Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schmidt, E.
Band: 30 (1875), ab Seite: 230. (Quelle)
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19. Schmidt, Conrad (Comes des Sachsenlandes, geb. zu Agnethlen im Groß-Schenkerstuhle des siebenbürgischen Sachsenlandes um das Jahr 1815). Die Eltern, schlichte Landleute, ließen den Sohn studiren; dieser erwählte sich den Beruf des Rechtsgelehrten und wurde, nachdem er die erforderlichen Studien beendet, Advocat in Hermannstadt. In dieser Stellung traf ihn das Jahr 1848. Er wurde im genannten Jahre in den siebenbürgischen Landtag zu Klausenburg und von diesem in den ungarischen Landtag gewählt. Sein Auftreten in der ersten Zeit war in Folge des unduldsamen Vorgehens der Ungarn ein sehr zurückhaltendes. Ja, als an einem Mai-Abende des Jahres 1848 der nachmalige Gubernialrath Jacob Rannicher im Hermannstädter Theater die Parole der Sachsen öffentlich ausrief: „Keine Union“ (mit Ungarn) und hierdurch dem loyalen Enthusiasmus der Sachsen zum Durchbruche verhalf, damals hatte S. die ganze Partei der Nichtunionisten gegen sich. Aber S. ging seinen Weg ruhig weiter, mit der Stirne durch die Wand war seine Sache nicht. Sobald aber die ungarische Nation mit ihren Beschlüssen im Pesther Landtage den Weg der Gesetzlichkeit verlassen hatte, gehörte Schmidt zu den sechs Abgeordneten der siebenbürgisch-sächsischen Nation, welche am 19. September 1848 aus der Versammlung traten. Nach Unterdrückung der ungarischen Revolution wurde S. dem damaligen Obersten von Heyte als Civil-Commissär beigegeben; S. blieb nun im Staatsdienste und erwarb sich in demselben so sehr das Vertrauen der Regierung, daß er binnen wenigen Jahren zur Stelle eines Finanz-Procurators befördert wurde, zugleich fungirte er auch als weltlicher Vorstand der evangelischen Landeskirche. [231] Nach dem October 1860 trat er in die entschiedenste Opposition gegen die für den Anschluß an Ungarn wirkende Partei, und wenn auch anfangs in der Minorität, wurde er doch allmälig der Mittelpunct der constitutionellen deutsch-rumänischen Gesammtstaats-Partei, und vornehmlich sein persönlicher Einfluß war es, welcher großen Antheil hatte an der Umstimmung jener liberalen Elemente, welche in dem Anschlüsse an Oesterreich den Untergang ihrer Landesautonomie und der verfassungsmäßigen Freiheit fürchteten. Nachdem der Bruch zwischen dem Ministerium und den ungarischen Octobermännern erfolgt war, wurde Conrad Schmidt von der Regierung mit der Leitung des siebenbürgischen Guberniums betraut. Nachdem Freiherr von Salmen [Bd. XXVIII, S. 145] von seiner Sendung nach Siebenbürgen im März 1861 bereits im November d. J. abberufen und zum Hofrathe in der siebenbürgischen Hofkanzlei ernannt worden war, wählten die Siebenbürger Sachsen Conrad Schmidt einstimmig zu ihrem Nationsgrafen (comes). In dieser Stellung bewies S. seine Anhänglichkeit an den Gesammtstaat, sein Widerstreben gegen alle ungarischen Unionsversuche. Das bekannte October-Diplom (vom 20. October 1860) veranlaßte die Regierung, in Siebenbürgen Männer der verschiedenen Nationalitäten, Confessionen und Stände, welche durch amtliche oder bürgerliche Stellung, Talent, geleistete öffentliche Dienste und öffentliches Vertrauen hervorragen, zu einer Berathung einzuberufen, in welcher u. a. zunächst die Frage über eine angemessene Vertretung des Landes zu discutiren war. Das Schlußergebniß dieser Verhandlungen war, daß man an den Siebenbürger Sachsen , wie an den Rumänen deutlich erkannte, beide Volksstämme sehen in dem engeren Anschlusse an den Gesammtstaat den einzigen Schutz gegen Unterdrückung durch die Magyaren. Würde damals sofort ein siebenbürgischer Landtag einberufen worden sein, so würde, vielleicht unter gewaltigen Stürmen, aber trotz Alledem und Alledem ein darauf abzielender Beschluß zu Stande gekommen sein. Aber damals befanden sich alle höheren Aemter in Händen von Ungarisch-Gesinnten. Der siebenbürgische Hofkanzler Graf Kemény suchte Zeit zu gewinnen, ebenso sein College für Ungarn, Graf Vay, Miko und der Bischof von Siebenbürgen, Ludwig Haynald, durch und durch Magyar, agitirten im Lande selbst; durch diese Vorgänge wurden alle Maßregeln des Wiener Ministeriums durchkreuzt. Anders gestalteten sich die Dinge in Siebenbürgen, als am 7. November 1861 an des Grafen Kemény Stelle Graf Nádasdy [Bd. XX, S. 21] berufen wurde. Auf Grund einer allerunterthänigsten Vorstellung ddo.29. März 1862, welche die sächsische Nations-Universität durch Comes Schmidt, betreffend die Frage der praktischen Durchführung der nationalen Gleichberechtigung in Siebenbürgen auf Grundlage des kaiserlichen Diploms vom 20. October 1860 und der Staatsgrundsätze vom 26. Februar 1861 an Se. Majestät gerichtet – das Actenstück steht abgedruckt in der „Wiener Zeitung“ 1862, Nr. 88 – wurde durch Graf Nádasdy die Einberufung eines siebenbürgischen Landtages ad hoc erwirkt, durch welchen man sowohl den historischen, als den aus den damaligen Verhältnissen entspringenden Ansprüchen der Bewohner Siebenbürgens gerecht zu werden, hoffte. Der Landtag trat zusammen, nahm das October-Diplom und die Februar-Verfassung in die siebenbürgischen Landesgesetze auf [232] und vollzog die Wahl der 26 Deputirten, darunter des Comes Conr. Schmidt, für das Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrathes. Am 20. October 1863, also am Tage der Jahresfeier des Diploms, nahmen Siebenbürger, Deutsche, Rumänen und einige Magyaren ihre Plätze im österreichischen Abgeordnetenhause ein. Es war dieß Schmerling’s glänzendster Tag. Comes Schmidt selbst wurde im Abgeordnetenhause an Stelle des Dalmatiners Lapenna zum Vice-Präsidenten erwählt und in der Versammlung bewies er sich als kerniger Redner. Auf seinem Posten als Comes verblieb S. bis zu seiner über Vortrag des ungarischen Ministers des Innern am 8. Februar 1868 erfolgten Enthebung und Versetzung in den Ruhestand. Dieser Vorgang – Gewalt geht bekanntlich vor Recht – brachte große Bewegung in Siebenbürgen hervor, und es kam dazu, daß über Antrag des Abgeordneten Eugen Trauschenfels die Nations-Universität die Absendung einer Verwahrung gegen die Pensionirung Schmidt’s einlegenden Repräsentation an den Kaiser beschloß, dessen Wiedereinsetzung erbat, eine gleichlautende Petition an den ungarischen Landtag richtete und durch die Abgeordneten von Hermannstadt überreichen ließ. Aber die Dinge nahmen ihren vorausbestimmten Gang, die Autonomie Siebenbürgens wurde durch die Enthebung Schmidt’s und die Ernennung des neuen Comes Moriz Conrad (statt der gesetzlichen Wahl) gröblich verletzt, aber Schmidt war und blieb enthoben. Im Herbste darauf verkündeten die Journale, daß Conrad Schmidt Siebenbürgen verlasse, um ferner seinen bleibenden Wohnsitz in Wien zu nehmen. Im März 1864 hatte er bereits seine Gattin Katharina geb. Angermann in Hermannstadt durch den Tod verloren.

Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 390, in der Correspondenz aus Hermannstadt ddo. 21. September: „Comes Schmidt“. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) 1863, Nr. 1066, S. 403: „Die Siebenbürger im österreichischen Reichsrathe“. – Hermannstädter Zeitung, II. Jahrg. (1862), Nr. 296: „Der Comes-Stellvertreter in Schäßburg“. – Waldheim’s Illustrirte Zeitung (Wien, kl. Fol.) 28. Nov. 1863, Nr. 100, S. 1194: „Comes Schmidt“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1861, Nr. 289: „Das Votum Conrad Schmidt’s“. – Porträt. Holzschnitt nach der Zeichnung von A.(ugust) N.(eumann) in der Illustrirten Zeitung (Leipzig, J. J. Weber) 1863, Nr. 1066, S. 401.