Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Šlezak, Anton
Band: 35 (1877), ab Seite: 140. (Quelle)
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Slezak, Anna (Erfinderin des böhmischen Nationaltanzes „Polka“, geb. in Böhmen im Jahre 1802). Schon in den Quellen zum biographischen Artikel über die Künstlerfamilie Neruda [Bd. XX, S. 190 u. f.] wurde der Anna Slezak gedacht, welche allgemein als die Erfinderin des durch die ganze Welt verbreiteten Polkatanzes bezeichnet wird; auch wurde dort Näheres über den ganzen Vorgang berichtet und sonst noch Einiges dazu Gehöriges erzählt. Zur Ergänzung der dortigen Angaben fügen wir noch das Folgende hinzu. Die Polka wurde sogar Gegenstand diplomatischer Correspondenz. Die Schnelligkeit, mit welcher dieser Tanz sich eingebürgert und beliebt gemacht hatte, mochte wohl nach dem Urheber desselben die Neugierde rege gemacht haben. So geschah es denn, daß das General-Consulat in London in einer vom 24. Jänner 1862 datirten Zuschrift an die Behörden in Elbe-Kosteletz (Böhmen) das Ersuchen richtete, die Erfinderin des Polkatanzes aufzusuchen [141] und ihren Namen und Wohnort anzugeben. In der Zuschrift heißt es unter anderen, daß das Mädchen in Elbeteinitz gedient habe, und dem Vernehmen nach in dem Dorfe Konetopy wohnen solle. Obgleich sowohl die Geistlichkeit, als die Gemeindebehörde in Elbeteinitz sich alle mögliche Mühe gaben, dieses Mädchen zu entdecken, kam man doch zu keinem Resultate, bis nach einiger Zeit vor dem Pfarrer daselbst eine 60jährige Frau erschien und behauptete, daß sie die Polka, und zwar in Kosteletz, erfunden habe. Die weiteren Erhebungen stellten heraus, daß dieselbe ungefähr im Jahre 1830 als Dienstmädchen an einem Sonntag nach dem Tacte gesungen und getanzt, ein Unterlehrer (Neruda) hierauf diese Melodie zu Papier gebracht habe, und dieser neue Tanz bereits am nächsten Sonntage bei einer von Studenten veranstalteten Tanz-Unterhaltung getanzt wurde. Von da verbreitete sich die Kenntniß dieses nun allbeliebten Tanzes nach Prag, wo er „Polka“ getauft wurde. Das ehemalige Dienstmädchen sei jetzt (1862) verheirathet, 60 J. alt, heiße Anna Slezak und habe vier Kinder. So erzählt der böhmische „Czas“. Zur Geschichte der raschen Verbreitung und Beliebtheit der Polka diene noch das Folgende: Die Beliebtheit der Polka als Tanz brachte die berühmte Sängerin Henriette Rossi-Sonntag [Bd. XXVII, S. 68] auf die Idee, die Polka zu singen und veranlaßte einen Verleger zur Herausgabe einer Gesangspolka für Concerte, welche thatsächlich auch unter dem Titel: „Polka Sonntagčina“ im Stich erschien und bald zu solcher Beliebtheit gelangte, daß die ihrer Zeit berühmte Virtuosin, Belleville-Oury, das Gesangsstück für einen Concertvortrag auf dem Piano bearbeitete, was ungemein zur Verbreitung dieser Tanzweise beitrug. Nun bemächtigten sich die Virtuosen dieses Themas und zunächst machten sich Dreyschok und Schulhof daran. Insbesondere wurde bald Dreyschok’s Composition, betitelt: „L’invitation alla Polka“, ein Bravourstück sämmtlicher Pianisten und Pianistinen. Wie dann der Compositeur Friedrich Smetana mit seinen poetischen Polka’s und Friedrich Šimak [Bd. XXXIV S. 300] durch Umarbeitung der Hilmar’schen „Esmeralda“ zu einer Concertanten-Polka für die Weiterentwicklung und Weiterverbreitung dieses Tonstückes gewirkt, möge nur angedeutet sein. Ob Anna Slezak, die Urheberin oder Erfinderin der Polka, welche zur Stunde 75 Jahre alt sein möchte, noch lebt, ist nicht bekannt.

Presse (Wiener polit. Blatt) 1862, Nr. 43, in der Kleinen Chronik: „Die Erfinderin der Polka“. – Klagenfurter Zeitung 1865, Nr. 19, im Feuilleton: „Alte und neue Tänze“. – Prager Zeitung 1862, Nr. 38, in den „Prager Nachrichten“. – Lada. Belletristický a módní časopis, d. i. Lada. Belletristisches und Modeblatt. Von Antonie Mellis. II. Jahrg. (1862), Nr. 18: „První Polka“, d. i. Die erste Polka.