BLKÖ:Ryba, Jacob Johann

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Ryba, Joseph Ernst
Band: 27 (1874), ab Seite: 322. (Quelle)
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Ryba, Jacob Johann (Schulmann und Componist, geb. zu Přeštic im Klattauer Kreise Böhmens 26. October 1765, gest. 8. April 1815). Sein Vater war Subcantor in Přeštic. Schon mit vier Jahren zeigte der Sohn musikalisches Talent. Bald darauf erhielt der Vater die Organistenstelle in Nepomuk, wo der Sohn unter der Leitung des Vater die gute Altstimme, die er besaß, zum Gesange ausbildetet. Zugleich erlernte er das Clavierspiel und später jenes der Orgel, worin namentlich die gute Methode des von Natur aus ungemein sanften Vaters den etwas langsam fortschreitenden Schüler wesentlich förderte. Als er eines Tages der Aufführung eines Salve Regina von Dittersdorf beiwohnte, ward er davon so begeistert, daß er sich daran wagte, selbst eines zu schreiben, welches nach tüchtigen Strichen und Veränderungen von Seite des Vaters zur Aufführung kam und Beifall fand. Nun war das Eis gebrochen. Dieser Beifall ermunterte ihn. sichtlich und er schrieb mehrere kleine Clavierstücke, Variationen, Sonaten u. dgl. m. Andere Vorkommnisse im Elternhause, Begegnungen mit geschickten Musikern, das Anhören bedeutender Musikwerke steigerten seine Neigung für diese Kunst. Im Jahre 1780 kam er durch Verwendung eines Anverwandten in das St. Wenzel-Seminar nach Prag, wo er, während er das Gymnasium bei den Piaristen besuchte, genug Gelegenheit fand, sein Musiktalent fortzubilden. Die Musikwerke, deren Ausführung er in den verschiedenen Prager Kirchen unter der Leitung eines Oelschlägel [Bd. XXI, S. 13], Kozeluch [Bd. XIII, S. 90], Praupner [Bd. XXIII, S. 217] u. A. hörte, versetzten ihn in eine neue Welt und steigerten nur mehr seinen Entschluß, sich ganz und ausschließlich dem Studium dieser Kunst zu widmen. Er verschaffte sich die [323] Meisterwerke der berühmtesten Componisten und schrieb sie alle ab. betheiligte sich an Tagen, wo er frei vom Schulbesuche war, an der Ausführung von Quartetten, Quintetten und Sextetten, vervollkommnete sich selbst im Violoncellispiele und auf der Orgel, indem er die Meister dieses Instrumentes in Prag fleißig beobachtete und die Vorzüge eines jeden nachzuahmen suchte. Indeß setzte er seine Studien und Versuche in der Composition mit so glücklichem Erfolge fort, daß er von mehreren Freunden und Bekannten dringend aufgefordert wurde, für sie Concerte, Sonaten, Quartette u. s. w. zu componiren. Mitten aus dieser musikalischen Thätigkeit riß ihn die Aufforderung seines Vaters, sich um die Cantorsstelle in Nepomuk zu bewerben. Er that es, ohne sie zu erhalten, aber die fortwährende Kränklichkeit seines Vaters zwang ihn, nach Rozmital zurückzukehren und den Vater in seinem Lehramte zu unterstützen; so blieb R. ein Jahr in Rozmital, wo er sich mit der Theorie der Tonkunst genau bekannt machte. Einige Zeit verweilte er dann, nachdem sein Vater sich erholt, bei dem Freiherrn Henniger von Eberg in Przichowitz, für den er auch mehrere Sonaten, Quartette und andere Compositionen niederschrieb. Eben dachte er eine Reise in’s Ausland anzutreten, als ihn die erneuerte Krankheit seines Vaters wieder nöthigte, nach Rozmital zu gehen, wo er nun seinen bleibenden Aufenthalt nahm und nach dem Ableben des Vaters dessen Nachfolger im Lehramte wurde. Daß auf diesem beschränkten Posten R. die Mittel fehlten, seinen musikalischen Genius in angemessener Weise zu entfalten, darüber ist jede Erörterung überflüssig. R. verlebte seine Tage an der Seite eines geliebten Weibes, das er in der Rozmitalerin Anna Lagler gefunden und 1790 als Hausfrau heimführte, im ewigen Einerlei, nur die Musik erheiterte einigermaßen sein Dasein, das er im Alter von erst 50 Jahren, nachdem er in Trübsinn verfallen war, beschloß. Von dreizehn Kindern überlebten ihn sieben, darunter der Augenarzt Joseph Ernst Ryba, dessen Lebensskizze folgt. R. besaß classische Bildung, dieß bezeugen seine in Handschrift hinterlassenen Arbeiten, unter denen sich eine Lebensbeschreibung des Seneca, eine Uebersetzung der Moralphilosophie des Thomasius und Socrates und noch manches Andere vorfand. Die Musik aber war seine Welt, in ihr lebte, in ihr schuf er, und unglaublich groß ist die Zahl der von ihm niedergeschriebenen Compositionen; es sind darunter 16 Missae solennes, darunter eine mit čechischem Texte; – 24 Missae breves; – 6 Missae mediocres; – 7 Missae pastorales mit čechischem Texte; – 10 Pastoralmessen für Landkirchen; – 3 Todtenmessen; – 1 Anniversarium; – 30 Offertorien; – 20 Arien; – 2 Veni sancte spiritus; – 5 Te Deum laudamus; – 8 Litaneien; – 2 Alma Redemtoris mater; – 6 Regina coeli; – 3 Stabat mater; – 1 Vesper mit čechischem Texte; – 256 Menuetten; – 408 deutsche und Contra-Tänze; – 56 Duetten; – 48 Terzetten; – 72 Quartetten; – 7 Quintetten; – 38 Concerte; – 87 Sonaten; – 130 Variationen; – 6 Singspiele und Pantomimen; – 35 Serenaden und Nocturnen; – 35 Symphonien und 80 Lieder, im Ganzen 1459 Nummern. Von diesen letzteren sind mehrere im Drucke erschienen, und zwar: „Dvanáctero českých písní“, d. i. Zwölf böhmische Gesänge (Prag 1829, Herrl); – „Dar pilné mládeži“, d. i. Geschenk [324] für die fleißige Jugend (Prag), zwölf leichte und liebliche Lieder mit Begleitung des Claviers: – „Pohřební písně“, d. i. Grabesgesänge (Prag 1805; 2. Auflage 1822, Vetterl), und dann einige einzelne Gelegenheits-Compositionen, welche sämmtlich Joseph Jungmann in der 2. Ausgabe seiner „Historie literatury české“, S. 623, aufzählt. Ein von Ryba in den Jahren 1799–1800 verfaßtes musikalisches Handbuch erschien ein paar Jahre nach seinem Tode unter dem Titel: „Počáteční a všeobecní základové k uměni hudebnímu“ (Prag 1817, 4°.); ein großes musikalisches Wörterbuch aber, das er bearbeitet, ist Handschrift geblieben und fand in seinem Nachlasse sich vor. Auch hinterließ R. ein umfassendes Tagebuch in zwei starken Foliobänden, in welches er durch 27 Jahre alle Vorfallenheiten in der Schule und im Hause verzeichnete. Mit Benützung desselben verfaßte auch Vincenz D. Biba die in den Quellen angeführte Lebensbeschreibung. Im Jahre 1855 wurden seine Gebeine, da R. auf dem alten Friedhofe begraben war, auf Befehl des Dechants Joh. Fähnrich ausgegraben und auf dem Friedhofe neben der Pfarrkirche beigesetzt. Die Beisetzung fand in feierlicher Weise Statt. Die Stadt Pilsen, welcher R. einige Compositionen zugeeignet, hat ihm im Jahre 1805 das Ehrenbürger-Diplom verliehen. Ryba besaß ein reiches, umfassendes Wissen, obwohl nur ein schlichter Schullehrer, verstand er die classischen Sprachen, sprach böhmisch und deutsch vortrefflich, besaß auch Kenntnisse im Französischen und Italienischen. Die Muttersprache jedoch liebte er vor Allem, stand mit den Förderern derselben, mit Hromadko [Bd. IX, S. 361], Nejedly [Bd. XX, S. 165], Puchmayr [Bd. XXIV, S. 46] u. A. im brieflichen Verkehre und war mit den besten Autoren der älteren čechischen Literatur innig vertraut. Ihm fehlte nur ein Mäcen, der ihn auf den rechten Platz gestellt und seinem Talente Gelegenheit zu großartiger Entfaltung gegeben hätte, und R. hätte sich einen Ruf erworben und wäre nicht ein vergessener Schulmeister und Musikant geblieben.

Dlabacz (Gottfried Joh.), Allgemeines historisches Künstler-Lexikon für Böhmen und zum Theile auch für Mähren und Schlesien (Prag 1815, Gottl. Haase, 4°.) Bd. II, Sp. 610. – Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Frz. Köhler, Lex. 8°.) S. 741. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Jul. Schladebach, fortgesetzt von Ed. Bernsdorf (Dresden 1857, Rob. Schäfer, gr. 8°.) Bd. III, S. 404. – Biba (Vincent D.), Životopis Jakuba Jana Ryby i t. d., d. i. Biographie des J. J. Ryba u. s. w. (Prag 1859, Rohlíček, 8°.). – Šrůtek. Školník pro učitelstvo diecese králohradecké na rok 1858, d. i. Der Schulmann. Jahrbuch für den Lehrkörper der Königgrätzer Diöcese auf das Jahr 1858 (Königgrätz 1858, 8°.) S. 32. – Janota (V. V.), Zábavník učitelsky na rok 1861, d. i. Pädagogische Unterhaltungsschrift auf das Jahr 1861 (Neuhaus, 8°.) S. 148. – Jungmann (Jos), Historie literatury české, d. i. Geschichte der böhmischen Literatur (Prag 1849, Říwnáč, 4°.) Zweite, von W. W. Tomek besorgte Ausgabe, S. 623.