BLKÖ:Scrinci, Johann Anton

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 33 (1877), ab Seite: 219. (Quelle)
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Scrinci, Johann Anton (Arzt, geb. zu Prag 16. October 1697, gest. ebenda 28. April 1773). Sein Vater, ein geschickter Baumeister, setzte seine ganze Sorgfalt in die Erziehung seines Sohnes, der sich auch mit allem Eifer den Studien widmete und nach deren Beendigung in Prag eine gelehrte Reise unternahm, auf welcher er die damals berühmtesten Hochschulen in Deutschland und dann Italien besuchte, wo er mit besonderer Vorliebe naturwissenschaftliche Studien, vor allem Experimentalphysik trieb. Nach seiner Rückkehr von dieser Reise begann er das Studium der Rechte, ohne jedoch den Naturwissenschaften ganz zu entsagen, vielmehr richtete er sein Augenmerk auf alles, was in diesem Zweige des menschlichen Wissens zu Tage gefördert wurde. Bei einer Gelegenheit, als er einen Freund zum medicinischen Examen begleitete und vor dem prüfenden Professor jene Fragen, welche sein Freund außer Stand war zu beantworten, mit ungewöhnlicher Sicherheit löste, rieth ihm der Professor, sich der Arzneikunde zuzuwenden, für welche er nach der unvorbereitet abgelegten, so günstig ausgefallenen Probe unbezweifelt große Begabung besitze. Und S. ließ sich das nicht vergebens gesagt sein, er begann mit allem Eifer das Studium der Medicin, vollendete es, erlangte die medicinische Doctorwürde und wurde zunächst Stadtarzt in Schlan, welche Stelle er im Jahre 1772 mit dem Physikat im Jungbunzlauer Kreise vertauschte. Da geschah es, daß in Schlesien und dann auch in Böhmen im Jahre 1736 und 1737 die dort bis dahin unbekannte Kriebelseuche mit großer Heftigkeit ausbrach. Scrinci, der die Seuche mit großer Sorgfalt studirte, erstattete über dieselbe einen musterhaften Bericht und auf die sorgfältige Beschreibung der beobachteten Zufälle sich stützend, führte er den unumstößlichen Beweis einer Mutterkorn-Vergiftung. Selbst die Medicin räumt S. die Ehre ein, daß selten Volkskrankheiten bei ihrem ersten Auftreten so naturgetreu, so scharfsinnig aufgefaßt, selten ihre Ursachen so klar ermittelt worden seien, wie es S. gethan. Die anfänglich als Vermuthung, später als Behauptung ausgesprochene Ansicht, daß die Kriebelkrankheit ansteckend sei, widerlegte S., der, den Kranken Hilfe spendend, die ärmlichsten Hütten durchforschte, auf das Entschiedenste. Bald sollte sich ihm jedoch ein seinen Talenten und Eifer entsprechenderer Wirkungskreis eröffnen, indem er im Jahre 1739 nach Prag berufen wurde, um daselbst das Lehramt der Medicin zu übernehmen. Dort trug er mit vieler Auszeichnung über praktische Heilkunde vor, wobei Börhave[WS 1], mit dem er eine Reihe von Jahren hindurch in regem Briefwechsel gestanden, sein Vorbild war. Da er die Wichtigkeit und den Einfluß des Studiums der Experimentalphysik und Chemie auf die Arzneiwissenschaft bei seinen eindringlichen Studien immer mehr erkannte, stellte er an den Kaiser, damals Karl VI., das dringende Ansuchen, eine neue Professur für die vorgenannten zwei Wissenschaften zu errichten, übernahm den Vortrag daraus, [220] neben seinem medicinischen Lehramte, nachdem er sich auf eigene Kosten einen für die damalige Zeit sehr vollständigen Apparat verschafft hatte. Diese Vorlesungen wurden mit Bezeichnung der vorzunehmenden Versuche durch Anschlagzettel an den Straßenecken angekündigt und stark besucht. Die böhmischen Magnaten, der Oberstburggraf Graf Schafgotsche, der oberste Landrichter Graf Wrbna, der kais. Statthalter Graf Bucquoy u. s. w., die Geistlichkeit mit ihrem Erzbischofe an der Spitze, Prags Gelehrten aller Fächer fanden sich bei diesen Vorträgen ein, welchen beizuwohnen nicht selten Fremde aus weiter Ferne nach Prag zugereist kamen. Diese Vorträge erregten bald allgemeines Aufsehen, die Nachricht über dieselben gelangte nach Wien, und endlich ließ Kaiser Franz, Maria Theresiens Gemal, Scrinci nach Wien kommen, um sich von ihm über die elektrischen Erscheinungen belehren zu lassen. Im Jahre 1754 machte er in Prag in Gegenwart des Kaisers und seiner Gemalin die Versuche mit den luftleeren Halbkugeln, die von dem Drucke der äußeren Luft an einander geschlossen werden. Hundert Jahre früher hatte der Erfinder dieses Experiments, der Magdeburger Bürgermeister Otto Guerike[WS 2], vor dem Ahnherrn des Kaisers und vor den versammelten Kurfürsten, zu Regensburg denselben Versuch gezeigt. Scrinci’s Halbkugeln waren wohl die größten in ihrer Art, sie maßen zwei rheinische Schuh im Durchmesser und hatten die Dicke eines halben Zolls. Das Experiment wurde in einem Hofraume des unweit Prag befindlichen Benedictinerklosters zu St. Margarethen vorgenommen. Nachdem die luftleeren Halbkugeln sich zusammengeschlossen hatten, wurden zwanzig starke Pferde angespannt, um sie aus einander zu reißen, wohl rissen die Ketten, an denen sie zogen, aber die Halbkugeln schlossen fest, bis sie bei Eröffnung des Hahns und dem Eintritte der atmosphärischen Luft sofort aus einander fielen. So wirkte S. bis zum Jahre 1758 fort, wendete, wo es thunlich war, die Physik in der Medicin an und machte namentlich in Krankheiten Gebrauch von der Elektricität. Erst die Belagerung von Prag, im Jahre 1758, setzte seinen physikalischen Vorlesungen ein Ziel, für welche er sich schon früher, da sie ihm bei vorgerücktem Alter doch beschwerlich wurden, seinen Sohn, der im Jahre 1756 auf der Hochschule in Altorf promovirt hatte, adjungirt und mit dessen Hilfe die Versuche ausgeführt hatte. Um seine Apparate vor dem Bombardement zu schützen, brachte er dieselben in Sicherheit und gab nun auch seine Vorträge ganz auf. Er lebte nun noch viele Jahre. Schon früher sehr andächtig, steigerte sich nun seine Frömmigkeit dermaßen, daß er in seinen späteren Jahren den halben Tag in der Kirche zubrachte und nicht selten, so lange es ihm die Kräfte und sein Gedächtniß erlaubten, den Priestern Ministrantendienste leistete. Endlich halbseitig gelähmt, mußte er Kirchenbesuch und Ministriren einstellen. S. hat eine Reihe medicinischer Schriften in lateinischer Sprache veröffentlicht, welche Zeugniß geben von der Gründlichkeit seiner Forschungen und dem Umfange seiner Kenntnisse. Die Titel derselben sind: „De balneo Theodori (Kuchelbad) prope Pragam“ (Prag 1743); auch deutsch: „Gründliche Untersuchung und Beschreibung des Theodorbades, eine halbe Meile von Prag, dessen Ingredientien, Mineralien, wie auch Wirkung“ (Prag 1741, 8°.) im Auszuge aber im 1. Bande der „Beiträge zur böhmischen Wassergeschichte“ (S. 109 u. f.); – [221] „De febri castrensi Gallorum in Bohemia 1742“ (Prag 1743); – „De ossium natura horumque inflammatione in genere, in specie de ossium inflammatione a frigore et exinde orta spina ventosa“ (ibid. 1743, 4°.); – „De phialis bononiensibus“ (ibid. 1747); – „De doloribus in genere“ (ibid. 1746, 4°.); – „De puncto aut scisso nervo atque tendine“ (ibid. 1748, 4°.); – „De organo, sensu et objecto olfactus“ (ibid. 1749, 4°.); – „De organo, sensu et objecto tactus“ (ibid. 1749, 4°.); – „De utilitate electrisationis in arte medica seu in curandis morbis“ (ibid. 1751, 4°.); – „De usu et abusu corticis Chinae“ (ibid. 1749, 4°.); – „De lactis asinini usu medico“ (ibid. 1749); – „De Oleo vitrioli dulci“ (ib. 1753, 4°.); – „De arcano tartari“ (ibid. 1753); – „De aëris proprietatibus neo non morbis a vitio aëris originem trahentibus“ (ibid. 1743); „De principio aut causa corpus animale formante“ (Altorf 1756); – „Tractatus de fontibus soteriis Toeplitzensibus in regno Bohemiae, atque eorum praestantissimo sale etc. etc.“ (Aug. Vindelic. 1756, 8°.); auch deutsch (ebd. 1760, 8°.), jedoch ist in der Uebersetzung die chemische Untersuchung weggelassen. – Seine Geschichte der Kriebelkrankheit, welche im Jahre 1736 in Böhmen in so heftiger Weise ausgebrochen war, befindet sich abgedruckt in der Sammlung medicinischer Abhandlungen, welche der berühmte Schweizer Arzt Alb. v. Haller herausgegeben hat. Seine Sammlung physikalischer Werkzeuge wurde noch bei seinen Lebzeiten an das Collegium der Piaristen in Prag verkauft.

Prochaska (Faustinus), De saecularibus liberalium artium in Bohemia etc. etc., p. 402. – Meusel (Johann Georg), Lexikon der vom Jahre 1750–1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller[WS 3] (Leipzig, G. Fleischer, 8°.), Bd. XII, S. 650. – Tomek, Geschichte der Prager Universität, S. 311 u. 318. – Poggendorf (J. C.), Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften (Leipzig 1859, Joh. Ambr. Barth, gr. 8°.), Bd. II, Sp. 880. – Hirschel (Bernh. Dr.), Compendium der Geschichte der Medicin von den Urzeiten u. s. w. (Wien 1862, Braumüller, gr. 8°.), S. 298 [wird daselbst unter den Aerzten, welche die Kriebelkrankheit beobachtet haben, aufgeführt, aber irrig Scrinc, statt Scrinci genannt].
Porträt. Unterschrift: Joannes Antonius Scrinci. Carl Salzer sc. (8°.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Herman Boerhaave (Wikipedia).
  2. Otto von Guericke (Wikipedia).
  3. Vorlage: Schriftstlleer.