BLKÖ:Schraud, Franz von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schrauf, Albrecht
Band: 31 (1876), ab Seite: 272. (Quelle)
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Schraud, Franz von (Arzt und Fachschriftsteller, geb. zu Pesth 14. Mai 1761, gest. nach Fejér zu Kis-Marton, n. A. zu Eisenstadt 18. März 1806). Sohn bürgerlicher Eltern, stand er früh verweist, von seiner sterbenden Mutter der Obhut des Piaristen-Priesters P. Norbert Konradi übergeben, der sich thatsächlich des Knaben annahm und ihn in seinem Kloster erzog. Nachdem er die unteren Schulen unter der unmittelbaren Obhut seines Vormundes beendet, setzte er die weiteren Studien zu Debreczin, Klausenburg und Waitzen fort, und mit so tüchtigem Erfolge, daß er, kaum 19 Jahre alt, zu Pesth die philosophische Doctorwürde erlangte. Neben den Schulgegenständen betrieb er außerdem das Studium der englischen, französischen und italienischen Sprache. Nun erhielt der junge Doctor der Philosophie von Seite eines kenntnißreichen und gebildeten Ungarns, Namens Paul von Czindery, der eine wissenschaftliche Reise nach dem Süden vorhatte, den Antrag, ihn dahin zu begleiten. Freudig ging S. darauf ein, lernte so das ungarische Littorale, dann Venedig kennen und kam aus Italien nach Wien, in dessen reichen, wissenschaftlichen Schätzen der junge, kenntnißdurstige [273] Mann mit rastlosem Eifer und Behagen schwelgte. Durch den häufigen Besuch der Hofbibliothek lernte ihn der berühmte van Swieten, damals Präfect dieser Anstalt, persönlich kennen. Van Swieten erkannte in S. bald die großen Geistesgaben, die ihn zu dem Wichtigsten im praktischen Leben befähigten, und machte ihm den Vorschlag, Medicin zu studiren. S. ging ohne Bedenken darauf ein, begab sich, nachdem er vorher Physik und Chemie gehört, nach Lemberg, wo er im Jahre 1786 die medicinischen Studien beendete, dann nach Wien zurückkehrte, wo er noch Quarin’s und Stoll’s Vorlesungen hörte und nun die medicinische Doctorwürde erlangte. Zunächst wurde er als Arzt in Szegedin angestellt, 1790 zum Physicus in der Csongrader und Csanader Gespanschaft ernannt, aber schon wenige Jahre später, 1794, erhielt er den ehrenvollen Ruf als Professor der Medicin an die Pesther Universität. Demselben folgend, las er dort Collegien über medicinische Polizei, war aber zugleich als praktischer Arzt thätig und gewann ob seiner Tüchtigkeit als solcher bald einen großen Ruf. Als im Jahre 1794 in Syrmien die orientalische Pest ausbrach, war es vornehmlich S., der die entschiedensten und trefflichsten Maßregeln zur Hintanhaltung der Seuche traf, die Alles schon mit Angst und Schrecken erfüllte. Schraud’s bei dieser Gelegenheit erworbene Verdienste, namentlich daß er dem Weiterschreiten der furchtbaren Pest Einhalt gethan, wurden durch Erhebung in den ungarischen Adelstand und durch ein für damals nicht unbedeutendes Jahrgehalt gewürdigt. Als drei Jahre später die Seuche wieder in der Bukowina auftrat, richteten sich aller Augen auf S., der in der That auch wieder dahin entsendet wurde und auch dort, wie schon früher in Syrmien, auf das Erfolgreichste wirkte. Die Verleihung des kaiserlichen Rathstitels war der Lohn des edlen Arztes und unerschrockenen Menschenfreundes. So stand denn sein Ruhm als Heilkünstler fest, und im Jahre 1809 erfolgte seine Ernennung zur höchsten Würde des Standes, den er bekleidete, zum Protomedicus des Königreichs Ungarn, als welcher er bei seinem Dienstesantritte dem Erzherzog-Palatin von Ungarn seine Abhandlung: „De eo quod est in morbis Epidemium“ überreichte. Als bald darauf, 1803, in den Temeser, Arader und Bekeser Gespanschaften die Krankheit des Scharbock in so mächtiger Weise ausbrach und um sich griff, daß binnen kürzester Frist 72 Ortschaften von derselben ergriffen wurden, eilte S. sofort an Ort und Stelle, beobachtete die Krankheit, die sich in manchen eigenthümlichen Erscheinungen kundgab, traf die erforderlichen Maßregeln, um ihrer Verbreitung entgegenzuarbeiten, und gab Tausenden die Gesundheit. Nachdem die Seuche erstickt war, kehrte S. zur Wiederaufnahme seiner Berufsgeschäfte nach Ofen zurück. Aber nicht lange sollte ihm Ruhe gegönnt sein, denn schon im nächsten Jahre verbreitete sich die Nachricht, daß sich in Dalmatien, Istrien und im Venetianischen das gelbe Fieber gezeigt habe. Schraud eilte nun dorthin, erzielte mit seinen Maßregeln wieder die günstigsten Resultate und brachte die Krankheit zum Erlöschen. Die Opferwilligkeit, mit welcher S. sich immer wieder in die Gefahr begab und stets dort erschien, wo sie am dräuendsten war, sollte auch sein Verderben weiden. Als nämlich im Jahre 1806 in einigen Gegenden Ungarns ein höchst gefährlicher und schnell ansteckender Typhus, im Ungarischen pusztitó Hideg genannt, ausbrach, wurde wieder S. von [274] der Regierung dahin abgeschickt, die nöthigen Vorkehrungen zu treffen, um dem Weitergreifen des Uebels einen Damm zu setzen. Schon hatte er in Pesth, Stuhlweissenburg, Raab die entsprechen den Vorkehrungen getroffen und wollte eben von Eisenstadt nach Oedenburg sich begeben, um dort das Erforderliche anzuordnen, als ihn selbst in Eisenstadt die Krankheit befiel, der er auch, erst 45 Jahre alt, in kurzer Zeit erlag. Als oberster Arzt Ungarns hinterließ S. auch sonst noch Spuren seiner weitgreifenden segensvollen Thätigkeit. Um der Quacksalberei, die in seinem Vaterlande fast verheerend, gleich einer Seuche, wüthete und namentlich in dem ungeregelten Baderwesen seinen Ursprung hatte, einen Damm zu setzen, griff S. mit energischer Hand in diese Zunft und organisirte das Chirurgenwesen Ungarns. Die künftigen Chirurgen Ungarns konnten nicht ohne vorangegangene Studien und daraus abgelegte Prüfungen ihr verantwortliches Amt ausüben, wodurch nun großem Unheile für die Zukunft gesteuert wurde. Für die Kuhpocken-Impfung, nachdem er deren Segen erkannte, trat er mit aller Energie und mit allen ihm in seiner hervorragenden Stellung zu Gebote stehenden Mitteln ein. Als Schriftsteller seines Faches entfaltete S. eine fruchtbare Thätigkeit. Von ihm sind außer der schon erwähnten Abhandlung im Drucke erschienen: „Opuscula rem physicam et chemiam attinentia“ (Leopoli 1785, 8°.); – „Abhandlung von der Verbindung der Lustseuche mit dem Scharbocke und dessen Heilungsart“ (Wien 1791, 8.°); – „Beobachtungen aus der Arzneikunde“ (ebd. 1792, Heubner, 8°.); – „Primae lineae studii medici“ (Pestini 1794, 8°.); – „Aphorismi de politia medica“ (ibid. 1795, Kilian, 8°.); – „De febribus tentamina duo“ (Viennae 1797, 8°.); – „De febribus periodum habentibus observationes novae“ (ibid. 1797, 8°.); – „De forensibus judicum et medicorum relationibus novae“ (Budae 1797, gr. 8°.); – „Geschichte der Pest in Syrmien in den Jahren 1795 und 1796. Nebst einem Anhange, welcher die Geschichte der Pest in Ostgalizien, Vorschriften der Pestpolizei und Ideen über die Ausrottung einiger ansteckenden Krankheiten enthält“, 2 Theile, mit einer Karte von Syrmien (Pesth u. Wien 1801, gr. 8°.), auch lateinisch: „Historia pestis Sirmensis anno 1795 et 1796“. Tomi 3, cum fig. (Budae 1802, 4°. maj.); – „Vorschriften der inländischen Polizei gegen die Pest und das gelbe Fieber“. Mit 2 Tabellen (Wien 1805, gr. 8°.); – „Nachrichten vom Scharbock in Ungarn im Jahre 1802 nebst Vorschriften der medicinischen Polizei für nicht ansteckende Volkskrankheiten“ (ebd. 1806, 8°.). Schraud war correspondirendes Mitglied der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen und der mineralogischen zu Jena. Für seine Geschichte der Pest in Syrmien schickte ihm Kaiser Alexander I. von Rußland einen prächtigen Diamantring. Schraud war als Arzt ein großer Wohlthäter der Menschheit, dessen Namen in den Annalen der Geschichte der Medicin bleibend glänzen wird, und er war ein Held, der auf dem Felde seiner Kunst für die Menschheit den Heldentod starb.

Ungarischer Plutarch oder Nachrichten von dem Leben merkwürdiger Personen des Königreichs Ungarn und der dazu gehörigen Provinzen. Aus authentischen Quellen geschöpft ... von Carl Vincenz Kölesy und Jakob Melzer (Pesth 1816, J. Eggenberger, 8°.) Bd. III, S. 237. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 584. – Fejér (Georg.), Historia Academiae scientiarum Pazmaniae Archi-Episcopalis ac M. [275] Theresianae regiae literaria (Budae 1835, 4°.) p. 164. – Neue Annalen der Literatur des österreichischen Kaiserstaates (Wien, A. Doll, 4°.) I. Jahrg. (1807). Intelligenzblatt Februar, Sp. 64.