Ordnung in der Haupt-Stat Saltzburg. aufgericht im Jar 1599“ (Bd. X, Misc., S. 68–79); – „Verzeichniß der Decane der theologischen, juridischen und philosophischen Facultät der Universität zu Salzburg vom Jahre 1652–1811“ (Bd. XII, S. 414–431); – „Solenner Eintzug und Huldigungs-Akt Seiner Hochf. gnad. Francisci Antonii, d. h. r. R. Fürsten und Ertzbischoffen zu Salzburg u. s. w. Fürsten von Harrach und Rorrau u. s. w, den 27. Mai anno 1709“ (Bd. XV, Archiv, S. 209–216); – „Solenner Eintzug u. s. w. Antonii Eleutherii.... Ertzbischoffen... auß dem Hochfreiherrl. Hauß von Firminan..., den 18. Oct. ao. 1727“ (Bd. XV, Archiv, S. 216–216); – „Zur Geschichte des Bauernkrieges. – Ausgaben für Rupert Keutzl aus dem Benedictinerstiffte zu Saltzburg während seinem Aufenthalte auf der Universität zu Wien 1445–1451. – Schreiben wegen Versetzung der Steinböcke aus dem Zillerthal in das Pinzgau 1499“ (Bd. XVI, S. 160–165). Reich ist sein handschriftlicher Nachlaß, aus welchem besonders hervorzuheben sind: Ein umfassendes Quellenmaterial zu einer Geschichte der Innungen von Salzburg, an dessen Sammlung er viele Jahre gearbeitet und selbst wenn es galt, wichtiges Materiale zu erwerben, Geldopfer nicht gescheut hat; – „Seelenbeschreibungen aus den Jahren 1552, 1569, 1647, 1713“; – „Land- und Stadt- Ordnungen“; – „Reutter’s Stadtbuch 1498; – „Rechts- und Stadtbuch 1419–1421“; – „Stadtraths-Protokolle und Ordnungen vom Jahre 1581 an“; – „Lehenbücher vom Jahre 1470 an; – „Polizei-Ordnung vom Jahre 1524“; – „Bürgerbücher und Bürgerverzeichnisse vom 13. Jahrhunderte an“; – „Akten über den Bauernkrieg 1525–1552; – „Sogenannte Pest-Akten“; – Privilegienbücher 1577–1586; – „Verschiedene Sendschreiben aus den Jahren 1500, 1511 und 1312“; – „Lebensmittel und ihre Preise“; – „Inventarien des Erzbischofs Matthäus Lang“; – „Verschiedene Bruderschaftsakten“; – „Bauordnung der Stadt Salzburg aus dem Jahre 1522“; – „Oswald Elfenhaymer’s Proceßakten aus dem Jahre 1522“; – „Inventharium der Einrichtungsstücke auf der hohen Festung von den Jahren 1540 und 1650“; – „Akten über die Stadtbrücke“; – „Salzburgische Eigennamen“; – „Cardinal Matthäus Lang’s Politica und Ecclesiastica 1519–1540; – „Nachrichten über Berthold Pürstinger“; es ist das Genannte eben das besonders Bemerkenwerthe [70] seines handschriftlichen Nachlasses, der überdieß noch mehreres Andere enthält. Behufs seiner Forschungen besuchte er seit einer Reihe von Jahren das k. k. Hof-, Haus- und Staatsarchiv in Wien und das königliche allgemeine Reichsarchiv in München. Er stand mit anderen bewährten Forschern wie: Alfred Ritter von Arneth, Franz Pfeiffer, Th. von Karajan in engerem Verkehre und ausländische Gelehrte, welche sich in Salzburgs Archiven und Bibliotheken Raths erholen wollten, wandten sich meist an ihn, als den bewährten Forscher und Kenner auf dem Gebiete der heimischen Geschichte. An den beiden wissenschaftlichen Vereinen Salzburgs, nämlich an der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, und am Museum, nahm er, letzterem seit 1851, ersterer seit ihrer Gründung im Jahre 1860 angehörend, lebhaften thätigen Antheil, wurde in beiden im Jahre 1868 zum Verwaltungsrath gewählt und blieb es bis 1875, in welchem ihn zunehmende Kränklichkeit bestimmte, eine Wiederwahl entschieden abzulehnen. Im Jahre 1869 trat er dem eben gegründeten ärztlichen Verein in Salzburg bei und blieb es bis zu seinem Tode. Als mit einem Male die Frage wegen Errichtung einer Hochschule in Salzburg an die Tagesordnung kam, war S. einer der eifrigsten Förderer dieses Gedankens, schrieb auch aus diesem Anlasse eine in seinen Schriften angegebene Broschüre, ohne jedoch einen Erfolg erzielt zu haben. S. hatte sich in Wien am 11. November 1850 mit Karoline Decker, deren Familie aus dem Elsaß stammt, vermält. Aus dieser Ehe stammte nebst mehreren Töchtern nur ein Sohn, Rupert, der, während er noch den Rechtsstudien oblag, im Alter von erst 21 Jahren am 13. Juli 1873 durch den Tod dahingerafft wurde. Daß der Sammeleifer des Vaters auch auf den Sohn übergegangen, beweist eine höchst interessante Sammlung von Salzburger Siegeln, welche er hinterlassen hat. Der Verlust seines hoffnungsvollen Sohnes hatte den Vater zu tiefst gebeugt und mag nicht geringen Antheil an dessen frühem Hinscheiden gehabt haben. S. starb im Alter von 62 Jahren, nachdem er in den letzten Jahren mit wechselnden Erfolgen, aber immer vergeblich gegen ein Uebel angekämpft hatte, von dem er im Jahre 1873 zum ersten Male ergriffen worden. Außer wiederholten Belobungen und ah. Anerkennungen, welche dem humanen und umsichtigen Arzt für seine opferwillige Thätigkeit zu Theil wurden, schmückte der Monarch, nachdem S. im Unglücksjahre 1866 neuerdings seinem schweren Berufe mit aufopfernder Thätigkeit sich hingegeben, denselben mir ah. Handschreiben vom 13. December 1866 mit dem Ritterkreuze des Franz Joseph-Ordens.

Salzburger Zeitung 1877, Nr. 63, 65, 66, 67 und 68, im Feuilleton: „Dr. Leopold Spatzenegger“. Von F.