Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Rihar, Gregor
Band: 26 (1874), ab Seite: 156. (Quelle)
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Rigler, Lorenz (Arzt, geb. zu Gratz in Steiermark 20. September 1815, gest. ebenda 16. September 1862). Bruder oder Stiefbruder des Schulrathes Friedrich von R. [s d. Vorigen]; denn sein Vater Franz X. Rigler, k. k. Staatsgüter-Inspector für Steiermark besaß aus vier Ehen 18 Kinder. Der Sohn Lorenz erhielt nach beendeten philosophischen Studien die Aufnahme in die Josephs-Akademie in Wien, wohin er sich im Herbste 1833 begab. Daselbst hatte er während der Studienzeit, 1833 bis 1837, mit mannigfachen Entbehrungen zu kämpfen. Am 3. Februar 1838 wurde er Doctor der Medicin und Chirurgie, Magister der Augenheilkunde und Geburtshilfe, und gab aus diesem Anlasse eine Abhandlung: „Ueber die Wuthkrankheit des Menschen. Inaugural-Dissertation“ (Wien 1838, gr. 8°.) heraus. Im Anbeginn wendete er sich mit Vorliebe der Augenheilkunde zu und wurde am 1. Jänner 1839 zum Assistenten bei der damals von Professor Jäger versehenen Lehrkanzel der Augenheilkunde ernannt. Er arbeitete in dieser Zeit auch an einem belgischen Journale für Augenheilkunde mit, schrieb eine Preisschrift ophtalmologischen Inhalts, welche nach dem Ausspruche des Präsidenten der Gesellschaft leider zu spät eingelangt war, sonst wäre sie mit dem Preise gekrönt worden. Indessen widmete R. seine ganze Aufmerksamkeit dem Umschwunge zu, welcher durch Skoda’s Ernennung zum Primarius im Jahre 1840 und durch das Erscheinen des großen Werkes von Rokitansky im Jahre 1842 in der medicinischen Wissenschaft eingetreten war. Es hatte nämlich die auf Grundlage der Physik und pathologischen Anatomie begründete Periode der Medicin begonnen. Die Grundlagen des ärztlichen Handelns wurden völlig geändert, indem man überall nach anatomischen Veränderungen des kranken Körpers suchte und so hinter den täuschenden und wechselnden Symptomen die Einheit derselben, die Kränkelt aufsuchte und oftmals fand, [157] leider aber auch oft der Natur allein den Heilungsproceß überließ und dadurch jenem fürchterlichen Nichilismus in der ärztlichen Praxis den Weg bahnte, der in Wien die Sterblichkeit auf eine, alles natürliche Maß weit überschreitende Höhe gesteigert hat. Unter den Studien der neuen, in der Geschichte der Medicin so bedeutsamen Richtung nahte der Moment heran, daß R. seiner Verpflichtung als Zögling der Josephs-Akademie gemäß in die kaiserliche Armee als Feldarzt eintreten sollte. Durch einen glücklichen Umstand wurde er davor bewahrt, denn er wurde im Jahre 1842, damals 27 Jahre alt, mit einem Collegen, Dr. Eder, auf Ersuchen der türkischen Regierung zur Reorganisation der Militärspitäler nach Constantinopel gesendet. In den letzten Tagen des September trat R. seine Reise an und traf am 14. October in Constantinopel ein. Dort übernahm er nach den üblichen Vorstellungen bei verschiedenen türkischen Würdenträgern das von dem Sultan Mahmud[WS 1] im Jahre 1823 gebaute Spital Maltépe, das 30 Krankensäle zu 20 Betten enthielt. R. begann nun seine Reformen, die in der That dringend nöthig waren, denn in dem Spitale waren binnen 15 Jahren 28.600 Menschen, ungefähr der vierte Theil der in dasselbe Aufgenommenen, ihrem Leiden erlegen! Die Schilderung der dort herrschenden anomalen Zustände entzieht sich der Aufgabe dieses Werkes. Genug, Rigler hatte volle Hände zu thun. Wenn man ihm auch von einer Seite hilfreich und bereitwillig entgegenkam, so hatte er doch von der anderen Seite mit Dummheit, Böswilligkeit, verrotteten Schlendrian und Mißbräuchen zu kämpfen, die ungeachtet des ihm von der Regierung gewährten Schutzes doch seine Lage unendlich erschwerten. Ueber seine Verhältnisse dort zu Lande erstattete R. selbst in der österreichischen medicinischen Wochenschrift 1842, S. 79, umständlichen Bericht, und zwar mit einer Unumwundenheit und Offenheit, die seinem Mannesmuthe alle Ehre macht, und dieß um so mehr, als man ihn von verschiedenen Seiten ob dieser ungeschminkten Enthüllungen türkischer Zustände einzuschüchtern versuchte. Allmälig aber fühlte sich R., da alle seine Versuche energisch die Reformen durchzuführen, an der theils schuldigen, theils unverschuldeten Indolenz der türkischen Behörden scheiterten, in seiner Stellung unbehaglich und rüstete sich zur Rückkehr in die Heimat, wo er mittlerweile zum Professor der theoretischen Medicin in Salzburg ernannt worden war. Aber der Tod zweier Collegen, seines Begleiters Dr. Eder und des Dr. Bernard [Bd. I, S. 322][WS 2], machten seine Rückkehr unmöglich. Er erhielt nun mannigfache Zugeständnisse, auch Auszeichnungen, und gewann in dieser Periode, von 1843 bis 1849, eine ungemein ausgedehnte Praxis; außerdem erwirkte er, daß in dieser Zeit sechs neue große Militärspitäler gebaut und nach seinen Angaben eingerichtet wurden. Im Jahre 1849 wurde er Lehrer an der medicinischen Schule zu Galata-Serai, dann Director des österreichischen Spitals zu Pera. Zu gleicher Zeit war R. ununterbrochen schriftstellerisch thätig und veröffentlichte in den „Medicinischen Jahrbüchern“, in der „Zeitschrift der Gesellschaft der Aerzte“ und in der von Wittelshöfer später begründeten „Medicinischen Wochenschrift“ verschiedene Aufsätze, welche seinen Namen in den Kreisen der Fachmänner immer mehr und mehr bekannt machten. Einen größeren Theil dieser zerstreut erschienenen Arbeiten verband er später in einem [158] umfangreichen Werke, das unter dem Titel: „Die Türkei und ihre Bewohner“, 2 Bände (Wien 1852, Gerold, 8°.) erschien und eine erstaunliche Fülle von Original-Mittheilungen über naturhistorische, statistische, ethnographische und medicinische Verhältnisse der Türkei in anziehender Weise schildert. Als er im Jahre 1855 zum Professor der medicinischen Klinik an der Hochschule in Gratz ernannt worden, ließ er sich nicht mehr von der längst ersehnten Rückkehr ins Vaterland zurückhalten. Nach einer im October 1855 bei dem Sultan Abdul Medjid[WS 3] glücklich vollbrachten Augenoperation verließ er kurze Zeit darauf Constantinopel, wo er nahezu 14 Jahre im ärztlichen Berufe zum Besten des in medicinischer Hinsicht arg vernachlässigten Landes thätig gewesen. Mitte Juni 1856 traf er an dem Orte seiner neuen Bestimmung in seiner Vaterstadt Gratz ein, wo er das Klinikum und die dazu gehörige Abtheilung im Spitale übernahm und seine Vorlesungen mit einer Rede eröffnete, welche den Gang seines Lebens und seine Ansichten enthält und in der „Medicinischen Wochenschrift“ abgedruckt steht. Als Mitglied der ständischen Medicinal-Commission war er wohl auch auf dem[WS 4] Gebiete des öffentlichen Sanitätsdienstes wirksam, doch läßt sich seine Thätigkeit in dieser Sphäre nicht entfernt mit jener des Orients vergleichen, da er dahier im Ganzen geordneten Verhältnissen gegenüber stand, während dort aus dem herrschenden Chaos erst eine Ordnung zu schaffen war. Bald aber war er auch in Gratz ein sehr gesuchter Arzt und leider ihm nicht gegönnt, lange in seinem Berufe zu wirken, denn im Alter von erst 47 Jahren raffte ihn bereits der Tod dahin. Im Lande seiner vorherrschenden Thätigkeit in der Türkei hatte es ihm an Anerkennung nicht gefehlt; bereits im Jahre 1845 erhielt er vom Sultan den Nischihan Iftihar[WS 5], das Zeichen des Ruhmes in Brillanten, und 1856 bei seinem Scheiden den Medschidieh-Orden[WS 6]. Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich verlieh ihm im Jahre 1849 den Franz Joseph-Orden und für sein oberwähntes Werk erhielt er von Preußen und Sachsen die goldenen Medaillen für Kunst und Wissenschaft, und ehrenvolle Anerkennungen von Bayern, Württemberg und Baden. Aus seiner am 18. November 1845 in Constantinopel geschlossenen Ehe mit der Tochter eines dort lebenden Wieners, mit Fräulein Karoline Hulka, überleben ihn zwei Söhne: Alexander (geb. zu Constantinopel am 20. November 1848) und Karl (geb. zu Gratz am 10. Mai 1862).

Gratzer Zeitung 1862, Nr. 231, 234, 236, 238, 242 u. 245: „Rede zum Andenken an Prof. Dr. Lorenz Rigler“, gehalten von Professor Heschl.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Mahmud II. (Wikipedia).
  2. Vorlage: [Bd. I, S. 323].
  3. Abdülmecid I. (Wikipedia).
  4. Vorlage: dem dem.
  5. Nişan-i İftihar (Wikipedia).
  6. Mecidiye-Orden (Wikipedia).