BLKÖ:Sina, Georg Simon (sen.)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Sina, die Familie
Band: 34 (1877), ab Seite: 351. (Quelle)
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Sina, Georg Simon (Bankier, geb. 20. November 1782, gest. zu Wien 18. Mai 1856). Ein Sohn Simon Georg Sina’s (gest. 1822), aus dessen erster Ehe mit Irene von Czippe. Sein Vater Simon Georg hatte, der Erste, in Oesterreich sich ansäßig gemacht und durch seine Rechtlichkeit, wie den Umfang seiner Handelsverbindungen den Grund zum Glanze des Hauses gelegt, welcher im Enkel, dem 1876 verstorbenen Simon Georg Freiherrn von Sina, einen Höhepunct erreichte. Für seine Verdienste nach dieser Richtung wurde er schon mit Diplom ddo. 3. April 1818 mit seinen beiden Söhnen Georg Simon und Johann bei Erwerbung der ungarischen Herrschaften Hodos und Kisdia in den ungarischen Adelstand erhoben. Bei dieser Gelegenheit gedenkt das Adelsdiplom seiner mannigfachen Verdienste: so seiner beträchtlichen Ausfuhr inländischer Erzeugnisse in die türkischen Staaten, seiner Förderung und Unterstützung der inländischen Fabriken, seiner Maßnahmen zur Rettung des österreichischen Transitohandels aus der Türkei bei dem damaligen Abfall der illyrischen Provinzen, seiner Gründung des Filial-Bankhauses zu Bosna Sarai und der dadurch bezweckten Leitung des Handels, vornehmlich mit Baumwolle, durch Orsowa in die Kaiserstaaten, der Leistung eines Stiftungscapitals zur Errichtung des polytechnischen Institutes und der Abtretung der Gebäude an dasselbe um den Ankaufspreis und der Entrichtung einer Million und mehr an Ein- und Ausfuhrzöllen von diesem eingeleiteten Handel. Diese Momente führt das erwähnte Adelsdiplom ausdrücklich an und in der That war Sina Ungarns größter [352] Bankier und einer der werkthätigsten Förderer seiner materiellen Interessen. Seine Thatkraft und sein Unternehmungsgeist hielten sich gegenseitig die Waage. Dabei durch und durch reell, jedem Schwindel abhold, spiegelte sich in ihm der praktische Geschäftsmann jener soliden Art, wie diese Sorte in der Geschäftswelt von heut zu Tage allmälig zu verschwinden beginnt. In einem ihm gewidmeten Nachrufe steht bezeichnend: „Sein betriebsamer Genius hat ihn zum Besitzer von Millionen gemacht und Manche haben ihn deßhalb beneidet, auch verleumdet, aber Ungarn wird es nie vergessen, daß Stephan Graf Széchenyi die Pesther Kettenbrücke, diese herrlichste Zierde des ganzen Donaustromes, ohne Unterstützung S.’s, der dabei manche schöne Summe eingebüßt, nie hätte erbauen können. Keinem öffentlichen Unternehmen, wenn es auf praktische Resultate gerichtet war, fehlte seine Unterstützung und die oberungarische Waldbürgerschaft – ein Verein von Gruben- und Schmelzhüttenbesitzern – hat in einem für ihren Bestand verhängnisvollen Zeitpuncte rasch und entschieden bei S. Hilfe gefunden, welche von anderen Geldmännern kleinherzig verweigert worden war. Auf seinen Herrschaften Rapoltenkirchen und Sieghardskirchen in Oesterreich unter der Enns unterließ er es nie, die Unterthanen bei Mißjahren, dann bei Getreide- und Geldmangel mit Brod und Samenfrüchten, sowie mit Geldvorschüssen zu unterstützen, bestritt die Reparaturauslagen der dortigen Kirche, die Herstellung des Thurmes mit Glocke und Uhr aus Eigenem, ließ ein Pfarr- und Schulhaus zu Rapoltenkirchen auf eigene Kosten von Grund auf erbauen, dort den unentgeltlich zum Kirchhof abgetretenen Grund mit einer Mauer aus eigene Kosten umgeben, eine ordentliche Straße von Sieghartskirchen nach Rapoltenkirchen zur unentgeltlichen Benützung der Unterthanen und zur Erleichterung des Holzabsatzes aus den Staatswäldern herstellen, auf diesen Herrschaften während der Cholera zwei Krankenspitäler auf eigene Kosten errichten und die übrigen Gemeinden mit Betten betheilen. In Würdigung alles dessen nahmen die niederösterreichischen Stände S. in das Consortium des niederösterreichischen Ritterstandes auf. Gleiche Wohlthätigkeit wurde den Unterthanen auf den ungarischen Herrschaften Bistricz und Teplitz, Simon-Tornya, Hodos und Kisda zu Theil; auf den Herrschaften Bistricz und Teplitz übernahm er freiwillig die Kirchenpatronatslasten, verwendete große Summen zur Austrocknung der Sümpfe auf der Herrschaft Simon-Tornya, wodurch eine wesentliche Verbesserung der Luft erreicht wurde; gab eine ansehnliche Summe zum Bau des Comitatshauses zu Sexard und unterstützte während der Cholera die Comitatscassa mit einem bedeutenden Betrag, gab zu Hodos 2000 Gulden zum Kirchenbau und bei Unternehmungen in Ungarn, welche das ganze Königreich betreffen, so unter anderen für die behufs der im Pesther Comitat mit einer Eisenbahn gemachten Versuche und zur Begründung eines Blinden-Institutes in Pesth große Summen. Nicht minder wohlthätig erwies er sich im Jahre 1830 während des strengen Winters, dann zur Zeit des Eisstoßes und bei Ausbruch der Cholera, bei welcher Gelegenheit er Tausende zur Abhilfe der Noth spendete, und 70.000 Gulden der Stadt Wien zur Deckung der momentanen Bedürfnisse vorstreckte. In einer Charakteristik[WS 1] dieses bedeutenden Finanzmannes wird ausdrücklich mit dem Hinweis auf ihn bemerkt, daß er keine nur [353] irgendwie Gewinn verheißende industrielle Unternehmung bei Seite liegen gelassen, den kleinsten Erwerb nicht verschmäht, aber selbst an den größten Erwerb nie das größte gewagt, nie Alles auf Einen Wurf gesetzt. Ein Bild vielseitigster Regsamkeit bot sich Jedem dar, der die Räume seines Waltens betrat. Dort saß er, der Chef des Hauses, noch als siebenzigjähriger Greis von früh Morgens bis spät Abends und empfing Jeden: den reichen Bankier, der ihm weittragende Finanzpläne auseinandersetzte, wie den einfachen Handelsmann, welcher ihm „ein Geschäft“ anzutragen kam, mit Jedem sprach er, unterhandelte er selbst. Er war durch und durch Kaufmann; Erwerbsthätigkeit war ihm nicht Zweck, nicht Mittel sondern Lebensbedingung, Lebenselement. So als ihm an einem schönen Sommermorgen ein Bekannter auf der Bastei begegnete und ihm zurief: „Wie Herr Baron, Sie sind nicht auf dem Lande?“ antwortete der Millionenmann: „Ich habe keine Zeit dazu“. Dabei vereinigte er mit diesem kaufmännischen Fleiße eine Genauigkeit, die mitunter an’s Barocke grenzte. So erzählt man sich von ihm das Folgende: Der Diener des Barons bemerkte einmal, daß man zu irgend einem Zwecke ein neues Vorhängeschloß brauche. „Auf dem Boden müssen noch einige alte sein“, erwiederte ihm der Baron. Der Bediente ging und suchte, fand aber nichts. Da stieg der vielfache Millionär, der zweitreichste Mann der Monarchie, selbst auf den Dachboden, wo er wirklich auch ein altes, noch brauchbares Schloß fand, wie er es suchte. Diese Züge charakterisiren treffend diesen merkwürdigen Geldmann. Als er im Jahre 1856 71jährig starb, verfügte er, nachdem er seine Schwiegertöchter und, seine vier Enkelinen mit reichen Legaten bedacht und allen in seinem Geschäfte Bediensteten ansehnliche Geldbeträge verschrieben, für die griechische Kirche zur h. Dreifaltigkeit in Wien 20.000 Gulden, für die Armen der zu dieser Kirche gehörigen Gemeinde 10.000 Gulden und für die griechische Capelle zum h. Georg, gleichfalls in Wien, 5000 Gulden. Von seinen zahlreichen, bei Lebzeiten gespendeten Gaben seien hier nur die zwei aus dem Jahre 18314 erwähnt, in welchem er einen Beitrag von 5000 Gulden zum Invalidenfonde und einen zweiten von 2000 Gulden nebst 75 Eimern Wein an die Invaliden, nach der Rückkehr der k. k. Truppen im genannten Jahre, gespendet hatte. Georg Simon Sina war königlich griechischer Generalconsul in Wien, Gouverneur-Stellvertreter der privil. österreichischen Nationalbank, erster Deputirter des k. k. privil. Großhandlungs-Gremiums, Präsident der k. k. priv. österreichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft, Repräsentant und Mitinteressent mehrerer bedeutender industrieller Unternehmungen, Ehrenbürger der königlichen Freistädte Ofen, Szegedin und Arad und Ritter des kaiserlich österreichischen Ordens der eisernen Krone 2. Classe; außerdem war er von Seite Rußlands, Griechenlands und der Türkei decorirt. Schließlich sei hier bemerkt, daß sich in den Lebensskizzen der einzelnen Familienglieder dieses Hauses die Thätigkeit, die lange Jahre hindurch, so zu sagen, eine gemeinschaftliche ist, nicht abgrenzen und dieß und jenes von dem Gesammthause Geleistete Diesem und Jenem einzeln zuweisen läßt. Die Bedeutung dieses Geschlechts im öffentlichen Leben und auf national-ökonomischem und finanziellem Gebiete ließe sich nur im großen Ganzen zusammenfassen, was aber nicht die Aufgabe [354] dieses Werkes ist und anderen Federn überlassen bleiben muß.

Adelstands-Diplom ddo. 3. April 1818. – Der Satellit, Conversationsblatt zur Kronstädter Zeitung (Kronstadt, 4°.) XVII. Jahrg. (1856), Nr. 19. – Neuigkeiten (Brünn, Fol.) VI. Jahrg. (1856), Nr. 142 und 146 – Theater-Zeitung von Adolph Bäuerle (Wien, kl. Fol.) 1856, Nr. 117. – Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1856, Nr. 235: „Das Testament des Freiherrn Georg von Sina“. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. V, S. 54. – Bohemia (Prager polit. u. Unterhaltungsblatt, 4°.) 1856,. S. 704, in der Rubrik „Mosaik“. – Exner (Wilhelm Franz), Das polytechnische Institut in Wien (Wien 1861) S. 23. – Erinnerungen (Prager Unterhaltungsblatt, 4°.) 1856, S. 191. – Humorist. Von M. G. Saphir (Wien 4°.), 1856, Nr. 136: „Cypressenblatt auf das Grab des Freiherrn Georg von Sina“. – Wiener Courier, Von Moriz Bermann (Wien, gr. 4°.), 1856, Nr. 121. – Nagy (Iván), Magyarország családai czimerekkel és nemzékrendi táblákkal, d. i. Die Familien Ungarns mit Wappen und Stammtafeln (Pesth 1860, Mor. Ráth, 8°.), Bd. X, S. 208.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Charakeristik.