BLKÖ:Schmitt, Heinrich
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 30 (1875), ab Seite: 259. (Quelle) | |||
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[260] Unterrichts beschäftigte und darin bis zum Jahre 1841 thätig blieb. Zugleich betrieb er Oekonomie, und als die politischen Umtriebe heimlich ganz Galizien durchwühlten und sich alle Patrioten daran mit mehr oder weniger Energie betheiligten, blieb auch S. diesen Verschwörungen nicht fremd und nahm daran so entschiedenen Antheil, daß er, als man ihn nach Entdeckung der Conspiration verhaftete und vor Gericht stellte, von demselben wegen Hochverraths zum Tode verurtheilt wurde. Das Jahr 1848 befreite ihn durch die allgemeine Amnestie von der ihn bedrohenden Gefahr. Nun gab er sich mit allem Eifer literarischen Arbeiten hin, worin ihn seine Anstellung als Bibliothekar des als Kunstsammler bekannten Johann Gualbert Ritter von Pawlikowski [Bd. XXI, S. 391] in Medyka und später bei dessen Sohne in Lemberg nicht unwesentlich förderte. Im Anbeginne schien er die schöngeistige Richtung pflegen zu wollen und schrieb auch Gedichte, ja sogar zwei Tragödien, aber bald überzeugte er sich, daß es dieses Gebiet nicht sei, auf welchem ihm Lorbeeren zu pflücken gegönnt sein würde, und so gab er es bald wieder auf, um sich der ernsten, der geschichtlichen Forschung zuzuwenden. Seine poetischen Versuche sollten deßhalb nicht ohne Nutzen gewesen sein, denn sie hatten seine Sprache beeinflußt, ihr Biegsamkeit und Gewandtheit in der Form gegeben und ihm eben als ernsten Forscher jenen Reiz in der Behandlung des Stoffes verliehen, wodurch gerade die Geschichtschreiber der Gegenwart sich so wesentlich von jenen der Vergangenheit – die Classiker der Griechen und Römer ausgenommen – zu ihrem Vortheile unterscheiden. Freilich hat diese Kunst der Darstellung auf den Charakter des Inhaltes keinen Einfluß geübt, dieser aber ist durch eine Befangenheit des Blickes, die allen Vertretern der extremsten Partei, und derselben gehört S. an, anhaftet, vollständig getrübt, und verkümmert den Genuß, den eine unparteiische, auf gründlicher Forschung beruhende Darstellung in vollendet schöner Form im Leser hervorbringen würde, ja müßte. Die polnische Erhebung der Jahre 1863 und 1864 mit der empörenden Episode der Hängegendarmen zählte auch S. zu den Betheiligten. Er wurde deßhalb zur Verantwortung gezogen, jedoch auf freiem Fuße belassen und ihm auf sein Verlangen ein mehrwöchentlicher Urlaub gegeben, um seine leidende Gesundheit im Bade Szczawnica herzustellen. Mittlerweile, December 1864, wurde sein Urtheil gefällt und S. entzog sich der Ausführung desselben, das auf längere Haft lautete, durch seine Entfernung nach Paris. Seine Frau, die in Lemberg als sorgsame und unermüdliche Pflegerin der in den Kämpfen gegen die Russen oft ganz entsetzlich verstümmelten Insurgenten in allgemeiner Achtung stand, folgte ihm in kurzer Zeit nach. Dort befand sich auch Frau Pawlikowska, deren Gatte, bei dem eben S. als Bibliothekar in Diensten gestanden, als an der erwähnten polnischen Erhebung gleichfalls betheiligt, auch verhaftet, verurtheilt und zur Abbüßung seiner Strafe nach Olmütz abgeführt worden war. Schmitt hat bisher folgende Werke durch den Druck veröffentlicht: „Sonety“, d. i. Sonette (Krakau 1848, 8°.); – „Rys dziejów narodu Polskiego od najdawniejszych czasów znanych do roku 1763“, d. i. Abriß der Geschichte des polnischen Volkes von den ältesten bekannten Zeiten bis zum Jahre 1763. 3 Bde. (Lemberg 1854, 8°.); „Materialy do dziejów Bezkrólewia po smierci Augusta III. i pierwszych [261] 10 lat panowania Stan. Augusta Poniatowskiego“, d. i. Materialien zur Geschichte Polens während des erledigten Königthums nach August’s III. Tode und der ersten zehn Jahre der Regierung unter Stanislaus Poniatowski. 2 Theile (Lemberg 1857, Wild. 8°.); – „Rokosz Zebrzydowskiego“, d. i. Die Zebrzydowski’sche Fehde (ebd. 1858); – „Rzui oka na nowy projekt bez warunkowego uprawnienia Zydów“, d. i. Blick auf ein neues Project einer vorbehaltlosen Emancipation der Juden (ebd. 1859, davon erschien 1860 auch eine deutsche Bearbeitung, 8°.); – „Kílka słów bezstronnych w spreawis ruskiéj“, d. i. Einige unparteiische Worte in der russischen Angelegenheit (Lemberg 1861, 8°.); – „Dzieje narodi polskiego od najdawnieszych csasów krótko i zwięzle opowiedziane“, d. i. Geschichte des polnischen Volkes von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten, kurz und bündig erzählt (ebd. 1861, Wild, 8°.); – „Narodowósc polka, jej podstáwy, rozwoj dziejowi a oraz stosunek do chwili obecnej“, d. i. Die polnische Nationalität, ihre Grundlagen, historische Entwickelung und ihr Verhältniß zur Gegenwart (ebd. 1862); – „Uwagi nad projektem statutu dla miasta Lwowa“, d. i. Bemerkungen über das Project einer Gemeindeordnung für die Stadt Lemberg (ebd. 1863, Wild, 8°.); – „Dzieje Polski XVIII. i XIX. wieku (od 1733–1832)“, d. i. Geschichte Polens im 18. und 19. Jahrhunderte (von 1733 bis 1832), 3 Bände (Krakau 1866 u. f., 8°.); – „Dzieje porozbiorowe Polski (1795–1832)“, d. i. Geschichte Polens nach der Theilung (1795–1832) (Lemberg 1868), auch als 4. Theil der Geschichte Polens im 18. und 19. Jahrhunderte; – „O ustroju głownie społeczno-politycznym Rzeco-pospolitey polskiej“, d. i. Ueber die social-politische Verfassung der polnischen Republik (Lemberg 1868, 8°.); – „Panowania Stanisława Augusta“, d. i. Regierung des Königs Stanislaus August. 2 Bde. (ebd. 1869 u. 1870, 8°.). Ueber Schmidt als Geschichtschreiber lautet das Urtheil seiner eigenen Landsleute, für deren Patriotismus S. doch sein Banner schwingt, nichts weniger als unbedingt. Sie gestehen ihm einen unermüdlichen Eifer und große Kenntniß der Thatsachen zu, aber oft haßt und verfolgt er ohne Grund gerade das, was Andere lieben und loben, er vertheidigt Sachen, die sich gar nicht vertheidigen lassen, und seine Beweisführung in manchen Fällen ist, gelinde gesagt, geradezu befremdend. Nichtsdestoweniger athmet aus seinen Schriften ein edler, aufgeklärter und redlicher Geist. Schon im Eingange der Lebensskizze wurde bemerkt, wie sein Name in polnischen und čechischen Werken geschrieben erscheint, hier ist nur beizufügen, daß er sich selbst dieser Entstellung (Szmit) nicht bedient, sondern sich Schmitt schreibt.
49. Schmitt, Heinrich (Geschichtschreiber, geb. zu Lemberg im Jahre 1817). In polnischen und böhmischen Werken erscheint er auch Szmit und Szmitt geschrieben. In seiner Vaterstadt besuchte er die Schulen, nach deren Beendigung er sich mit Ertheilen des- Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1864, Nr. 344. – Eigene handschriftliche Notizen. [BN 1]
Berichtigungen und Nachträge
- ↑ Als nachträgliche Quellen verzeichnen wir:
- Květy (Prager illustrirte Zeitung, kl. Fol.) 1870, Nr. 25: „Jindřich Szmitt“. – Encyklopedija powszechna, d. i. Polnische Real-Encyklopädie u. s. w. (Warschau, Orgelbrand, 1867, gr. 8°.) Band XXIV, S. 729. – Slovník naučný. Redaktoři Dr. Frant. Lad. Rieger a J. Malý, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger und J. Malý (Prag 1872, I. L. Kober, Lex.-8°.), Bd. VIII, S. 1208. – Rycharski (Łucyan Tomasz), Literatura polska w historyczno-krytycznym zarysie, d. i. Polnische Literatur im historisch-kritischen Grundriß (Krakau 1868, J. M. Himmelblau, gr. 8°.) Bd. I, S. 48; Bd. II, S. 262, 264, 310 und 311.
- Porträt. Unterschrift: „Jindrich Szmitt“, Kreslil Szerner, in den oberwähnten „Květy“. Holzschnitt. [Bd. 42, S. 228.]